Paddeln im Spreewald – Ein Plädoyer für mehr Mini-Abenteuer

Wer hier schon länger mitliest, weiß womöglich um meine Leidenschaft für das Flusswandern. Leider gibt es hier nur ein Problem: In den letzten zwei Jahren, kann ich die Male, die ich mit meinem Kajak unterwegs war, nicht nur an einer Hand, sondern sogar an einem Finger abzählen. Ja, richtig gelesen: In den letzten beiden Jahren war ich lediglich einen Tag mit meinem Kajak unterwegs. Und selbst das war eigentlich nur ein letzter Strohhalm.

Letztes Jahr kam ich aufgrund des regelmäßigen Wochenendpendelns zwischen Lüneburg und Berlin überhaupt nicht dazu, weil die Wochenenden arg verkürzt waren. Vor meinem Umzug nach Lüneburg war noch tiefster Winter. Kaum war ich zurück in Berlin, war die Kajaksaison auch schon wieder vorbei. Tatsächlich hatte ich sogar in Erwägung gezogen, auch mal im Winter paddeln zu gehen. Das bietet sich aufgrund der kurzen Tage und des nicht vorhandenen Schleusenbetriebs im Grunde nur an, wenn man schleusenfreie Gewässer direkt vor Ort hat. Für An- und Rückreise sowie große Umsetzaktionen bleibt im Winter wegen der geringen Tageslichtdauer quasi keine Zeit.

2023 blieb keine Zeit vor unserer einmonatigen Interrail-Tour. Nach der großen Reise war ich dann doch auch recht viel unterwegs und am Ende des Sommers begann bereits meine Weiterbildung. So war ich bis in den Oktober hinein nicht einmal mit meinem Kajak paddeln. Das konnte ich freilich nicht auf mir sitzen lassen. Also nutzte ich die mir letzte verbleibende Chance im Jahr und nutzte den Tag der Deutschen Einheit für einen kleinen Ausflug in den Spreewald.

Mit dem Zug war es ein Leichtes, nach Lübbenau zu gelangen – dem Deutschland-Ticket sei Dank! Vom Lübbenauer Bahnhof bis ins Zentrum konnte ich mein Kajak mit meinem zusammenklappbaren Bootswagen an eine günstige Einstiegsstelle ziehen und aufbauen, bevor ich mich auf meinen eigentlichen Weg begab: Dem auf dem Wasser.

Auf dem Weg ins Zentrum von Lübbenau fielen mir natürlich auch einige politische Plakate auf. Was soll ich sagen? Auch wenn die Region politisch überhaupt nicht schön ist, empfinde ich sie landschaftlich als eine wahre Augenweide! Vor über zehn Jahren war ich hier bereits einmal mit Kollegen im Rahmen eines Betriebsausflugs paddeln und konnte mir damals schon sehr gut vorstellen, meinen Lebensabend im Spreewald zu verbringen und morgens mit dem Kajak zum Bäcker zu paddeln, um Semmeln für das Frühstück zu holen. Auch mehr als zehn Jahre später fand ich mich sehr schnell in diesen Schwärmereien wieder.

Das liegt unter anderem daran, dass ich wiederkehrend gastronomische Angebote am Uferrand passierte, wo ich mich auch verköstigen ließ. Freilich wäre es kostengünstiger, sich selbst zu versorgen, aber so unterstützt man einen sanften Tourismus und spart sich das Gepäck. Außerdem lässt sich so ein Stück Sahnetorte nur schwerlich unbeschadet im beengten Raum des Kajaks transportieren.

Leider ist die Region akut vom Klimawandel bedroht. Aktuell wird nämlich Wasser aus sächsischen Tagebaugebieten in die Spree gepumpt, weshalb sie trotz entnommenem Wasser in Berlin und langen Trockenperioden ausreichend Wasser führt. Allerdings sollen die Tagebaugebiete geflutet werden, weshalb künftig nicht mehr mit dem Wasser zu rechnen ist. Deshalb könnte es passieren, dass der Spreewald in mittelnaher Zukunft austrocknet oder – wenn das Wasser mittels Dämmen gehalten wird – stockt und schließlich kippt.

