Gehören deine Eltern auch zu denjenigen, die dir während deiner Kindheit stets vor Augen geführt haben, dass ebendiese doch der schönste Abschnitt im Leben sei? Obwohl ich eine sehr schöne Kindheit hatte, bin ich kein Freund der Philosophie, das früher alles besser gewesen sei. Im Gegenteil empfinde ich es sogar als lebensverneinend, sich damit abzufinden, dass der schönste Teil des Lebens schon vorüber sein soll. Nichtsdestotrotz wurde ich jüngst erneut Zeuge dessen, wie Kindheitsträume im Erwachsenenalter ihren Zauber verlieren.
Woran liegt das?
Das ist leider nicht das erste Mal. Wer schon länger mitliest, weiß womöglich um meine Vorliebe für kindliche Glückserfahrungen, insbesondere Achterbahnen und Magie. Jedoch werden sie mit zunehmender Alter häufiger zunichte gemacht. Dafür mache ich auch gar nicht meine zunehmende Reife, erwachsene Distanziertheit oder Traumabewältigung verantwortlich, sonder im Wesentlichen zwei Gründe aus:
- Einstige Vorbilder stellen sich als Menschen mit in meinen Augen verwerflichen Ansichten heraus.
- Zauberhafte Welten entpuppen sich als profitorientierte Abzocke.
Manchmal kommen auch beide Gründe zusammen.
Verheißungsvolle Versprechen
Eigentlich sollte man meinen, dass ein Freizeitpark meine Schwägerin für Achterbahnen und Magie voll auskostet – insbesondere, wenn es sich um Disney handelt. Immerhin ist die Marke bekannt dafür, magische Momente zu schaffen, die lang in Erinnerung bleiben. Und ja, Achterbahnen gibt es im Disneyland Paris auch.
Natürlich wird auch genau damit überall geworben. Aber ich bin ein kritischer Mensch. Entsprechend hegte ich einige Bedenken gegenüber dem Wunsch meiner Reisegesellschaft, statt Versailles einen Tag im Disneyland zu verbringen. Aber ich wollte mich auch nicht komplett versperren. Immerhin gehört ein Besuch dieses Parks zumindest für eingefleischte Freizeitpark-Fans dazu.
Abzocke pur
Dass dieser Besuch kein Schnäppchen wird, war von vornherein klar. Spätestens ein Blick auf den Internetauftritt offenbart es. Natürlich kann man hohe Preise rechtfertigen, wenn die Qualität stimmt. Das tut sie hier aber nicht. (Und dabei spreche ich noch nicht mal vom Essen; das ist in Freizeitparks prinzipiell minderwertig und überteuert.)
Für die mangelnde Qualität mache ich im Wesentlichen fünf Faktoren verantwortlich:
- Es wird zu wenig geboten.
- Die Wartezeiten sind zu lang.
- Instandhaltung findet nicht statt.
- Der Dienstleistungsgedanke fehlt.
- Man ruht sich auf dem Erfolg aus.
Schauen wir uns das einmal im Detail an.
Wo sind die aufregenden Achterbahnen?
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich das Disneyland als Familienpark versteht. Entsprechend sollte es eine gute Mischung für alle Altersgruppen geben. Zumindest die für jüngere Menschen ist das gegeben. Wer auf Thrill-Rides steht, wird hingegen enttäuscht werden.
Der Großteil der Attraktionen besteht aus sanften Themenfahrten. Die sind zwar schön anzusehen und teilweise kreativ umgesetzt, aber auch etwas schnarchig. Über ganze drei Achterbahnen verfügt der Park. Davon ist aber keine wirklich aufregend. Schade eigentlich, denn es gäbe durchaus viel Potential, wenn man thematisch Star Wars oder Indiana Jones bedienen möchte.
Mehr Warte- als Fahrzeit
Zugegeben: Dies ist oft ein Grundproblem in Freizeitparks. Man steht für eine Fahrt von wenigen Minuten oft 30 Minuten oder länger an und verbringt so den Tag vor allem sich die Beine in den Bauch stehend statt Spaß habend. Womöglich hilft es, außerhalb der Hauptsaison zu buchen, aber so schlimm wie hier, habe ich es noch nicht erlebt.
Der Spitzenreiter war mit 65 Minuten Wartezeit angekündigt, aber dann kam es noch viel schlimmer: Nach 75 Minuten wurde plötzlich durchgesagt, dass die Schlange aufgelöst wird, weil die Achterbahn zum zweiten Mal am selben Tag defekt ist. Da waren wie gerade mal bei der Hälfte des Anstehweges.
Die Wartezeit kann man übrigens mittels – separat käuflichen Express-Tickets verkürzen. Die muss man aber für jedes Fahrgeschäft pro Fahrt und Person lösen und wird so rasch zusätzlich zum regulären Eintritt von über 100€ schnell noch mehrere weitere Hunderte los. Läuft mit den Kapitalismus.
Wenn man sich das sparen möchte, schafft man aufgrund der elendig langen Wartezeiten zur Hauptsaison jede Attraktion höchstens ein Mal am Tag.
Dornröschens Schloss braucht keinen Prinzen, sondern Handwerker*innen
Davon, dass das Instandhaltungsproblem ein chronisches zu sein scheint, zeugen nicht nur die häufigen Ausfälle der Fahrgeschäfte, sondern auch das märchenhafte Schloss. Eigentlich liebevoll dekoriert und in Szene gesetzt, hapert es an Details.
