Die Warteliste

Na, hast du auch schon wieder mehr zu tun, als dir lieb ist, und du weißt gar nicht, womit du zuerst anfangen sollst? Wächst deine To-do-Liste ins Unermessliche? Dann könnte eine Warteliste weiterhelfen.

Stellen wir uns unseren Geist wie ein Haus vor, flattern Tag für Tag hunderte Briefe hinein, die unsere Aufmerksamkeit fordern. Hier eine Aufgabe, hier ein Buch, das wir schon so lang lesen wollten, dort eine Nachricht, die beantwortet werden möchte. Stück für Stück sammeln sich mehr Dinge an, bis das Haus aus allen Nähten platzt. Mit einer Warteliste als Werkzeug lässt sich einfach Ordnung in unserem mentalen Haus halten, damit wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich für die wichtigen Dinge verwenden.

Das Folgende verbirgt sich dahinter.

Für viele Menschen stellt eine Warteliste etwas Lästiges dar. Man hat es nicht direkt an die Uni geschafft, stehe aber auf der Warteliste. Oder es hat mal wieder mit dem Termin bei der Fachärztin nicht geklappt. Oder man wartet auf das dringend benötigte Organ. Dabei hat eine Warteliste zumeist auch eine dringend benötigte Funktion. Denn sie priorisiert, legt also eine Reihenfolge aller Einträge fest, in welcher diese abgehandelt werden.

Neue Anwendungsbereiche für Wartelisten

Diese Funktion lässt sich auf viele Bereiche im Leben übertragen. Unter Minimalist.innen ist eine solche Warteliste für materielle Wünsche äußerst beliebt. Bevor man sich einen solchen durch einen Kauf erfüllt, kommt er auf eine Liste. Nach 30 Tagen wirft man einen Blick auf die Liste und schaut, ob man immer noch das Bedürfnis verspürt, sich den Wunsch zu erfüllen, oder ob er sich zwischenzeitlich erledigt hat. Ein Indiz kann dabei sein, wie oft man in dieser Periode daran gedacht hat, ohne einen Blick auf die Liste zu werfen.

Oft genug lassen sich Einträge dann einfach von der Liste streichen, weil sie inzwischen völlig irrelevant geworden sind. Zumindest räumt eine solche Liste jedoch im Kopf auf, denn was niedergeschrieben steht, lässt sich wiederfinden. Wir brauchen vor Angst, es zu vergessen, also ihm also nicht die ganze Zeit unsere Aufmerksamkeit schenken und können diese stattdessen auf die wichtigen Dinge in unserem Leben richten.

Der Anwendungsbereich für solche Wartelisten ist schier endlos. Hier sind ein paar Beispiele aus meinem Leben:

  • Stetig sammeln sich mehr Punkte auf unserer Aufgabenliste, welche schließlich wie ein bedrohlicher Turm vor uns steht und über uns kollabiert. Das muss nicht sein, denn es steht uns stets frei, Dinge einfach mal bewusst auf die Warteliste zu setzen, anstatt sie Tag für Tag von unserer gestrigen To-Do auf unsere heutige zu übertragen. Beim Bullet Journal besteht eine zentrale Funktionsweise darin, täglich durch notierte Aufgaben zu gehen und zu prüfen, ob sie nach wie vor nötig sind. Wenn ich eine nicht so dringende Aufgabe für mehr als eine Woche vor mir herschiebe, liegt darin meines Erachtens ein eindeutiges Anzeichen, dass die Aufgabe auch nicht so wichtig ist und auf die Warteliste transferiert werden kann.
  • Es ist mein Ziel, mein Leben lang zu lernen. Und die Liste der Dinge, die ich lernen möchte, wird einfach nicht weniger. Im Alltag mit Arbeit und allem drum und dran, bleibt freilich nicht immer so viel Zeit, wie ich dafür gern zur Verfügung hätte. Also gehe ich ein Lernziel nach dem anderen an und lasse die anderen zwischenzeitlich ruhen.
  • Darüber hinaus habe ich sehr viele Pläne für Projektvorhaben. Ginge ich die alle gleichzeitig an, könnte ich für jedes einzelne nur so wenig Zeit aufbringen, dass sie jedes einzelne sich kaum weiterentwickeln würde. Stattdessen fokussiere ich mich lieber auf eins und parke die übrigen auf der Warteliste.
  • Reiseziele gibt es auch mehr, als ich je in einem Leben erreichen können werde. Faktisch kann ich mich aber nur an einem Ort gleichzeitig aufhalten. Also bleibt mir nichts anderes, als neue Ideen für Reisen zunächst auf die Warteliste zu setzen.
  • Auch in Hinblick auf meinen Kulturkonsum wachsen diverse Wartelisten nach Medium sortiert weiter und weiter. Da generell mehr produziert wird, als eine Einzelperson je konsumieren könnte, ist eine Warteliste essentiell. Diese nutze ich insbesondere für Medien im Internet recht intensiv, seitdem ich meinen monatlichen Internet-Konsum-Tag praktiziere.