Ungeachtet der drohenden Trockenheit, bin ich bei meinem Mini-Abenteuer letztlich doch noch nass geworden. Nein, ich bin nicht ins Wasser gefallen. Auch das Operieren der kleinen Schleuse funktioniert problemlos. Allerdings setzte ungewohnt rasch die Dunkelheit ein und eher ich mich versah, fand ich mich im Dunkeln in einem herbstlich nassem Sturm wieder. So reichten auch die letzten paar hundert Meter, um komplett durchtränkt zu werden und tropfnass die Heimreise anzutreten.

Spaß hatte ich an diesem Tag trotzdem jede Menge und es fühlte sich wie ein ganz kleines Stückchen Urlaub an. Deshalb möchte ich dieses Jahr – ganz im Sinne meines Jahresmottos Ein Leben in Hülle und Fülle – mehr dieser kleinen Mini-Abenteuer in meinen Alltag integrieren. Selbstverständlich heißt das, auch wieder häufiger zu paddeln, aber eben nicht nur. Manchmal wird es eine Wanderung (davon hatte ich zugegeben letztes Jahr auch ein paar), eine Partie Scotland Yard Live, eine historische Schnitzeljagd oder eine thematische Fototour.

Zuvor hatte ich bereits angekündigt, heuer bewusst weniger Reisen anzustreben, als es sonst für mich üblich ist. Das ist gewissermaßen ein Selbstexperiment: Gelingt es mir, mich auch dann in meiner Haut wohlzufühlen, wenn ich meiner gewohnten Umgebung nicht ständig entfliehe und zwischen meinen Sehnsuchtsorten pendele? Kann ich ausgedehnte (und folglich kostspieligere) Reisen durch häufigere Mini-Abenteuer substituieren?

Denn obwohl ich mich heuer finanziell auf das Nötigste beschränken mag, soll das nicht heißen, dass ich an Lebensqualität einbüße. Im Gegenteil: Ich möchte die Dinge, die ich bereits habe, verstärkt nutzen, um mehr Freude in mein Leben zu holen. Freiwilliger Verzicht muss nicht gleichbedeutend mit Selbstgeißelung sein.

In diesem Sinne: Auf mehr Mini-Abenteuer im Alltag!

Welche Mini-Abenteuer nutzt du, um deinen Alltag aufzulockern? Oder ist der dir bereits Abenteuer genug und du willst einfach nur chillen? Teile es gern in den Kommentaren!

Alles Liebe
Philipp

Mein (fast) ideales Jahr

Sehr oft geht es auf Blogs und anderen digitalen Kanälen um Lifestyle-Design. Auch auf meinem Blog ist es genau genommen sogar ein Kernthema. Denn die Themen Minimalismus, Nachhaltigkeit und Nomadentum teilen zwei Gemeinsamkeiten. Sie eint, dass sie in unserer Gesellschaft anormale Lebensweisen behandeln und sind allesamt Ideale, nach denen man streben kann, wenn man sich fragt: Was macht für mich ein gutes Leben aus?

In diesem Zusammenhang hatte ich bereits darüber geschrieben, wie meine (fast) ideale Woche aussieht. Natürlich unterliegen Ideale stets ein wenig Fluktuation aufgrund der aktuellen Lebensumstände. Ungeachtet dessen, gibt es noch ein anderes Ideal, das ich langfristig anstrebe: Ein Jahr ganz nach meinen Vorstellungen. In diesem Beitrag möchte ich darauf eingehen, was genau diese Vorstellungen sind und wie ich sie – womöglich – umsetzen kann.

Die Wurzel all meinen Übels

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein chronisches Zeiproblem habe. Seltenst schaffe ich alles, was ich gern tun würde, und dabei beziehe ich mich nicht nur auf produktive Leistung, sondern auch alle anderen Bereiche in meinem Leben. In Anbetracht der Endlichkeit meines Lebens stellt mich das vor ein Problem: Irgendwann ist Zapfenstreich.

Nun gib es zwei Perspektiven, mit denen man an diesen Problem herangehen kann:

  1. Offensichtlich muss ich stärker priorisieren, was mir wirklich wichtig ist. Denn meine Zeit ist nun mal endlich.
  2. Wenn ich nicht ausreichend Zeit für die Dinge habe, die mir wichtig sind, muss ich eben weniger Zeit mit anderen Dingen verbringen und so Zeit freisetzen.

In meinen Augen stehen diese beiden Perspektiven nicht im Widerspruch, sondern können beide sinnvolle Lösungsansätze liefern.

