Es gibt exakt zwei Gruppen von Menschen: Jene, die glauben, normal zu sein, und jene, die sich damit abgefunden haben, es nicht zu sein. Zu welcher Gruppe gehörst du?
Meiner Beobachtung nach halten sich die meisten Menschen selbst für normal. Was für einen selbst stimmt, wird als Regel angenommen. Entsprechend schnell fallen wir häufig Urteile, nutzen das Wort normal gar inflationär:
- “Also ganz normal bist du nicht…” (wird häufig in Verbindung mit Kopfschütteln in einem herablassendem Ton verwendet)
- “Ich habe ganz normal Sex.” (oft in Bezug auf die eigene Sexualität, um sich nicht als Abweichung der Heteronorm zu outen oder geheime Fetische zu offenbaren)
- “Frauen, die auf Bäumen klettern? Das ist doch nicht normal!” (Geht es hier darum, dass es nicht normal sein soll, auf Bäume zu klettern oder dass es Frauen tun? Oder geht es tatsächlich um die Unfähigkeit des Aussagenden, selbst auf Bäume zu klettern? Ich bin mir nicht sicher…)
Diese Beispiele lassen sich nahezu beliebig fortführen. Und ja, ich habe sie so alle schon gehört.
Ich habe mich selbst ziemlich lang für normal gehalten. Dann wurde mir häufiger entgegnet, dass ich es nicht sei, was mich zunächst gestört hat. Bis ich angefangen habe, mal etwas über den Begriff nachzudenken.
Normal. Was genau heißt das eigentlich? Recht offensichtlich steckt das Wort Norm dahinter, bekannt aus der Redewendung Werte und Normen und der Abkürzung DIN (Deutsche Institut für Normung, ja das passt zu uns Deutschen!).
Dabei hat das alles gar nichts miteinander zu tun! DIN Normen sind ein freiwilliger Standard, die der Einfachheit halber für so ziemlich alles Erdenkliche und darüber hinaus auch Dinge, auf die man nie kommen würde, eingeführt wurden. (Wo kämen wir denn hin, wenn alle Treppenstufen unterschiedlich wären?) Werte und Normen und sind allerdings zwei Paar Schuhe.
Werte hat jeder Mensch eigene – wenn auch verschiedene. Darüber hinaus gibt es auch gesellschaftliche Werte, die wir durch längeren Aufenthalt quasi eingeimpft bekommen. (In beiden Fällen lohnt es sich übrigens stets, diese zu hinterfragen. Das birgt einige Überraschungen.) Doch was hat es mit diesen Normen auf sich?
Eine Norm ergibt sich aus dem Durchschnitt. Wenn 90% der Bevölkerung Sonntags Kartoffeln mit Schweinebraten auf dem Mittagstisch stehen haben, und zehn Prozent vegetarisch essen, ist es dennoch die Norm, dass es sonntags zum Mittagessen Fleisch gibt. Normalität begründet sich also allein darin, in der Mehrheit zu sein. Damit Vegetarismus als Norm wahrgenommen würde, müssten Vegetarier eine Mehrheit bilden. Erst dann würde es heißen: “Was, du isst tote Tiere? Das ist doch nicht normal!”
Doch damit nicht genug. Einerseits halten sich Deutsche nämlich nahezu zwanghaft an Normen. Darüber hinaus haftet dem Wort normal auch noch eine Wertung an. Normal zu sein, wird oft als positiv aufgefasst. Bloß nicht vom Durchschnitt abweichen! Wer weiß, was dir dann blüht? Es war einst auch die Norm, Mitglied der NSDAP zu sein. Positiv war das aber nicht.
Drehen wir unsere Wahrnehmung einmal um: Willst du wirklich zum Durchschnitt gehören?
Klar sind wir alle in irgendeinem Bereich durchschnittlich, aber in Summe? Wer möchte schon ein normales, sprich durchschnittliches Leben? Möchten wir nicht alle unser Leben zu etwas Besonderem machen? Alles andere wäre eine vertane Chance. Und mehr als eine haben wir nicht.
