Hin und wieder werden wir bezüglich unserer Werte, meist belehrend, auf inkohärentes Verhalten angesprochen. Plötzlich wird von Doppelmoral, zweierlei Maß oder Wasser und Wein geredet. Wie unangenehm, dabei ertappt zu werden. Aber davon bleibt wohl niemand von uns verschont. Also lasse ich heute sinnbildlich meine Hosen runter und offenbare meine blinden Flecken beim Minimalismus.

Warum ich das tue? Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Leugnung halte ich für den falschen Weg. Auch ich bin nur ein Mensch mit Schwächen.
  2. Wenn man genauer darüber nachdenkt, entdeckt man womöglich doch die eine oder andere Stelle, wo man noch einmal reduzieren könnte.
  3. Auf der anderen Seite führt es im besten Fall deutlich vor Augen, welche Dinge (ja, damit meine ich dieses Mal tatsächlich Gegenstände) einem wichtig sind und wieso.

Natürlich fühle ich mich zunächst ertappt, wenn ich gefragt werde, was eigentlich aus meinem Minimalismus geworden ist. Die kurze Antwort lautet: Seitdem ich nicht mehr von WG zu WG ziehe, kann ich nicht mehr auf denselben Fundus an WG-Eigentum zurückgreifen. Entsprechend besitze ich selbst mehr Haushaltsgegenstände persönlich, seitdem ich in die erste eigene Wohnung gezogen bin. Darin liegt aber nur die halbe Wahrheit; vielleicht sogar nur ein Drittel.

Die anderen beiden Drittel lauten Hobbys, Interessen und Leidenschaften sowie Vielleicht kann ich das ja mal noch gebrauchen… – ja, ich weiß: Diesen Satz sollte man als Minimalist eigentlich aus dem eigenen Vokabular gestrichen haben.

Doch in der Realität geht es mir nicht nur um präsentablen Minimalismus, sondern womit ich mich selbst wohl fühle. Überhaupt nicht wohl fühle ich mich damit, unnötig Dinge zu entsorgen, um sie später noch einmal wieder zu beschaffen. Also hebe ich sie lieber auf. Und ehrlich gesagt gehe ich, seitdem ich nicht mehr alle paar Monate umziehe, nicht mehr durch meinen kompletten Besitz und sortiere aus. Das kann schon mal etwas länger dauern. Aber zwei Mal im Jahr passiert es in der Regel schon noch.

Nun noch zu meinen Hobbys, Interessen und Leidenschaften: Viele davon kommen ohne zusätzliches Zubehör aus: Blogging, Kino, Museumsbesuche, … Es gibt jedoch auch ein paar, die – leider – mit Gegenständen daherkommen:

  • Bücher – Selbstverständlich sind mir Bibliotheken vertraut und ich nutze sie auch sehr gern. Es gibt aber, das eine oder andere Buch (Oder sollte ich hier Dutzend von Büchern schreiben?), die ich gern persönlich besitzen mag, um jederzeit etwas in ihnen nachschauen oder sie einfach noch mal lesen zu können. Dabei bin ich mir überaus bewusst, dass ich die meisten Bücher eben doch nur ein einziges Mal lese und prinzipiell auch E-Books lesen könnte (Sogar einen E-Reader habe ich!), aber manchmal genügt mir das einfach nicht. Abgesehen davon: So sehr ich Dekoration auch meide, dekoriere ich die eigene Wohnung mit nichts lieber als mit Büchern. Und habe ich schon erwähnt, wie oft ich Bücher geschenkt bekomme (und mich darüber selbstredend nicht beklage 😉)?
  • Duplikate – Entgegen dem häufig genannten Tipp unter Minimalismus-Gurus, jedes Objekt nur einmal zu besitzen, handhabe ich das oft komplett andersherum, um mein Leben einfacher zu gestalten: Bei Kleidung verwende ich gern Duplikate der gleichen Modelle, um sie beliebig wechseln zu können und mir beim Einkleiden nie Gedanken machen zu müssen, was ich denn nun am besten tragen soll. Außerdem bewahre ich gern ein zweites Set an Kleidung (und Laufausrüstung) bei meinen Eltern auf, um bei Besuchen in der Erstheimat mit weniger Gepäck reisen zu können. Das Prinzip hat sich bewährt und ich sehe nicht, dass ich davon Abstand nehmen werde!
  • Fotografie – Freilich könnte man jetzt sagen, dass ich doch einfach mit meinem Smartphone Fotos machen könnte und oft genug stimmt das auch. Gelegentlich schätze ich es aber, eine Kamera mit Wechselobjektiven zu besitzen, wo ich mich wirklich nur auf die Fotos konzentrieren kann. Und seitdem ich mit Polaroid-Fotografie experimentiere, habe ich bei jedem Auslösen ein schlechtes Gewissen wegen der Materialschlacht, die daraus resultiert. Aber die Technik dahinter hat mich in ihren Bann gezogen!
  • Gesellschaftsspiele – Wer themenfremd ist, vermag sich gar nicht vorzustellen, was für eine Brandbreite an Vielfalt es an Gesellschaftsspielen gibt. Auch hier achte ich möglichst darauf
  • Küchenzubehör – Natürlich bin ich stets darum bemüht, das auf ein Minimum zu beschränken. Aber bei Plätzchen kommen dann doch einige Formen zusammen. Anstelle von Tüllen mit Kunststoffbeutel, verwende ich eine aus Edelstahl. Dieses Prinzip zieht sich in einigen Bereichen durch, wo ich auf Plastik verzichten möchte. Und überhaupt erfordern manche Spezialitäten bedauerlicher Weise ihr eigenes Werkzeug – oder es macht den Prozess einfach nur ungemein einfacher.
  • Paddeln – Mein Kajak dürfte sich mittlerweile amortisiert haben, auch wenn ich bei Weitem nicht so oft paddeln gehe, wie ich gern würde. Selbstreden kommt ein Kajak mit einiger Ausrüstung. Und der Trend geht aktuell zum Zweitkajak, denn man möchte ja auch nicht immer allein paddeln.
  • Rucksäcke und Taschen – Viel Zeit meines Lebens habe ich bereits darauf verwendet, den Heiligen Gral unter den Rucksäcken zu finden; den einen, der für alle Zwecke passt. Bisher komme ich wiederkehrend zu dem Schluss, dass es den schlicht nicht gibt. Folglich besitze ich mittlerweile ein buntes Sammelsurium an Rucksäcken und Taschen für verschiedene Zwecke: Tagesrucksack, Weekender, Handgepäcksrucks (der mittlerweile leider nicht mehr die Handgepäcksbestimmungen erfüllt), Tageswanderungsrucksack, Alpin-Rucksack, Trekking-Rucksack, wasserdichter Rucksack fürs Paddeln, … Aktuell habe ich mir ein Embargo für Rucksäcke auferlegt, damit es nicht noch weiter ausufert. Aber was soll ich sagen? Ich reise eben für mein Leben gern!

Das sind meine sieben blinden Flecken, die mir spontant in puncto Minimalismus auffallen. Dazu möchte ich anmerken, dass ich in allen Bereichen auch gern Dinge weggebe, die sich nicht bewähren: Wenn ich Bücher nicht für gut befinde, verschenke ich sie. Duplikate werden regelmäßig erneuert und aussortiert. Wenn ich merke, dass Ausrüstung bei den Kameras überflüssig ist, verkaufe ich sie wieder. Gleiches gilt für Gesellschaftsspiele, die ich nicht mag, wobei ich hier sogar oft vorab in einem Brettspielcafé zum Test spiele, bevor ich es kaufe, oder zumindest online Videos dazu anschaue, um zu beurteilen, ob es mir taugt. Bei Küchenzubehör sortiere ich aus, wenn Dinge kaputt gehen. Beim Kajak musste ich zum Glück noch nichts aussortieren. Jüngst konnte über Kleinanzeigen einen Rucksack, der den Reisetest nicht bestanden hat, sogar an jemanden abgeben, der ihn selbst verschenken wollte.

Insbesondere Letzteres ist mir bei allem Minimalismus wichtig: Wenn ich Dinge selbst nicht mehr benutze, möchte ich sie nicht einfach wegschmeißen, sondern, dass sie nach Möglichkeit noch weiter verwendet werden. Das bremst solche einen Entsorgungsprozess natürlich aus, aber alles andere kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Und wenn man genauer darüber nachdenkt, ist doch genau das ein guter Grund, nicht einfach so sorglos weiter Gegenstände anzuhäufen: Wenn man weiß, wie anstrengend es ist, sie wieder loszuwerden.

Jetzt interessiert mich, welche blinden Flecken du bei dir selbst kennst: In puncto Minimalismus oder vielleicht ja auch in anderen Wertebereichen. Teile sie gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp