Eine Frage des Geschmacks

Bevor ich mich mein Zusatz-Zucker-Fasten begeben habe, ging es noch mal höchst delikat daher: Mein südkoreanischer Mitbewohner hat mit mir vegetarisches Sushi zubereitet. Das war nicht nur super lecker, sondern ganz nebenbei habe ich auch noch eine Menge über Reis gelernt. Und dazu gab es noch ein gutes Glas Wein, bevor meine Stunde geschlagen hatte.

Doch der erste Tag hat nicht nur erstaunlich gut funktioniert, ich habe heute auch viel über Geschmack nachgedacht. Denn auch ohne Süßkram, habe ich in den letzten 24 Stunden ertaunlich viele unterschiedliche Geschmäcker erlebt.

Noch am Vortag war das natürlich das Sushi. Geschmeckt habe ich Seetang, Reis, Möhre, Avocado, Gurke, Kohl und Ei. Und einen angenehmen, leicht lieblichen, obwohl als halbtrocken deklarierten Weißwein.

Heute Morgen Banane und Orange, sowie einen Fladen mit Ei, Käse, Salz und Oregano.

Vormittags frisch gepresster Birnensaft.

Mittags Sabich (Geschmäcker: Pita, Humus, Sesam, Sonnenblumenöl, Aubergine, Ei, Amba, Petersilie, Gurke, Tomate).

Nachmittags Borekkas (Blatterteig, Paprika, saue Gurke, Salz) und Cashews.

Abends Linsenpfanne mit Kartoffeln und Möhren und Zwiebeln und etwas Curry und Pfeffer.

Ich erinnere mich noch genau daran, dass mir in der Schule vier Geschmacksrichtungen beigebracht wurden: Süß, sauer, salzig und bitter. Tatsächlich ist es mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass es noch eine weitere gibt: Umami.

Jede Geschmacksrichtung bewirkt, dass bestimmte Rezeptoren in der Zunge angesprochen werden, die unterschiedliche Botenstoffe aussenden. Dabei hat jeder Geschmack eine bestimmte Funktion:

  • Süße sagt unserem Körper, dass Energie in dem steckt, was wir zu uns nehmen. Instinktiv wird unser Appetit angeregt und wir nehmen mehr davon auf.
  • Säure und Bitterheit indizieren, dass Lebensmittel giftig, noch nicht reif oder bereits verdorben sind.
  • Salziger Geschmack ist ein Hinweis auf wichtige Mineralstoffe.
  • Umami tritt bei besonders proteinhaltigen Lebensmitteln auf.

Es gibt auch Anzeichen dafür, dass Fett geschmeckt werden kann. Macht auch Sinn, denn unser Körper muss ja auch Fett aufnehmen. Und die Erfahrung von Fett im Mund dürften ja einige von uns kennen.

Leider haben wir verlernt, all diese kleinen Nuancen wahrzunehmen. Häufig wissen wir gar nicht, was in dem steckt, was wir essen und trinken. Dabei ist es das intimste, was wir mit unserem Körper anstellen können, sogar intimer als Sex. Denn wir schicken die Dinge, die wir essen und trinken, einmal durch unseren ganzen Körper.

Einerseits erschreckt mich das sehr, sogar jedes Mal wieder auf’s Neue, wenn ich mir das vor Augen führe. Andererseits steht da auch meine Entdeckerfreude gegenüber dem kulinarisch Unbekannten.

Heute Vormittag hatte ich mich beispielsweise mit einer Kommilitonin in einem Café getroffen, um für die Uni zu arbeiten. Ich bin hier sonst nicht so häufig in Cafés und Restaurants unterwegs, deshalb war es interessant, mal die hebräische Karte zu studieren. Was mich wirklich umgehauen hat, ist, dass Israelis wohl sehr auf kalten Kaffee (nein, kein Eis-Kaffee) abfahren. Selbst die Vorstellung eines warmen Kaffees widert mich ja an, deshalb habe ich extreme Hemmungen davor, solch einen zu trinken. Aber wenn sich kein Gast finden sollte, der mal kalten Kaffee trinken möchte, werde ich es wohl doch mal probieren, denn etwas neugierig bin ich schon.

Häufig nehmen wir aber Dinge zu uns, ohne überhaupt darüber nachzudenken, was es mit unserem Körper anstellen könnte. Dabei wären wir eigentlich in der Lage dazu. Von der Lebensmittelindustrie wird das meiner Meinung nach schamlos ausgenutzt: Man verspricht uns einen noch intensiveren, besseren, exotischeren, unglaublicheren Geschmack. Aber wissen wir wirklich, woher dieser kommt?

Bewusster zu essen, sich Zeit zu nehmen, sein eigenes Essen zuzubereiten und bei der Auswahl dessen, was man isst, auch auf Qualität bei den Zutaten zu achten, kann uns in meinen Augen dabei helfen, wieder zu realen Geschmackserlebnissen zu finden, anstatt Einheitsbrei in uns zu schlingen.

Denn guter Geschmack ist häufig ganz einfach, natürlich und pur.

Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Zuckerfrei(er) leben.

3 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp,
    Hab so schmunzeln müssen weil ich genau dieses intensive Schmecken auch schon mal erlebt habe. Nämlich als ich Kohlenhydraten den Kampf angesagt hatte. Es gab sie nur täglich 1x morgens und dann war Schluss für den Tag. Am Anfang habe ich auch sehr Kohlehydrat reiches Gemüse gemieden.

    Was sich aber erzählen wollte war, dass nach einigen Tagen plötzlich das Leitungswasser süß schmeckte. Ich dachte schon ich bilde mir das ein, hat die Wasserversorgung irgendetwas verändert? Doch es blieb bestehen, wir hatten plötzlich Zucker im Leitungswasser.

    Zum Anderen finde ich Deinen Beitrag über Geschmack passend zur aktuellen Monatschallenge Februar :-) “ERNÄHRUNG OHNE FUSSNOTEN – wir wollen echte Lebensmittel!” Es geht um gesunde Ernährung durch gesunde Nahrungsmittel, die neue Lebensmittel- Informationsverordnung, die Zusatzstoffe, E-Nr., natürlichen und chemischen Aromastoffe und auch Allergieauslöser. Deine Erfahrung mit einem veränderten Geschmacksempfinden würde als Beitrag super dazu passen. Interesse? (Monatsauftaktschreiben http://findingsustainia.org/de/allgemein/lebensmittel/)

    Grüße Claudia

    • Hallo Claudia,

      ich weiß, was du meinst! Mittlerweile hat schmeckt Pita schon süß für mich. Auch ist mir bewusst, dass Wasser sehr unterschiedliche Geschacksrichtungen haben kann, aber süß ist mir neu.

      Zum Beitrag bei euch schreibe ich dir noch eine separate E-Mail.

      Alles Liebe,
      Philipp

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