Umso wichtiger finde ich es, einerseits meine Lebenszeit nicht mit unnötigen, wertbefreiten Tätigkeiten zu vergeuden – Grüße an (A)Social Media gehen raus! Andererseits möchte ich möglichst viel Zeit mit den Menschen und Aktivitäten verbringen, die meine Lebensfreude steigern. Dem stehen jedoch häufig all die unvermeidbaren Verpflichtungen im Weg: Lebensunterhalt verdienen, Haushalt und zahlreiche von außen auferlegte Zwänge, die oft dazu führen, dass man als erwachsene Person feststellt: Ich brauche mehr Urlaub!

Die schönste Zeit

Als Kind war das nicht so. Deshalb hat man damals stets von Erwachsenen gesagt bekommen, dass man die Zeit genießen solle, denn so schön würde es nie wieder werden. Das mag auf den Aspekt Freizeit auf jeden Fall zutreffen, denn im Vergleich zu Erwachsenen lebt man außerhalb der Schule angenehm verantwortungslos. Damit einher geht jedoch auch eine Schattenseite der Kindheit: Mangelnde Autonomie und Selbstbestimmung. Zu Studienzeiten wird es mit der Selbstbestimmung schon wesentlich besser und man genießt immer noch sehr viel Freizeit – insofern man nicht auf Geld angewiesen ist oder weiß, mit wenig Geld sehr effizient umzugehen.

Doch zurück zur Schule: Selbstverständlich liebäugelte man schon damals damit, einfach immer Ferien zu haben. Aber nach sechs Wochen Sommerferien war auch eine Art von Vorfreude auf all die neuen Dinge, die man lernen durfte (Bin ich womöglich doch ein Nerd?), und die geteilten Erlebnisse der Klassenkamerad*innen – zumindest derer, die man mochte.

Doch zu Schulzeiten gab es ja nicht nur Sommer-, sondern auch noch jede Menge andere Ferien, schulfreie Tage, Projektwochen, Klassenfahrten, Exkursionen und Wandertage. Wenn man das zusammenzählt, kommt man ungefähr auf 13 Wochen.

Mit diesen 13 Wochen kam man super zurecht: Freilich gab es auch mal arbeitslastigere und stressigere Zeiten mit mehr Hausaufgaben, Abgabeterminen, Leistungskontrollen, Präsentationen und Klausuren. Aber nach den Ferien war man stets gut erholt. In meinem Umfeld gab es damals zumindest niemanden, der die Schule mit Burnout-Syndrom verlassen hat. Im beruflichen Kontext sieht das ganz anders aus.

Daher wage ich es, die sich förmlich aufdrängende Frage zu stellen: Was lässt uns glauben, dass Erwachsene weniger Urlaub als Kinder und Jugendliche benötigen?

Wenn ich mich in unserer Welt umschaue, behaupte ich, dass es keinen Grund zu dieser Annahme gibt. Obwohl ich schon jetzt die Aufschreie hören kann, dass das doch überhaupt nicht gut für unsere Wirtschaft sei, möchte ich kurz meine Perspektive auf das Thema in drei Punkten zusammenfassen:

  1. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
  2. Wer entspannter und erholter ist, ist während der Arbeitszeit produktiver und wird auch seltener krank, da chronischer Stress überhaupt nicht gut für unser Immunsystem ist. Freilich ist das kein Freibrief für Arbeitsverhältnisse ohne Krankheitstage, aber sie werden zumindest weniger.
  3. Für alles, was wir in unserem Leben tun möchten, benötigen wir Zeit. Wenn wir mit diesen Vorhaben warten, bis wir in Ruhestand gehen (sofern es diesen in der Zukunft überhaupt noch geben wird), steigt das Risiko, dass wir zu genau diesen Vorhaben nicht mehr in der Lage sein werden.

Abgesehen davon wäre es für ein längeres Berufsleben ein super Deal für beide Seiten, im Gegenzug mehr jährlichen Urlaub anzubieten.

