Höh, was ist das denn? – Ein Pass in den Alpen?
Mehr als das! Erfahre in diesem Beitrag, warum.
Ich habe offensichtlich eine Vorliebe für Grenzregionen. Meine Heimat liegt im Grenzdreieck Thüringen-Sachsen-Bayern. Meine Stammeinheit war an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Würtemberg. Mein erster Studienort nahe zur Tschechichen Republik. Mein letzter Studienort direkt an der Grenze zwischen Israel und Palästina. Und auch das Defereggental liegt an einer, nämlich zwischen Ost- und Südtirol beziehungsweise Österreich und Italien.
Was sind schon Grenzen?
Für mich besonders spannend ist die gegenseitige Einflussnahme. Kultur ist dort ebenso wenig klar abgegrenzt wie die Natur, sondern es sind fließende Übergänge. Dialekte vermischen sich ebenso wie die regionalen Küchen. Das finde ich schön.
Denn sind wir ehrlich, Grenzen sind in den meisten Fällen lediglich von Menschenhand (oder eben auch -kopf erschaffen). Meine Gefühle dazu sind gemischt, denn diese Barrieren behindern. Andererseits kenne ich auch das überwältigende Gefühl nach dem Überschreiten in einer ganz anderen Welt zu sein und mich einfach nur mega zu fühlen, wenn ich eine überwunden habe.
Gutes kommt zusammen
Der Staller Sattel verbindet das Defereggental Osttirols mit dem Antholztal in Südtirol. Hier kommt sprichwörtlich die Crème de la Crème zusammen: Da ist einerseits die Urigkeit und Naturverbundenheit Tirols gepaart mit deftiger Küche der Senner und Einflüssen der italienischen Küche. Sehr lecker!
Die heutige Freude daran verdanken wir ursprünglich Konflikten. Lange Zeit habe ich mich gefragt, wieso Südtirol eigentlich zu Italien gehört, wo es doch kulturell so offensichtlich zu Österreich passt. Kurz zusammengefasst:
Südtirol gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zum Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, wurde in der Folge jedoch von Italien annektiert. Während des Faschismus in Italien, wurde versucht, die Region ihrer Tiroler Wurzeln zu berauben, was auf heftigen Widerstand stoß. Dies legte den Keim für langanhaltende Konflikte, die man teilweise heute noch spüren kann, obwohl Südtirol offiziell Autonomie genießt. Ein wesentlicher Aspekt, dass die Regionalität heute staatenübergreifend wieder vereint ist, liegt in meinen Augen darin, dass die Grenzen EU-weit offen sind.
Delikatessen mit Geschichte
Bekanntermaßen esse ich gern. Was genieße ich also besonders dort?
Ganz weit oben stehen für mich die selbst hergestellten Käse! Nebst unglaublich leckerem Topfen, Butter, Joghurt und Milch sind die wirklich die Sahnehaube, denn guten Käse machen will gelernt sein. Und es braucht Zeit. Und ja, ich kann es kaum abwarten, selbst Käse herzustellen. Besonders genieße ich Milchprodukte hier auch, weil ich der Meinung bin, dass es keinen besseren Ort für Kühe auf der Welt gibt, so weit ich das beurteilen kann.
Sennerküche ist nicht nur eng verwoben mit Milchprodukten, sondern basiert auch auf regionalen und saisonalen Zutaten, weil es früher nun keine Flugzeuge gab, die exotische Früchte aus fernen Ländern anflogen. Das beinhaltet sowohl herzhafte vegetarische Speisen wie Schlipfkrapfen und Knödel, wie auch delikate Süßspeißen, vor allem Gebäck. Ich liebe Buchteln & Co und werde auf jeden Fall noch mehr darüber schreiben.
Darüber hinaus versuchen ein paar Italiener ihr Glück in der Region und warten mit sehr guten Pizzen und Eissorten auf! Es ist also für jeden Geschmack gesorgt. Und auch am Abgang soll es nicht scheitern, denn die Tiroler wissen einige gute Schnäpse zu brauen und trinken auch gern mit Gästen. Besonders hoch im Kurs sind Obstbrände, Enzian- und Zwetschgenschnaps, sowie Nussliköre. Mein Favorit und daher absolute Empfehlung ist allerdings Zirbenschnaps. Doch wer weiß? Geschmäcker sind verschieden. Deshalb interessieren mich natürlich auch deine Favoriten. ;)
Kultur + Natur hautnah
Abseits von der atemberaubenden Natur, die mich immer wieder zur Ruhe kommen lässt und erdet, finde ich hier auch eine Kultur, die für mich genau diese Gelassenheit ausstrahlt. Eine, die mit der Natur statt gegen ihr lebt, obwohl es dieser immer wieder zu trotzen gilt.
Die urigen Täler begeistern mich ebenso sehr wie die noch die noch uriger anmutenden Almen. Manchmal habe ich wirklich den Eindruck, dass sich das Gebirge stärker verändert, als so manche Hütte. Die Seen strahlen in tiefem Blau, die Flüsse sind (zumindest bei guten Wetter) klar. Und dann gibt es da noch Feste, die ich gern genieße und wiederbesuche, und auch welche, die ich noch kennenlernen möchte.
Sport in den Bergen
Die Möglichkeiten dazu sind schier endlos! Von Wanderungen leichteren Schwierigkeitsgrads bis zu mehrtägigen Touren, über Klettern, Skifahren, Rafting und Radfahren ist alles möglich. Und auch laufen kann man natürlich. :)
In Antholz findet alljährlich Biathlon statt. Dann verwandeln sich die kleinen Dörfer des Tals in geschäftige Örtchen, die man gar nicht wiedererkennen mag. Zumindest sagt man mir das. Selbst erleben konnte ich es bisher im Winter nämlich noch nicht. Vorgenommen habe ich es mir aber schon.
