Nachdem ich es letztes Jahr schändlicherweise überhaupt nicht geschafft habe, auch nur einmal mit meinem Kajak unterwegs zu sein und es dieses Jahr auch schon arg aussah, bin ich froh, nach dem vergangenen Wochenende doch noch einen Erfolg verkünden zu können. Herausgekommen ist dabei eine beschauliche kleine Tagestour mit allerhand Tücken auf dem Weg.
Die Route war recht schnell ausgemacht. Denn ich hatte keine Lust, schon wieder auf dem (am Wochenende wahrscheinlich von Partytouris überfüllten) Landwehrkanal zu paddeln und sehnte mich nach einer neuen Strecke. Gleichzeitig wollte ich für eine Tagestour keine ewige Anreise zurücklegen. Also wählte ich als Ausflugsziel Neu-Venedig und plante meine Tour drum herum.
Zum Verständnis: In Berlin gibt es zwei Kleingartengebiete, die nach der romantischen, italienischen Kanalstadt benannt wurden: Klein-Venedig (in Spandau an der Havel) und Neu-Venedig in Köpenick an der Spree. Nachdem mich Neu-Venedig mit seinen zahlreichen Wassergrundstücken schon vor Jahren verzaubert hatte, wollte ich mir also auch von Neu-Venedig einen Eindruck verschaffen. Kurzerhand plante ich meine Route anhand der Möglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs und beschloss, von Königswusterhausen aus zu starten. Konkret sah meine vorläufige Routenplanung wie folgt aus:
- Anreise mit dem Regionalexpress nach Königswusterhausen
- Kurzes Bestaunen des Königswusterhausener Schlosses
- Aufbau des Kajaks im Schlosspark und Einsetzen in Nottekanal
- Mündung in Dahme und Fortführung flussabwärts
- Mündung in die Spree über Zeuthener, Seddin- und Dämmeritzsee
- Fortführung flussabwärts bis nach Neu-Venedig
- Fortführung entlang der Spree bis nach Berlin je nach Umständen
- Rückreise mit dem Regionalexpress nach Hause
Selbstredend gestaltete sich alles etwas anders, als ich es es geplant hatte.
Anreise mit Sperrgut
Ein Faltboot ist in den seltensten Fällen klein verpackt, denn Stabilität hat ihren Preis – in diesem Fall Volumen und Gewicht. Da stellt mein Faltboot auch keine Ausnahme dar. In einer idealen Welt wäre in Zügen natürlich immer ausreichend Platz für alle mitfahrenden Menschen plus derer Gepäck. In der Realität können Bahnunternehmen äußerst schlecht kurzfristig auf sich ändernde Nachfrage reagieren. Am Wochenende heißt es also: Genuss in vollen Zügen.
Dabei möchte ich mich gar nicht beschweren, denn tatsächlich hatte ich sogar einen Sitzplatz. Allerdings taten mit die Mitfahrenden, die ihre Fahrräder beim Halt in Königswusterhausen aus dem Zug heben mussten damit ich mit meinem Kajak rauskomme, schon etwas leid. Aber so kommt man wenigstens ins Gespräch, denn wenn jemand mit einem Kühlschrank auf Rädern und Paddeln im Zug unterwegs ist, weckt das stets neugierige Blick und interessierte Kommentare.

Ein bescheidenes Schlösschen
Obwohl ich wesentlich später aus Berlin losgekommen bin, als ich ursprünglich vorhatte, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, einen kurzen Blick auf das Königswusterhausener Schloss unweit des Bahnhofs zu werfen. Da ich immer noch von den zahlreichen verträumten Schlössern in Babelsberg vom Vortag begeistert war, empfand ich das in Königswusterhausen tatsächlich als vergleichsweise bescheiden – zumindest von außen.
Für mehr reichte die Zeit dann leider doch nicht, denn ich hatte noch einige Flusskilometer vor mir. Also suchte ich im Schlosspark nach einer günstigen Einstiegsstelle in den Nottekanal – bis ich schließlich auf einem Schild las, dass der gesamte Kanal bis Ende 2026 gesperrt ist. Hätte ich mal lieber vorab recherchiert!