13 Wochen Urlaub

Nun liegt die Frage nahe, was ich überhaupt mit 13 Wochen Urlaub anstellen würde. Für mich persönlich, könnte ich diese Frage sehr einfach beantworten und zwar wie folgt:

(Im Titelbild dieses Beitrags steht übrigens jedes Fragment für einen der nachfolgenden Urlaube. Es darf geraten werden, welcher wofür steht. 😋)

  • 1 Woche Skiurlaub
  • 1 Woche Paddelurlaub
  • 1 Woche Wanderurlaub in den Alpen
  • 1 Woche Tauchurlaub
  • 1 Woche Erholungsurlaub in Italien
  • 1 Woche Familienbesuch in Israel
  • 1 Woche Kultururlaub in Großbritannien
  • 4 Wochen Entdeckungsurlaub an mir noch unbekannten Orten
  • 2 Wochen Feiertage am Ende des Jahres

= 13 Wochen Urlaub

Bevor mir nun an den Kopf geworfen wird, dass ich mit meinen Vorstellungen dem Größenwahn erlegen sei, mag ich es kurz erklären, wieso ich ausgerechnet diese Urlaube anstrebe:

Skiurlaub

Der Winter ist für mich erfahrungsgemäß eine richtig schwierige Zeit, die es gilt, so angenehm wie möglich zu gestalten. (Freilich sollte man sich das für sein Leben insgesamt vornehmen, aber im Winter wird es mir immer besonders deutlich.) Ein sehr gutes Mittel gegen depressive Phasen im Winter besteht für mich aus Bewegung an der frischen Luft. Und da ich in den Bergen gleich immer noch mal auf eine ganz andere Art erhole, bietet sich Skiurlaub natürlich an. Idealer Weise fährt man schon allein deshalb einmal im Jahr, damit man nicht komplett aus der Übung kommt und sich auch tatsächlich verbessern kann. Anstatt mehrfach für zwei Tage zu fahren, bietet es sich an, nur einmal länger am Stück zu verreisen. Und schon ist man bei einer Woche.

Paddelurlaub

Wer mich kennt, weiß, dass ich gern langsam reise, beispielsweise mit dem Kajak. Doch so gern ich auch mit dem Kajak unterwegs bin, gibt es einen Aspekt, der mir richtig auf die Nerven geht: Der Abbau und die Reinigung meines Faltboots nach Nutzung. Der Aufwand dafür ist jedoch derselbe, egal ob ich zwei Stunden, einen Tag oder eine Woche unterwegs bin. Entsprechend dürfte es nicht verwundern, dass ich zu Letzterem tendiere, oder?

Wanderurlaub in den Alpen

Nichts erdet mich derart wie das Wandern in den Alpen – idealerweise bei einer Hüttenwanderung. Ja, die Landschaften sind zauberhaft und man bewegt sich an der frischen Luft. Nichts zu unterschätzen ist aber auch der Aspekt der Transzendenz: In den Bergen spürt man am eigenen Leib, wie klein man in diesem Universum eigentlich ist.

Tauchurlaub

Viele Menschen empfinden das Tauchen mit Flasche als extreme Gefahrensituation. Das kann sie tatsächlich auch werden. Deshalb ist es wichtig, sich an einige Sicherheitsvorkehrungen zu halten, um Risiken zu minimieren. Mit dem nötigen Training, Respekt und einer gesunden Vorsicht kann Tauchen abseits allem Unterwasserspektakels vor allem aber auch eines sein: Meditation pur. Aus Übungsgründen sollte man eigentlich mindestens zwei bis drei Mal im Jahr tauchen gehen. Aus Gründen der Praktikabilität würde es mir schon genüg, wenn ich wenigstens einmal im Jahr Tauchurlaub mit vorangehender Auffrischung machen könnte.

Erholungsurlaub in Italien

Dieser Urlaub ist durch eine sehr gute Freundin inspiriert, die mir einst sagte: Sie braucht nicht viel im Leben, allem voran keine Abenteuerreisen. Aber es gibt zwei Orte, an die sie immer wieder für Urlaube hinfährt, weil sie dort ganz entspannt abschalten und nichts tun kann, außer in den Tag hinein zu leben. Sie sprach von einem Weingut in der Toskana. Als ich selbst in dessen Genuss kommen durfte, verstand ich genau, was sie meinte. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, woher es kommt, aber es gibt ausreichend Aspekte, die mir an der italienischen Kultur gefallen, sodass auch ich alljährlich in Italien abschalten mag.

Familienbesuch in Israel

Dazu brauche ich wahrscheinlich nicht viel zu sagen: Natürlich möchte ich regelmäßig Kontakt zur Quasi-Schwiegerfamilie – auch außerhalb von digitaler Kommunikation. Und ganz nebenbei hilft es, mein Hebräisch regelmäßig etwas zu fordern.

Kultururlaub in Großbritannien

Großbritannien war das erste Land, nach dem ich mich als Jugendlicher sehnte – ohne jemals dort gewesen zu sein. Das hat mich auch über meine Liebe für die englische Sprache hinaus nachhaltig geprägt. Auch wenn ich Großbritannien heute wesentlich weniger romantisiert und dafür umso differenzierter betrachte, übt es nach wie vor eine große Anziehung auf mich aus. Und auch für die Englischkenntnisse ist es hilfreich, regelmäßig mit Mutterspracher*innen zu sprechen.

Entdeckungsurlaub an mir noch unbekannten Orten

Abseits vom Paddelurlaub bestanden bisher alle voran genannten Urlaube aus Reisen an mir bekannte Orte. Allerdings möchte ich ja auch neue Orte entdecken. Da ich bevorzugt auf dem Landwege reise, braucht solch ein Entdeckungsurlaub Zeit. Vier Wochen beziehungsweise ein Monat haben sich in der Vergangenheit als idealer Reisedauer für mir bis dato unbekannte Orte erwiesen. Das gilt für Reisen mit Interrail gleichermaßen für Fernreisen auf andere Kontinente  – immerhin soll sich die lange Anreise schon lohnen.

Feiertage am Ende des Jahres

Und schon sind wir wieder in der schwierigen Zeit des Winters. Zugegeben: Die Feiertagssaison ist der angenehmere Teil des Winters. An den kürzesten Tagen des Jahres finde ich es überhaupt nicht verwerflich, insgesamt etwas kürzer zu treten. Wann sonst erhält man die Möglichkeit, so viel Zeit mit den Liebsten zu verbringen?

Es geht noch weiter…

Spätestens hier dürften alle denken, ich hätte komplett den Verstand verloren: Nach 13 Wochen Urlaub noch weitere Wunschvorstellungen? Wie vermessen kann ein Mensch sein? Entgegen der preußisch-protestantischen Arbeitsmoral und Bescheidenheit, die in mir angelegt wurden und von denen ich mich immer wieder freisprechen muss, halte ich nicht hinterm Baum!

Bisher habe ich nur über Urlaub gesprochen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich dabei aber zwei Punkte komplett außen vor gelassen:

  1. Bildungsurlaub
  2. Workation

Persönlich wie professionell empfinde ich es als wichtig, lebenslang zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das geschieht freilich auch über Arbeitserfahrung. Gelegentlich braucht es jedoch komplett neue Denkanstöße. Das Konzept von Bildungsurlaub empfinde ich als perfekt dafür!

Workation (= Kofferwort aus work [engl. Arbeit] und vacation [engl. Urlaub]) ist ein wunderbar neudeutscher Begriff, der nichts anderes meint als eine mit Urlaub kombinierte ortsunabhängige Erwerbsarbeit. Selbstredend profitieren hier vor allem Menschen, die überhaupt ortsunabhängig arbeiten können. Prinzipiell kann ich das als Drehbuchautor.

Dafür habe ich konkret zwei Zeiträume im Sinn: Einerseits die leidigen Wintermonate, die ich bereits angesprochen hatte. Wie schön wäre es doch, wenn man einfach an einem etwas weniger tristen Ort arbeiten könnte, als so ziemlich jede deutsche Stadt im Winter? Andererseits leide ich im Sommer regelmäßig unter den zunehmend steigenden Temperaturen. Da zeigt sich ein seltener Nachteil meines niedrigen Blutdrucks: Ab 25°C schaltet mein Körper einfach ab und ich laufe Gefahr, an Ort und Stelle einzuschlafen – trotz ausreichend Schlaf in der Nacht.

Deshalb bin ich großer Freund des Konzepts der Sommerfrische. Die Idee dahinter ist wirklich überhaupt nicht neu, aber genial: Während der heißen Sommermonate, wenn es in Großstädten unausstehlich wird, weicht man einfach auf die kühleren ländlichen Gegenden aus. Historisch war das sogar einst notwendig, weil auf dem Land die Ernte eingefahren wurde.

Hürden

Selbstredend handelt es ich bei meinen Ausführungen bisher komplett um Wunschdenken. In der Umsetzung gibt es einige Herausforderungen, die es zu meistern gilt:

  1. Finanzen
  2. Sozialleben
  3. Organisation
  4. Umweltverträglichkeit
  5. Was, wenn das alle machen würden?

Nun wäre ich nicht ich, wenn ich nicht auch ein paar Ideen zum Überwinden dieser Hürden anbieten würde. Keine davon ist wissenschaftlich erwiesen und ich lerne selbst noch stetig dazu, aber irgendwo muss man ja anfangen.

