Was das Leben als Nomade für mich ausmacht

Mir passiert es spätestens alle paar Wochen wieder, dass ich jemandem erkläre, wieso, weshalb und warum ich als Nomade lebe. Und jedes Mal räume ich auch Missverständnisse aus dem Weg. Scheinbar hat jeder eine eigene Vorstellung davon, was das Nomadentum denn nun ist – Romantik und Nostalgie inklusive. Logisch, wir haben ja alle unseren eigenen Kopf. Hier kommt meine persönliche Sicht darauf.

Gleich vorab: Das Nomadentum ist ebenso einem Wandel unterlegen wie alle anderen Menschen auch. Es ist vielfältiger denn je und profitiert ebenso von technischen Entwicklungen. Nicht alle Nomaden ziehen um die ganze Welt; manche verlassen nicht einmal die Landesgrenzen. Eine sehr persönliche Ansicht also.

Die folgenden Punkte liegen mir dabei am Herzen.

Immer in Bewegung

“Du bist aber auch nur unterwegs!”, höre ich gefühlt täglich. Ich bin auch gern unterwegs. Aber ständig?

Ich finde es wichtig, in Bewegung zu bleiben. Wer rastet, rostet würde ich nicht unterschreiben, denn Pausen erachte ich als wichtig. Doch den Kern finde ich zutreffend.

Ich mag nicht, wenn sich ein Trott einschleicht. Das fördert nicht gerade mein Schaffen und ich bekomme den Eindruck, die Gegenwart nicht ausreichend wertzuschätzen, weil ich nicht bewusst lebe, sondern eher wie ein Busfahrplan funktioniere – jeden Tag, zu jeder Zeit dasselbe. Geregelte Arbeitszeiten sind mir suspekt und keine wirkliche Motivation. Absitzen, bis die volle Stunde schlägt? Furchtbar!

Dagegen sprießen die Ideen nur so, wenn ich unterwegs bin. Ich liebe es, in öffentlichen Räumen zu arbeiten – Bibliotheken, Cafés und Züge gefallen mir besonders gut!

Gleichwohl bin ich mir dessen bewusst, dass ich ebenso wenig produktiv bin, wenn ich ausschließlich in den Tag hineinlebe. Dafür habe ich mein eigenes Konzept, auf das ich in einen anderen Beitrag mal eingehen werde.

Die richtige Mischung macht es für mich. Ich kann sehr gut arbeiten, wenn sich mein Umfeld ändert und ich selbst meine gewohnte Umgebung verlasse. Das muss natürlich nicht auf jeden zutreffen. Deshalb interessiert mich eure Meinung dazu!

Ruhe und Zeit

Ich kann es nicht ausstehen, Dingen nicht die Zeit widmen zu können, die ihnen gebührt. Ironischer Weise beobachte ich häufig, dass Sesshaftigkeit dazu führt, einem Ort nicht die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken.

Den “dauerhaften” Wohnort meint man, schon so gut kennen, dass es nichts mehr zu entdecken gäbe. An neuen Orten hingegen (zum Beispiel im Urlaub) rasen die Leute lieber von einer Ecke zur nächsten, um auch ja alles gesehen zu haben. Klar, denn besonders während des Urlaubs hat man furchtbaren Stress.

Ich finde das kontraproduktiv – in jeglicher Hinsicht. Ich habe vor einiger Zeit auf Einfach bewusst ein Zitat dazu gelesen, dass ich für hervorragend halte:

Die Natur eilt nicht und dennoch wird alles erreicht.

(Laozi, chinesischer Philosoph)

So sehr man sich auch beeilt, wird man nicht jeden Flecken dieser Welt bereisen. Und wenn man es versuchte, muss ich mich doch fragen, ob man dann wirklich behaupten kann, jeden Ort zu kennen. Ich denke nicht.

Deshalb nehme ich mir lieber mehr Zeit für weniger Orte und Menschen, die ich dafür dann aber auch wirklich kenne. Und klar gilt auch hier, dass es die Mischung macht. Ab und zu ein Powertrip kann aufregend sein, gibt mir auf Dauer aber nichts. Deshalb hat sich mein Reisetempo in den letzten Jahren unglaublich heruntergeschraubt. In einer Woche einmal durch ganz Ägypten? Nein, danke. Das mache ich lieber, wenn ich mal mehr Zeit habe.

Mehr Tiefgang

Dass ich mehr Zeit aufbringe, um Land und Leute kennenzulernen, bringt automatisch eine andere Art des Reisens mit sich: Tiefes Reisen.

Denn wenn ich Sehenswürdigkeiten links liegen lassen und touristische Pfade verlassen kann, nehme ich einen Ort auf ganz andere Art und Weise wahr, bemerke auch die Seiten, die den meisten Touristen vorenthalten bleiben.

Das sind freilich nicht nur gute Seiten. Aber die gehören eben genauso dazu. Ehrlich gesagt ist das Ausblenden der Tatsache, dass es überall Gutes und Schlechtes und nicht nur eine Seite gibt, ein wenig naiv. Denn egal wohin man kommt, ist das Leben nicht nur romantischer Sonnenschein, sondern eben auch größeren und kleineren Schwierigkeiten unterworfen.

All das bekomme ich aber nicht mit, wenn ich früh losstürze, um alle historischen Kirchen abzuklappern. (Und mal ehrlich – auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt alle Architekturhobbyisten gegen mich aufbringe, und obwohl ich sehr wohl weiß, dass es Unterschiede gibt: Kennst du eine, kennst du alle…)

Stattdessen verweile ich einfach mal (siehe Ruhe und Zeit) und lasse einen Ort über längere Zeit hin auf mich wirken.

Reisen ≠ Urlaub

Diese Ungleichung stand für mich nie wirklich zur Debatte. Allerdings tut sie das für andere.

Für mich ist recht klar: Urlaub heißt, ich arbeite nicht. Reisen heißt, ich bewege mich fort. Für welchen Zweck sei mal dahingestellt. Folglich kann ich auch Urlaub haben und verändere meinen Ort gar nicht. Und ich kann reisen, ohne Urlaub zu haben.

Dieser Fall tritt bei mir am häufigsten ein. Entsprechend habe ich natürlich auch andere Anforderungen an meine Reisen, als ebenjene, die welche unternehmen, um sich zu erholen. Das ist recht essentiell, was das tiefe Reisen angeht.

Während für mich beispielsweise die unschönen Seiten an Orten ebenso dazugehören wie die guten, sind sie von Menschen, deren einzige Möglichkeit, eine Reise zu unternehmen, ihr Urlaub ist, vielleicht gar nicht erwünscht. Deshalb sind sie natürlich trotzdem da. Nur passiert es dann eben schnell, dass der Urlaub nicht so erholsam wird, wie gewünscht.

Das muss ich mir jedes Mal wieder klarmachen, wenn ich Besuch bekomme. Denn für mich sind diese Seiten dann Normalität geworden, während es meine Familie und Freunde unter Umständen stark verstört. Zwei Wochen an einem anderen Ort zu sein, hat für sie eine komplett andere Bedeutung als für mich.

Wiederkehr

Hier kann ich wirklich sagen: Last but not least!

Ich möchte nicht nur neue Orte erkunden. Für mich ist es genauso wertvoll, zu Menschen und Orten zurückzukehren und ihre Entwicklung hautnah  zu erleben. Obwohl ich das Jahr über gewisse Zyklen verfolge, gibt es für mich keine Regel, wann ich mich wo aufhalte.

Das ging früheren Nomaden anders. Sie zogen im Kreis der Jahreszeiten umher, um zu überleben. Ich habe es da schon deutlich einfacher, bin sozusagen frei davon. Aber was mich antreibt wiederzukehren, ist ebenfalls ein Bedürfnis: Menschen und Orte sind meine Oasen, an denen ich mich mit allen Seelenwassern auftanke.


Deshalb bin ich auch schon ganz euphorisch! Denn ich werde noch diese Woche nach Jerusalem zurückkehren! (Und nein, nicht zum Sonne tanken, denn gerade ist noch Regenzeit… Aber im März dann vielleicht. :))

Warum ausgerechnet Israel?

Ich hatte schon häufiger geäußert, dass ich mit diesem Land noch lange nicht fertig bin. Und das werde ich auch sicherlich dieses Mal nicht. Parallel hatte ich anfangs zurück in Europa so meine Schwierigkeiten: Der Kulturschock nach dem Kulturschock hatte mich voll erwischt. Deshalb bin ich auch schon gespannt, wie ich das gelobte Land dieses Mal aufnehmen werde.

Ob ich nun den 14. Februar als Reisedatum ausgewählt habe, um meiner Liebe zu Land oder zu Leuten Ausdruck zu verleihen, kann sich jeder selbst raussuchen. ;) Gleichzeitig erfülle ich mir damit übrigens gleich noch einen Wunsch: Seit meiner Ankunft in Tel Aviv letztes Jahr wollte ich einmal selbst Freiwilliger in einem Hostel sein.

Die Atmosphäre dort hatte mich sprichwörtlich angesteckt und ich habe mich seitdem gefragt, ob das nicht auch etwas für mich wäre. Gesagt getan, habe ich umgeschaut und mich im Abraham Hostel in Jerusalem beworben. Die haben nämlich eine Media Volunteer Stelle, wie ich von einem früheren Aufenthalt dort noch in Erinnerung hatte.

Das Prinzip ist: Freiwillige Arbeit gegen Kost und Logis. Unter anderem werde ich für das Abraham Hostel fotografieren. Das bunt gemischte Team veranstaltet regelmäßig Abendprogramm und ich werde als Paparazzo unterwegs sein. Das wird für mich eine völlig neue Erfahrung werden, denn bisher habe ich lediglich ohne Klientel fotografiert.

Außerdem helfe ich in der Touristikabteilung aus. Ja, auch das wird eine neue Erfahrung für mich – die andere Seite, sozusagen. Das Hostel bietet nämlich auch Tagestouren an, die ich mit vorbereiten und teilweise auch begleiten werde (haha, diese Ironie!).

Und dann ist da noch ein weiteres Hostel, das neben den bestehenden in Jerusalem und Nazareth bald in Tel Aviv eröffnen soll. Inwiefern ich dort mit von der Partie sein werde, weiß ich noch nicht.

Natürlich werde ich hier berichten, was ich als Freiwilliger erlebe und was mir sonst so widerfährt. Ich freue mich schon riesig darauf!

In diesem Sinne: Auf bald!

Euer Philipp

8 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp!

    Wow, da hast Du Dir ja wieder ein tolles Projekt vorgenommen. Für wie lange hast Du Dich verpflichtet?

    Deine Liebe, immer wieder neue Wege zu gehen, steckt mich ein wenig an. Selbst gehe ich “nur” im Kleinen, da ich durch meine Familie sehr sesshaft geworden bin.

    Aber ich habe noch immer den Traum, das einmal zu ändern. Das wird auch gar nicht mehr so lange dauern denke ich.

    lg
    Maria

    • Hallo Maria,

      ich werde sieben Wochen bleiben. Gerne würde ich natürlich länger!

      Kommt Zeit kommt Rat! Ich bin schon gespannt, wohin sie dich führt! :)

      Lieber Gruß,
      Philipp

  2. Hey Philipp,

    ich finde es bewundernswert, wenn man wirklich so viel reist, wie du.

    Ich bin auch gerne unterwegs und ich denke, ich werde das in Zukunft auch öfter tun. Ich habe seit vielen Jahren meine Tiere, die mich nicht lange weg lassen. Aber das ist auch gut so, ich habe mich ja für sie entschieden und sie sind es auch wert!

    Aber ich merke, dass ich immer mehr Lust dazu habe, noch mehr Abenteuer zu erleben. Gestern habe ich ein sehr schönes Video gesehen, da waren sie Kite-Surfen in Neuseeland. Schon sehr geil. Will ich auch machen. Werde ich auch mal machen. :)

    Fotograf in Israel klingt ja auch sehr spannend! Davon musst du unbedingt erzählen! :)

    Liebe Grüße,
    Ronja

    • Hallo Ronja,

      ich mag Tiere auch echt gern! Als ich mich für ein Nomadenleben entschieden habe, war das allerdings auch gleichzeitig eine Entscheidung gegen Haustiere. Umso mehr genieße ich aber, wenn ich anderweitig mit Tieren in Kontakt komme. :)

      Surfen möchte ich eines Tages auch mal, aber das hat noch etwas Zeit. Bis dahin schieße ich noch ein paar Fotos – und berichte davon. ;)

      Lieber Gruß,
      Philipp

  3. Ich lese Reiseberichte und denke, bin froh, dass ich da gerade n i c h t bin. Dein Marktbericht war damals schön. Da konnte ich es nachvollziehen. Ich mag Straßenleben und Livemusik. Vermisse das Meer. Reisen ist mir aber zu aufwendig geworden. Bevor ich ein Kind hatte, war ich viel unterwegs. Ich frage mich heute, was ich gesucht habe. Hab es dann wohl bei mir selbst gefunden. Sonst wäre das Bedürfnis zu reisen ja nicht weg. Oder ich hab einfach alles schon gesehen, was mir wichtig war. Viel Glück auf der Reise! Ich mag ja gerade die Routinen und wenn nix passiert. Komisch, wie sich alles verändert.

    Lg Tanja

    • Hallo Tanja,

      ich habe mich auch schon häufiger gefragt, ob mich meine Reiselust eines Tages verlassen wird. Momentan glaube ich nicht daran. Die Zukunft wird es zeigen!

      Entgegen der weitläufigen Meinung bin ich übrigens nicht auf der Suche nach einem Fleckchen Erde, an dem es mir so gut gefällt, dass ich den Rest meines Lebens dort verbringe möchte – falls es das überhaupt gibt. Und mir ist tatsächlich wichtig, dass ich mit mir selbst im Reinen bin, wenn ich Reise. Alles andere ist nur eine Art Flucht ohne Entkommen, wenn man mich fragt.

      Lieber Gruß,
      Philipp

  4. Anita Hutter

    05/11/2016 — 20:14

    Hallo Philipp

    Dein Text hat mich berührt. Ich fühle genauso wie du – ich ziehe ständig um, weil ich dieses Ziehen im Bauch habe, woanders hin zu müssen, ich werde rastlos, wenn ich ständig an einem Ort bleibe.
    Ich bin jetzt 18 Jahre alt und habe eine “tolle Zukunft”, wie alle sagen. Ich werde viel Geld verdienen, wenn ich eine gute Ausbildung habe und das ist auch wichtig. Irgendwie. Aber ich will dieses Leben gar nicht.
    Du sprichst die Wahrheit und ich würde gerne so leben wie du es tust :)

    Liebe Grüße

    Anita

    • Hallo Anita,

      vielen, lieben Dank! Ich freue mich immer, wenn ich mit anderen Menschen auf einer Wellenlänge schwinge. :)

      Was hindert dich denn daran, so zu leben, wie du es möchtest?

      Lieber Gruß,
      Philipp

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