Besser spät als nie
Also suchte ich auf meinem Handy in der Kartenapp nach der nächstgelegenen geeigneten Stelle, an der ich mein Kajak errichten und zu Wasser lassen könnte. Und so lief ich und lief ich, vorbei an Gartenkolonien, einem Industriehafen und einer Autobahn, bis ich schließlich 2,5km später endlich am Ufer der Dahme stand.
Immerhin der Aufbau ging zügig von statten. Binnen 15 weiteren Minuten befand ich mich endlich im Wasser. Aber da war es auch schon 15:00 Uhr. Dass ich ursprünglich am Vormittag ablegen wollte, tat da ohnehin schon nichts mehr zur Sache. Allerdings fragte ich mich allmählich, ob ich mein Ziel, die Gartenkolonie Neu-Venedig, noch realistisch erreichen können würde.
Große Klappe, nichts dahinter
Doch erst einmal wollte ich das Paddeln genießen. Zu lang war ich schon nicht mehr im Kajak unterwegs. Schon die ersten Meter lösten pure Freude in mir aus! Richtige Entscheidung, trotz Verspätung noch aufzubrechen.
Allerdings wich der Genuss bald technischem Notwendigkeiten. Der Zeuthener See sollte nur der erste von vieren sein, die ich an diesem Tag befahre. Aber bereits hier erinnerte ich mich, warum ich lieber auf Flüssen als auf See paddle:
- Seen sind oft so weiträumig, dass der Wellengang durch den Wind stärker wird und man die Strömung nicht mehr so stark für sich nutzen kann. Es wird also per se schon anstrengender.
- Seen ziehen, und das finde ich wesentlich störender, viele Inhaber von Motorbooten an. (Ja, ich nenne sie bewusst nicht “Sportler” und verwende hier bewusst ausschließlich die maskuline Form.) Die meinen, Wettrennen gegen sich selbst fahren zu müssen. Dabei verursachen die kleinsten Nussschalen die größten Bugwellen, die ich gehörig ins Schwanken bringen können, wenn sie mein Kajak von der Breitseite erwischen.
Da lobe ich mir doch kleinere Flüsse, auf den nur Handbetrieb erlaubt ist.

Ein kleines Idyll
Das sollte ich an diesem Tag auch noch genießen dürfen. Nach der Durchquerung des Seddinsees gönnte ich mir eine kleine Pause und wurde darauf aufmerksam, dass ich bei der Weiterfahrt zwischen dem direkten, geradlinigen Gosener Kanal und dem verschlungenen Gosener Graben wählen konnte. Während beim ersten die Fahrtzeit wesentlich kürzer sein dürfte, war zu erwarten, dass letzterer wesentlich interessanter zu befahren sein würde. Abgesehen davon waren im Gosener Graben motorisierte Boote verboten. Einfache Entscheidung!
Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Nebst Ruhe, wunderschöner Lichtstimmung bei niedrig stehender Sonne und Graureihern sah ich auch den einen oder anderen Eisvogel über das Wasser jagen. Ein Träumchen! 🤩

Liebenswürdig schusselig
Apropos Graureiher: Die wirken schon sehr majestätisch, sind aber für gewöhnlich auch äußerst scheu. Von meiner Paddelerfahrung her haben sie bei mir aber auch den Eindruck eines extrem schusseligen Vogels hinterlassen. Der speist sich unter anderem aus der Beobachtung, dass sie sich gern wegducken und sich langsam bewegen, als würde ich sie deshalb nicht sehen. Außerdem fliegen sie jedes Mal, wenn sie vor mir flüchten, in meiner Fahrtrichtung von mir weg; landen also ein paar dutzend Meter weiter, nur um wenige Momente später wieder von mir aufgeschreckt zu werden.
Umso mehr freute ich mich, als ich außerhalb des Gosener Grabens überraschend ganz nah an einem vorbei driftete und kurzerhand einen Schnappschuss mit meinem Handy wagte. So nah war ich meines Erachtens noch nie an einem Graureiher dran! Sind sie nicht süß?

