Regelmäßig stoße ich auf Verwunderung, wenn ich gestehe, dass mir Abschiede eher schwer fallen. Dabei sollte man meinen, ich sei sie gewohnt, wo ich doch schon so häufig umgezogen bin. Jetzt habe ich Abschied mal ganz anders erlebt: Stück für Stück.
Natürlich wusste ich schon, bevor ich überhaupt nach Lüneburg gezogen war, dass meine Zeit in der Hansestadt begrenzt sein würde. Aber irgendwie hat sich in dem schmucken Örtchen viel richtig angefühlt: Die Stadt an sich mochte ich ebenso wie die Tatsache, dass man schnell raus ins Grüne konnte. Die Arbeit war genauso toll wie das Kollegium. Dass ich rundum verpflegt wurde und mir nur am Wochenende Gedanken darum machen brauchte, was ich esse, hat mir sehr zugesagt. Etwas Sozialleben hatte ich auch, aber auch nicht zu viel, sodass auch noch ausreichend Zeit blieb, um sich um alles andere zu kümmern.
Ehrlich gesagt freute ich mich nach über fünf Jahren in Berlin auch darauf, endlich mal wieder umzuziehen und einen neuen Ort länger entdecken zu können. Gleichermaßen würde es ein Versuch werden, zwei Wohnsitze gleichzeitig zu unterhalten. Denn da ich wusste, dass meine Zeit in Lüneburg begrenzt sein wird, ergab es keinen Sinn, die gemeinsame Wohnung in Berlin aufzugeben. – So günstig und zentral würden wir nie wieder etwas finden. Alles war also aufregend!
Doch freilich war auch nicht alles gut: Beispielsweise, dass meine Liebsten im Grunde zu weit entfernt wohnen und man sich deshalb nicht so häufig sehen konnte. Die Wochenenden außerhalb Lüneburgs fühlten sich stets zu kurz an. Langfristig hätte ich auch nicht in der Wohnung bleiben wollen, sondern lieber in einem anderen Stadtteil gewohnt. Aber man kann eben nicht alles auf einmal haben!
In jedem Fall fühlte ich mich in Lüneburg sehr im Reinen und hätte das gern noch eine Weile fortgesetzt. Allerdings war mir ja klar, dass es einen Stichtag gibt, an dem ich umziehen werde. Also beschloss ich, alles rauszuholen, was geht, und es möglichst intensiv zu genießen. Und trotzdem bahnten sich die Abschiede schon recht früh an.
Den Anfang machte meine Mitbewohnerin bereits zwei Monate, bevor wir die Wohnung auflösen würden, indem sie Tag für Tag ein paar Dinge in den Flur stellte, die sie schon mal wegbringen wollte, damit sie nicht alles am Umzugstag machen musste. Den machte sie übrigens auch nicht am Ende des Monats, sondern schon ein paar Wochen vorher, weil sie dann in Lüneburg ohnehin nichts mehr zu tun hatte. Auch wenn das bedeutete, dass ich fortan auch nicht mehr auf Waschmaschine, Kühlschrank und Co. würde zugreifen können, konnte ich das gut nachvollziehen. Denn selbst hätte ich auch keine Lust gehabt, all ihr Gerödel zu transportieren. Entsprechend glücklich schätzte ich mich, nur die paar Sachen aus meinem Zimmer zu haben.
Sechs Wochen später räumte ich einen Mietwagen ein und staune nicht schlecht, dass der kleine Transporter von den “paar Sachen” am Ende doch bis unter die Decke voll ist. Die Fahrt verlief zum Glück bei Weitem nicht so anstrengend, wie ich erwartet hatte. Trotzdem war ich nach dem Einpacken, Einräumen, Fahren, Ausräumen, Auto zurückgeben und Auspacken überhaupt nicht so erholt, wie ich es nach einem Wochenende eigentlich hätte sein sollen.
Und an diesem Punkt merkte ich: Ehrlich gesagt habe ich keine Lust mehr auf Umzüge. Ja, nomadisches Leben macht Spaß, wenn man einfach mit wenigen Dingen von Ort zu Ort ziehen kann, ohne sich Gedanken über die Infrastruktur zu machen. Aber Wohnungssuche, Umzüge, Wohnungsauflösung, An- und Abmeldung von Ämtern, Behörden und Versorgungsgesellschaften bereiten mir einfach Null Freude.
Tatsächlich kam ich nach dem Umzug noch einmal zurück nach Lüneburg, denn es lagen noch zwei Wochen Arbeit vor mir. Den Umzug hatte ich nur so früh gemacht, weil ich ihn weder auf dem letzten Drücker erledigen, noch mir direkt vorm Marathon in Berlin aufbürden wollte. Also fand ich mich in der komplett leeren Wohnung ein, wo nur noch meine Seifenschale im Bad auf mich wartete. Mein Plan: Einfach auf der Isomatte schlafen. Essen gibt es ja auf Arbeit.
Das habe ich exakt eine Nacht lang durchgehalten. Bisher hatte ich die Isomatte nur auf weichem Rasen verwendet. Auf hartem Parkett erwies sie sich als völlig unbequem. Und so war ich sehr froh darüber, die restliche Woche das Hotelzimmers eines Kollegen in Anspruch nehmen zu können, der gesundheitlich ausgefallen war. Viel besser!
Und so endete meine Zeit in Lüneburg nicht nur mit einem Abschied auf Raten von der Stadt und dem Kollegium, was sich nach und nach ausdünnte. Es bahnte sich auch ein Abschied von einem Lebensmodell an, was ich lange Zeit verfolgte: In meiner jugendlichen Naivität träumte ich als Abiturient davon, eines Tages überall auf der Welt verteilt Wohnungen zu besitzen, um je nach Lust und Laune mal hier und mal dort sein zu können.
Davon habe ich mich jetzt verabschiedet. Woher der Sinneswandel? Allein das Unterhalten von zwei Wohnungen, von denen man jeweils nur eine gleichzeitig nutzen kann, empfinde ich als völlig unnötige Belastung und Ressourcenverschwendung. Dabei spreche ich hier nur von zwei Orten in Deutschland und noch nicht mal von den ganzen anderen Orten auf der Welt. Aber so oder so zahlt man zwei Mal Miete, Energiekosten, Internet und in meinem Fall auch noch Zweitwohnsitzsteuer. Davon lässt sich zwar einiges steuerlich absetzen, aber trotzdem handelt es sich zunächst um Geld, das man zunächst zusätzlich ausgibt und teilweise auch nie mehr wiedersehen wird. Von Arbeit und Energie, die man investiert, haben wir dabei noch nicht gesprochen.
Deshalb lautet meine Devise für sämtliche nomadischen Unterfangen der Zukunft: Eine Home-Base. Der Rest muss über Hotels und anderweitige Unterkünfte laufen. Das ergibt nicht nur finanziell mehr Sinn. Gleichzeitig nimmt man vor allem in Ballungszentren niemandem eine dringend gesuchte Wohnung weg.
Das Experiment Zweitwohnsitz erkläre ich hiermit für beendet.
Alles Liebe
Philipp