Meine Lehr- und Wanderjahre

Oder: Wie ich zum Nomaden wurde


Ursprünglich aufgewachsen bin ich ja im wunderschönen Vogtland – und hatte diese Gegend bis ich 18 wurde auch nie auf Dauer verlassen. Entsprechend dem Dreiländereck (Thüringen – Sachsen – Bayern) ist auch mein Mutterregiolekt geprägt. Meine Eltern nahmen mich Zeit meiner Kindheit viele Jahre mit nach Osttirol – stets die gleiche Region, die gleichen Leute und die gleichen Einflüsse. Das hat Spuren hinterlassen, über die ich heute sehr glücklich bin. Ich liebe das Bergsteigen, die Almen und die Ruhe dort. Und natürlich auch die Menschen, zu denen sich über die Jahre hinweg Beziehungen entwickelt haben. Osttirol wurde zu meiner “zweiten Heimat”.

Bergkamm

Bergkamm in Osttirol

Eines Jahres hatten meine Eltern aber andere Pläne. Das war für mich der Moment, mit dem Entdecken der Welt nun selbst anzufangen. Ich war gerade 17 geworden und machte kurzerhand mit meinem Cousin Pläne, was wir mit unserem Geld alles anstellen konnten. Wir entschieden uns schließlich für Interrail.

Damit war eine neue Leidenschaft in mir entfacht: Zugreisen! Und ich hatte endlich Gelegenheit, nach London zu gehen. London war schon lange ein Ort, den ich besuchen und später auch einmal bewohnen wollte. Außerdem schauten wir uns damals noch Paris, Marseille und Straßbourg an. Innerhalb von zehn Tagen hatten wir eine derart hohe Erlebnisdichte, die mich in ihren Bann gezogen hatte, sodass ich fortan jede Möglichkeit nutzte zu verreisen, um meine Reisefieber zu besänftigen.

Bahnhof Straßbourg

Bahnhof Straßburg – äußerlich modern, im Kern historisch

Selbstverständlich berichtete ich auch jedes Mal voll Feuer und Flamme zu Hause davon. Mein Vater stellte schnell fest: “Ich glaube, es ist egal, wo du hinfährst. Du findest es überall toll. Außer hier.”

Das traf den Nagel nicht ganz auf den Kopf. Denn ich kehre auch heute immer noch gern in die Heimat zurück. Vielmehr bin ich einfach offen für andere Lebensweisen und Kulturen. und dann auch begeistert von der Vielfalt, die diese Welt zu bieten hat!

Nach der Schule gingen meine Lehr- und Wanderjahre los. Ich wusste schon, dass ich einmal zum Film wollte. Wie auch immer. Beim Wehrdienst hatte ich alle Möglichkeiten ausgereizt, mich weiterzubilden – auch in Richtung Film. Ursprünglich hatte ich dann aber in Dresden Medieninformatik studiert. Ich habe dort unglaublich viel Interessantes gelernt, aber auch gemerkt, dass es noch viel mehr Dinge gibt, die mich interessieren. Und dass mich ein Leben als Informatiker nicht erfüllen wird. Das hat sich auch in meinen Leistungen niedergeschlagen. Dennoch habe ich die ganze Zeit weiter den “Abschluss” verfolgt, um zunächst etwas “Sicheres” in der Tasche zu haben. In der Zeit hatte ich auch das erste Mal bei einem Spielfilm mitgearbeitet. Mein Ziel war also eigentlich klar, aber ich versuchte, dabei scheinbaren Erwartungen anderer gerecht zu werden und habe einen riesigen Umweg eingeschlagen, um meinem Ziel näher zu kommen.

Sächsische Schweiz

Sächsische Schweiz bei Dresden

Und ich fühlte mich auch einfach wohl in Dresden und deklarierte es schon als “vierte Heimat” (Nummer 3 war London). Ich hatte Freunde, Studium, Arbeit – alles war super. Nach zwei Jahren drohte mir von Prüfung wegen die Zwangsexmatrikulation. Das war ein kurzer Tiefpunkt, weil alles in sich zusammenfiel. Wirklich traurig war ich aber nicht, sondern vielmehr befreit. Ich war gezwungen, mich nach Alternativen umzusehen. Warum also nicht direkt tun, worauf auch immer ich Lust hatte?

Brezel

Ja, ich liebe Brezeln…

Bei mir war die Alternative naheliegend. Ich fand ein Volontariat in München. Ein Umzug stand also an. Da ich wusste, dass ich nur vorübergehend in München sein würde, beschloss ich, nur das Nötigste mitzunehmen. Was für Reisen selbstverständlich erscheint, wandte ich das erste Mal auch im restlichen Leben an. In Dresden war ich dagegen bequem und richtete mich für ein sesshaftes Leben mit allen Annehmlichkeiten ein.

Dennoch fühlte ich mich auch in München heimisch. (“Heimat Nummer 5”). Nach Volontariat und Traineeship zog ich für mein Filmstudium nach Südhessen. So ganz zur Heimat avanciert ist die Region nicht. Aber mir wurde bewusst, dass es vielmehr von Menschen abhängt, ob ich mich heimisch fühle als vom Ort an sich. Angesichts von Arbeit in den Semesterferien und geplantem Auslandssemester habe ich meinen Besitz weiter reduziert. Und ich höre nicht auf, umzuziehen.

Foto Römer Frankfurt am Main

Römer Frankfurt am Main

Das hat diverse Gründe: Einerseits ist man als Filmemacher recht viel unterwegs. Ich bin es aber auch privat, weil ich nach wie vor gern zu Orten zurückkehre und Familie und Freunde besuche, die recht weitläufig verteilt sind. Aber ich möchte eben auch neue Regionen bereisen. Ich bin also die meiste Zeit nicht zu Hause und selten an mehreren aufeinanderfolgenden Wochenenden am gleichen Ort.

Das bleibt auch meinen Freunden nicht verborgen. Fragen wie “Wo bist du eigentlich gerade? Ich habe verschiedenes gehört, aber keiner weiß es so wirklich.” oder “Du bist nicht so der sesshafte Typ, oder?” höre ich häufiger.

Viele Menschen stellen sich nun mal irgendwann die Frage, wo sie sich niederlassen wollen. Ich will aber immer weiter. Es gibt keinen Ort, an dem ich mir momentan vorstellen könnte, den Rest meines Lebens zu bleiben. Also lasse ich es einfach.

2 Kommentare

Antworten

  1. Drolli&Enno

    08/10/2014 — 19:30

    Sind gespannt, wie es weiter geht…

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