Da wären beispielsweise die an Märchen angelehnten Buntglasfenster, die aber tatsächlich nur mit billiger Folie gestaltet wurden. Die letzte Renovierung scheint schon eine Weile her zu sein, denn die bunte Folie blättert an einigen Stellen ab. Würde es sich um echtes Buntglas handeln, hätte ich volles Verständnis dafür, dass die Reparatur ein paar Tage in Anspruch nimmt. Aber wie lang kann es wohl dauern, ein paar bunte Folien aufzukleben?
Für die horrenden Ticketpreise sollte die Erfahrung makellos sein.
Die Service-Wüste lässt grüßen
Nun sollte man annehmen, dass es bei so einem Ausfall nach 75 Minuten Wartezeit das Mindeste wäre, die Besucher*innen auf irgendeine Art für ihre vergeudete Lebenszeit zu kompensieren, um die Laune, die da bereits im Keller war, zumindest wieder ein bisschen anzuheben. Doch weit gefehlt. Stattdessen wird man einfach ohne Ausblick auf eine Perspektive weggeschickt. Erst auf Nachfrage, durften wir kostenfrei den Express-Weg nutzen, als die Bahn doch wieder fuhr. Warum wird das nicht von sich aus angeboten, wenn die Bahn laut Rezensionen im Internet mehrfach täglich ausfällt?
Holprig ging es im Übrigen schon beim Eintritt los. Entgegen meiner eigenen Erwartung wurde bei der Sicherheitskontrolle ein Schweizer Taschenmesser in meinem Rucksack entdeckt. (Im Louvre zwei Tage zuvor wurde das wohl übersehen.) Mir wurde dann angeboten, es zerstören zu lassen oder ins Auto (nicht vorhanden) oder Hotel zu bringen (mehr als eine Stunde Fahrt in eine Richtung). Kurz überlegte ich, es draußen irgendwo zu verstecken, sah dann aber aus Sorge, dass ich andere Menschen in Angst versetze, davon ab. Fündig wurde ich im Mini-Markt immBahnhof, wo man es für 5€ am Tag hinterlegen konnte.
Offensichtlich bin ich also nicht der erste, dem es so ging. Da zwängt sich doch förmlich die Frage auf, warum der Freizeitpark nicht selbst auf die Idee kommt, Schließfächer anzubieten, wo man bei Bedarf Dinge verstauen kann. Dass US-Amerikanische Unternehmen so dienstleistungsorientiert agieren, ist wohl doch nur ein leeres Gerücht.
Die Kuh wird gemolken
Die Betreibenden des Parks sehen wohl keinen Grund, auch nur irgendeinen der Punkte zu beseitigen. Das zeigt zumindest eine kurze Recherche im Internet zu anderen Rezensionen. Denn ich bin wahrlich nicht der Erste mit meiner Kritik.
Und auch im Übrigen wird es nicht als nötig erachtet, den Park in irgendeiner Weise zu verbessern. Zur Verdeutlichung: Die jüngste Achterbahn hat bereits 30 Jahre auf dem Buckel.
Dabei fühlen sie sich wohl durch ihren Erfolg bestärkt: Solang weiterhin jeden Tag Zehntausende von Menschen in den Park strömen, fließt das Geld ja auch ohne weitere Investitionen. Warum sich also überhaupt die Mühe machen? Die Marke Disney zieht auch so weiterhin Jung und Alt an.
Gab es auch etwas Gutes?
Tatsächlich sogar drei Dinge:
- Viele der dekorativen Bauten sind massiv, weshalb ich den ganzen Tag ungläubig Holz, Felsen und Stahlkonstruktionen abgeklopft habe, um sie auf Echtheit zu überprüfen. Das hat mich begeistert!
- Es gibt wahrscheinlich keinen anderen Ort auf der Welt (außer die anderen Parks der Marke), an denen erwachsene Fans aus aller Welt so inbrünstig solche bedepperten Mützen tragen können, ohne belächelt oder doof angemacht zu werden. Das finde ich süß.
- Ein Angestellter namens Theo hat uns den Express-Weg nehmen lassen, als die Achterbahn wieder funktionierte. Das hat die Laune zumindest wieder etwas gebessert.
Haken dran
Kinder sehen wahrscheinlich nicht, welche Strapazen ihre Eltern auf sich nehmen, um ihnen einen schönen Tag zu ermöglichen. Dabei spreche ich nicht nur vom finanziellen Aspekt, sondern auch dem Drumherum. (Liebe Grüße und viel Dankbarkeit gehen an Mama und Papa raus! ♥️) Ich bin froh, an diesen Park einen Haken machen zu können sehe aktuell keinen Grund, ihn weiterzuempfehlen oder noch einmal zu besuchen.
Wer dennoch hin möchte, tut sich selbst und allen Mitfahrenden einen Gefallen, indem sie nicht zur Hauptsaison im Sommer fahren. Allen anderen würde ich eher zu anderen Parks raten. Die kommen günstiger, bieten mehr und warten mit mehr Magie auf, auch wenn sie nicht aus dem Hause Disney kommt.
Wie sind deine Erfahrungen mit Freizeitparks? Teile sie gern in den Kommentaren.
Alles Liebe
Philipp