Viele Wege führen hierher
Über Brenner und Felbertauerntunnel gelangt man mit dem Auto in die Region. Die Anreise per Zug ist nach Lienz oder Bozen möglich. Von dort aus verkehren Busse.
Innerhalb der Region empfehle ich das Reisen zu Fuß. Es ist kaum möglich, die Alpen in ihrer Fülle so intensiv wahrzunehmen, wie bei einer Hüttenwanderung. Beim Wandern von Hütte zu Hütte entfallen nicht nur Auf- und Abstieg, man kommt auch mit Hüttenwirten und anderen Wanderern in Kontakt und hat die Möglichkeit, Gipfelerklimmungen entspannter anzugehen und tatsächlich auch mal zu verweilen. Außerdem kann man so Berggewitter wirklich genießen und ja, ich liebe sie!
Auch um den Staller Sattel herum gibt es Wanderwege, die einladen – sowohl kürzere, als auch mittlere für Tagestouren sowie längere für mehrtägige Treks.
Der direkte Weg führt über eine Straße, die wetterbedingt allerdings nur während der Sommermonate geöffnet ist. Zur vollen Stunde kann man für 15 Minuten nach Italien, zur jeweiligen halben nach Österreich. Die Autofahrt ist natürlich relativ unspektakulär im Vergleich zu den Alternativen, wenngleich man in wenig Zeit wunderbare Panoramen zu sehen bekommt.
Wesentlich mehr Gaudi macht da die Radfahrt – zumindest talabwärts. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich das mit dem Radl bereits durchhabe. Ich hatte mir vor wenigen Jahren eines geliehen und mich so auf den Weg zum Antholzer See begeben. Nach einem kurzen Bad ging es zurück, jedoch hatte ich aufgrund der anstrengenden Auffahrt keine Lust auf Straße und entschied mich für eine Abkürzung. Letztlich kam ich vom Weg ab (den es gar nicht gibt, wie sich im Nachhinein herausstellte), suchte nach alternativen Routen und musste mein Fahrrad sowie mein Gepäck Schritt für Schritt den Berg hochhieven, um überhaupt einen Überblick bekommen zu können.
Dann stellte ich fest, dass zwischen Grenze und mir ein tiefer Abgrund war, den es zu überwinden, oder besser gesagt, zu umgehen galt. Das ganze war wirklich kein Spaß! Mit sechs Stunden Verspätung kam ich schließlich an. Umso mehr genoss ich die Talfahrt. :)
Die Serpentinen bieten darüber hinaus auch eine wunderbare Trainingsmöglichkeit für begeisterte Laufsportler. Bei meinem Vater stand der Lauf von St. Jakob zum Staller Sattel früher jedes Jahr mehrmals auf dem Programm. Heuer bin ich zum ersten Mal selbst mit gerannt. Und was soll ich sagen? Es ging echt gut!
Natürlich habe ich Übung von Jerusalem, aber auch hier kann ich bestätigen: Fange ich erstmal an, ist es echt schwierig aufzuhören. Eine Warnung allerdings dennoch: Nach den Serpentinen vom Defereggental kommend ist es noch ein gutes Stück zur Grenze. Das sollte man im Hinterkopf behalten. Dafür lockt dann ein Erfrischungsbad im Obersee (kalt, kalt, kalt!) oder Antholzer See (schmerzfrei erfrischend). ;)
Warst du schon mal am Staller Sattel? Durch Gespräche weiß ich, dass den Ort mehr Leute kennen, als ich vermuten würde. Was sind deine Erfahrungen? Und deine Tipps? Lass uns daran teilhaben! :)
Alles Liebe,
Philipp
widerstandistzweckmaessig
31/08/2015 — 15:18
Hallo Philipp!
Gerade hast Du wunderschöne Erinnerungen geweckt. Mein erster Motorradurlaub hab mich nach Südtirol geführt und der allererste große Eindruck war der Stallersattel. Die Motorräder standen schon bereit, dass der Pass geöffnet wird und sind als erstes über die engen Serpentinen hinunter gefahren.
Ein ausgesprochen intensives Erlebnis, dem noch viele andere Pässe gefolgt sind. Aber am eindrucksvollsten war der Stallersattel.
Ich erinnere mich immer wieder sehr gerne zurück, obwohl ich schon viele Jahre nicht mehr mit dem Motorrad unterwegs bin (ich war Beifahrerin, selbst fahre ich nicht).
lg
Maria
Philipp
04/09/2015 — 13:03
Hallo Maria,
schön, dass du zurück bist! Wie war eure Reise? :)
Als Beifahrerin ist je nach Fahrverhalten doch noch besser, oder? Dann kann man die Aussicht genießen, ohne sich auf die Straße konzentrieren zu müssen. Vielleicht packt es dich ja wieder mal. ;)
Lieber Gruß,
Philipp
widerstandistzweckmaessig
04/09/2015 — 15:26
Hallo Philipp!
Genau so ist es, ich würde nicht selber mit dem Motorrad fahren wollen, am Sozius ist es einfach viel schöner, weil man die Natur genießen kann!
Einen kurzen Einblick in meinen Urlaub gibt es ab heute auf meinem Blog.
lg
Maria
Philipp
04/09/2015 — 18:23
Den habe ich gerade ganz begeistert gelesen! :) Danke für deine Einblicke!