Der entspannte Umgang mit Wartelisten

Nun habe ich also diverse Wartelisten, doch was geschieht mit ihnen? Zunächst einmal pflege ich die Listen regelmäßig. Entsprechend nehme ich nicht nur neue Einträge auf, sondern entferne auch ebenjene, die nicht mehr nötig sind; trenne also die Spreu vom Weizen. Außerdem helfen mir zwei Prinzipien für einen entspannteren Umgang mit all diesen Listen:

  1. Einträge auf einer Liste haben keine Gefühle – Deshalb brauche ich auch kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich Dinge auf der Liste mein Leben lang nicht schaffe. Im Gegenteil: Da es sich bei meinen Wartelisten nicht um welche für gespendete Organe handelt und niemandes Leben davon abhängt, sehe ich keinen Grund, warum solche überlangen Listen meine Gefühle beeinflussen sollten. Die Einträge haben nur die Bedeutung, die ich ihnen beimesse.
  2. Ein Meer an Möglichkeiten – Im Gegensatz zu To-Do-Listen betrachte ich meine Wartelisten als einen Pool von Optionen, auf den ich zurückgreifen kann, falls ich mal einen Freiraum habe, den ich spontan füllen möchte; nicht mehr und nicht weniger. Das entscheide ich aber stets aus dem Moment heraus anstatt die Aktivitäten zu langfristig zu planen.

Insofern erleichtern Wartelisten meinen Geist, weil ich all diese Dinge nicht im Kopf behalten brauche, und kann mich stattdessen auf wichtigere Dinge fokussieren. Ja, das bedeutet auch, dass ich all diese Einträge auf den Wartelisten getrost vergessen darf, denn genau das ist Sinn und Zweck.

Was gehört auf Wartelisten und was nicht?

Natürlich stellt sich die Frage, was auf solche privat genutzten Wartelisten soll und was nicht. Dafür muss zunächst eine Priorisierung erfolgen. Sprich: Alles, was nicht wichtig oder dringend ist, kann auf die Warteliste. Dazu gehören all diejenigen Dinge, bei denen es komplett egal ist, ob man sie macht oder nicht.

Medienkonsum stellt hier ein gutes Beispiel dar: Es gibt so viele Filme und Bücher, dass es unmöglich ist, alle zu schauen oder zu lesen. Dennoch verspüre ich gelegentlich das Bedürfnis, bestimmte Werke selbst konsumiert zu haben, statt sie nur oberflächlich zu kennen. Doch seien wir ehrlich: Obwohl es durchaus welche gibt, die die eigene Sichtweise auf die Welt komplett verändern und deshalb unser Leben sehr stark bereichern können, gibt es auch einigen Schund. Viele Werke konsumieren wir zur falschen Zeit, denn je nach eigenem Horizont und Stand im Leben, können sie ihr volles Potential entfalten oder eben nicht. Natürlich ergibt sich mein Horizont unter anderem aus all den Werken, die ich bereits konsumiert habe. Aber ob ich am Ende meines Lebens ein Buch mehr oder weniger gelesen habe, wird wahrscheinlich keinen Einfluss darauf haben, wie ich mein Leben rückblickend beurteile. Womöglich verschafft es einem ein gutes Gefühl, es abzuhaken, weil man es schon so lang mit sich rumschleppt. Doch die Bücher und Filme, die mein Leben langfristig zum Positiven umgekehrt haben, stehen in keinem Verhältnis zu all den anderen, die ich insgesamt konsumiert habe; sie machen nur einen kleinen absoluten Anteil aus, obwohl sie so stark wirken. (Disclaimer: Durchaus bin ich mir des Potentials für philosopische Diskussionen dieses Absatzes bewusst. Aber darum geht es in diesem Beitrag nicht.)

Dringende oder wichtige Anliegen, beispielsweise die Steuererklärung, haben auf der Warteliste natürlich nichts zu suchen! Um zu filtern, was auf welche Liste kommt (To-Do~oder Warte~), braucht es ein klares Verständnis von Priorität. Helfen können hierbei die Eisenhower-Matrix oder die 5/25-Regel von Warren Buffet.

Hinter letzterer verbirgt sich Folgendes: Schreibe dir deine 25 nächsten To-Dos oder Ziele auf. Davon kreist du dann fünf ein. Fortan hast du zwei Listen: Liste A enthält die fünf Dinge, auf die du dich fortan mit aller Energie konzentrierst. Liste B hingegen soll dann nicht nur eine Warteliste sein, sondern vielmehr eine Liste mit den Dingen, die man tunlichst vermeiden soll, weil sie von Prio-Liste A ablenken. Insofern handelt es sich hier um einen etwas strengeren Umgang mit der Warteliste.

Doch was, wenn man die Warteliste vergisst?

Dieser strengere Umgang schadet aber überhaupt nicht. Denn oft genug vergisst man die Warteliste ohnehin und wird feststellen, dass die Dinge darauf doch nicht wichtig waren, wie man zunächst annahm. Sorge darum, die Warteliste zu vergessen, braucht deshalb also ohnehin nicht haben. Darüber hinaus hilft die Warteliste im Zweifelsfall ja aber auch, sich daran zu erinnern. ;)

In jedem Fall hat solche eine Warteliste genau dann ihren Zweck erfüllt: Sie macht den Kopf frei für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

Arbeitest du auch mit einer Warteliste? Nutzt du überhaupt Listen oder hast du dich komplett davon befreit? Teile deine Erfahrungen gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

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