Deshalb bin ich heute glücklich darüber, nicht normal zu sein! Denn:
- Die wenigen, die dazu noch in der Lage sind, wissen, wie geil es auch als Volljähriger ist, rumzuklettern – unabhängig vom Geschlecht!
- Klar ist es nicht normal, alle paar Monate umzuziehen. Aber es ist megaoberhammergeil, nicht an einen Ort gebunden zu sein!
- Die durchschnittliche Dauer von Sex beträgt in Deutschland nur 17,6min?! WTF – zum Glück bin ich nicht normal!
In diesem Sinne: Willst du wirklich normal sein?
Alles Liebe,
Philipp
PS: Mir ist gerade aufgefallen, wie gut sich dieses Thema für eine Blogparade eignet! Schreib doch mal, für wie normal du dich hältst bzw was du zum Thema Normalität denkst. Ich verlinke dich dann hier. :) #jaNormal
widerstandistzweckmaessig
26/08/2016 — 05:22
Hallo Philipp!
Spannendes Thema! Ich hatte da auch ewig meine Schwierigkeiten, aber von einer anderen Seite her. Denn ich habe sehr schnell mitbekommen, dass ich nicht so bin wie die meisten anderen (normal mag ich nicht als Begriff, vielleicht genau deshalb).
In einer gewissen Weise war ich immer eine Außenseiterin dadurch. Ich war übrigens u.a. auch diejenige, die auf die Bäume geklettert ist, mit großer Begeisterung, besser als mein Bruder, der es nämlich nicht rauf geschafft hat. Und ich habe nie gerne mit Puppen gespielt.
Mit meinen kurzen Haaren und meiner Vorliebe für burschikose Kleidung war ich auch weit weg von der Traumfrau, wie sich das die meisten Männer so vorstellen. Lange Zeit bin ich mir verkleidet vorgekommen, wenn ich es dennoch versucht habe.
Seitdem ich nicht mehr dagegen ankämpfe hat sich das noch verstärkt. Ein wichtiger Punkt war, endlich einen Partner zu haben, der mich nicht TROTZDEM sondern DESHALB liebt. (Darum gibt es gemeinsam wundervolle Wildnisurlaube, er ist zum Glück ja auch nicht normal)
Da ich in Blogpause bin, das Thema nur kurz angerissen und nicht als eigenen Blogbeitrag. Ich bin gerade unterwegs auf dieser weiten Welt (diesmal jedoch mit ein wenig Internet).
lg
Maria
Philipp
26/08/2016 — 12:58
Hallo Maria,
ich habe mir schon gedacht, dass du gerade nicht in Graz anzutreffen bist :) Ich bin schon gespannt, zu erfahren, wo du dich den Sommer über aufhältst.
Da sprichst du einen wichtigen Punkt an! Wir brauchen keine Menschen um uns herum, die uns trotz unserer Eigenart lieben, sondern gerade deswegen!
Genießt den gemeinsamen Sommer!
Liebe Grüße,
Philipp
Green Bird
30/08/2016 — 16:55
Lieber Philipp,
gemeinsam “unnormal” zu sein macht vieles leichter. Man kann sich gegenseitig den Rücken stärken und im Streben die eigenen Bedürfnisse auszuleben und zu verwirklichen unterstützen. Das ist viel schöner als als Einzelkämpfer durchs Leben zu gehen. Generell: gleichgesinntte Menschen zu treffen, die von der Norm abweichen ist immer interessant. Ich find es z.B. immer spannend den Geschichten von Leuten zu lauschen die nicht immer alles genau so machen wie alle anderen. Erweitert den Horizont, regt zum Nachdenken an – mit der Freiheit es auch wieder ganz anders machen zu können.
Liebe Grüße, Daniela
Philipp
31/08/2016 — 08:48
Hey Daniela,
vielen Dank für deinen Kommentar!
Da hast du Recht! Getreu dem Motto Viele Schneeflocken ergeben eine Lawine können so oft sogar Bewegungen entstehen. Ich finde an Foodsharing sieht man das beispielsweise ganz gut. Aber auch im Kleinen hilft es, sich mit Menschen zu umgeben, die ähnlich ticken wie man selbst. Das macht einen echten Unterschied in der Lebensqualität aus!
Lieber Gruß,
Philipp