Ein verlorenes Idyll
Schließlich erreichte ich tatsächlich bei Sonnenuntergangsstimmung meinen eigentlichen Anlass für diesen Auslug: Neu-Venedig. Die Siedlung in Rahnsdorf, einem südöstlich gelegenen Zipfel Berlins, zeichnet sich nicht nur durch ihre Lage an der idyllischen Müggelspree aus, sondern auch dadurch, dass zwischen den Grundstücken kleine Kanäle verlaufen. Sogar Brücken über die Kanäle gibt es – ganz wie beim großen Vorbild.
Die wenigen Landwege sind abgesehen des begrenzenden Rialto-Rings und Lagunenwegs nach Vögeln benannt. Natürlich verfügt jedes Grundstück über einen Zugang zum Wasser und viele auch über eigene Boote. Und so sieht man am Wochenende zum Sonnenuntergang nicht nur hier und da die ersten Feuerschalen brennen, sondern auch junge Menschen gediegen mit kleinen Bootchen und ruhiger Musik ihre vor sich hin tuckern.
Idyllisch, oder?
Könnte es tatsächlich sein. Wäre da nicht die Akustik. Denn die Beschaulichkeit der pittoresken von Wasser umgebenen Parzellen wird maßgeblich durch die Lärmbelästigung des Flughafens Berlin-Brandenburg gestört. Da sich Neu-Venedig direkt in der Flugschneise befindet, hört und sieht man die Düsenflieger alle paar Minuten über das sonst so schöne Kleinod hinwegrauschen.
Schade eigentlich. Denn, abgesehen davon, dass die Grundstückpreise hier jenseits von Gut und Böse liegen, erwachte in mir ein allzu vertrautes Begehr, das mir schon aus dem Spreewald nur bekannt war. Und ehe ich mich versah, träumte ich mich auch schon in das Leben eines Anliegers hinein, der die Sommermonate hier verbringt. (#sommerfrische) Doch so braucht es mir gar nicht leid tun, dass ich es mir nicht leisten kann, denn unter den gegebenen Umständen könnte ich es ohnehin nicht genießen.

Himmelsspektakel zum Abschluss
Die berühmte Goldene Stunde erwies sich für Anfang September schon als reichlich kurz, sodass ich mich beim Verlassen von Neu-Venedig doch etwas beeilen musste, um noch Land zu erreichen, von dem ich günstig den öffentlichen Nahverkehr erreichen konnte. Mithilfe meines Handys fand ich eine vielversprechende Stelle am Ufer des Müggelsees, um an Land zu gehen. Bei den letzten Paddelschlägen und dem Abbau wurde ich dann aber noch mit einem wunderschönen Himmelsspektakel belohnt.
Die medial viel beachtete Mondfinsternis habe ich unterdes erst auf dem Heimweg vom Zug aus sehen können.

Was habe ich gelernt?
Was nehme ich also aus diesen kleinen Ausflug mit außer letztlich doch beachtlichen 21,84km Strecke? Mehrere Erkenntnisse:
- Was habe ich das Paddeln vermisst! Davon möchte ich dieses Jahr noch mehr!
- Idealerweise prüfe ich vorher jeden Teil des Wasserwegs noch einmal auf Baustellen und Sperrungen, um mir unnötige Laufwege zu ersparen.
- Künftig lieber kleinere Flüsse als geschäftige Seen.
Und es erwies sich tatsächlich als ein Mini-Abenteuer, wie es im Buche steht! Auf, dass noch viele weitere folgen mögen!
Alles Liebe
Philipp