Lösungsansätze

Finanzen

Beginnen wir bei der offensichtlichsten Hürde: Wie soll das finanziert werden? Für meine persönlichen Vorstellungen habe ich die Kosten für Urlaube und Workation mal grob überschlagen. Stand 2025 belaufen sie sich auf etwa 15.000€. Das ist eine Menge Geld, die viele Menschen nicht mal eben so beiseite legen können – mich eingeschlossen.

Aber ich halte es nicht für unmöglich. Als Minimalist hinterfrage ich meine Konsumgewohnheiten regelmäßig. Dabei fallen mir auch immer wieder Bereiche auf, in denen ich Geld für Dinge ausgebe, die mir eigentlich gar nicht wichtig sind. In anderen Bereichen gebe ich dafür wesentlich weniger aus, als andere Menschen, beispielsweise weil ich kein Auto besitze.

Ist das eine privilegierte Perspektive? Definitiv! Wer am Existenzminimum nagt, macht sich darüber keine Gedanken. Viele Menschen leiden an den Preissteigerungen der letzten Jahre und wissen nicht, woran sie noch sparen sollen, um wenigstens ein bisschen Geld zur Seite zu legen. Aber es handelt sich hier um ein Gedankenexperiment und träumen ist jederzeit erlaubt und kostenfrei!

Sozialleben

Wenn man 13+ Wochen abwesend ist, kann es schwierig werden, ein intaktes Sozialleben mit den Menschen zu führen, die einem wichtig sind. Aber unmöglich ist es nicht. Im Gegenteil: 13 Wochen Urlaub erlauben sogar mehr soziale Interaktion als das viele Menschen aktuell im Alltag leben.

Freilich kommt es hier auf die Ausgestaltung an. Aber wenn ich unsere Nutzung von (a)sozialen Medien und Kommunikation im Alltag beobachte, sehe ich viel Raum für Verbesserung. Bei 13 Wochen Urlaub im Jahr gibt es auf jeden Fall keine Entschuldigung mehr, warum man sich so selten sieht.

Außerdem kann man Urlaube nicht nur allein, sondern auch gemeinsam unternehmen. In vielen Fällen macht sie das sogar erinnerungswürdiger.

Organisation

Du weißt nicht, wie du 13 Wochen Urlaub im Jahr überhaupt unterbringen sollst? Das kann ich sehr gut nachvollziehen, weil ich mich selbst immer wieder damit schwer tue, Routinen in meinem Leben zu etablieren und beizubehalten. Oft liegt das an den sich ändernden Lebensumständen Aufenthaltsorts, Arbeits- und Jahreszeiten sowie Zeitumstellung.

Mir hilft dabei oft, längere Blöcke am Stück den gleichen Ablauf zu haben. Rein rechnerisch hat man bei 13 Wochen Urlaub jede vierte Woche frei. Wenn man stets nur drei Wochen zur Eingewöhnung hat, verwundert es nicht, dass es schwer fällt, vernünftige Routinen zu erarbeiten. Aber niemand hat gesagt, dass man sie so regelmäßig über das Jahr verteilen muss. Einfacher tut man sich wahrscheinlich, wenn man den Urlaub auf zwei bis drei längere Blöcke verteilt.

Wer nicht allein lebt, ärgert sich womöglich darüber, nicht alle 13 Wochen mit den Liebsten verbringen zu können. Dazu kann ich nur sagen: Ja, zusammen ist es oft schöner. Aber auch Zeit allein sollte man nicht unterschätzen und mal ausprobieren.

Umweltverträglichkeit

Mobilität erzeugt prinzipiell eine Belastung für unsere Umwelt, sobald es über die eigene Muskelkraft hinausgeht. Dennoch gibt es auch hier Unterschiede. Verschiedene Verkehrsmittel kommen mit unterschiedlichen Fußabdrücken einher. Urlaub muss nicht bedeuten, auf großem Fuß(abdruck) zu leben.

Was, wenn das alle machen würden?

Davon sind wir meines Erachtens sehr weit entfernt. Andererseits: Laut Statistischem Bundesamt gibt es in diesem Schuljahr bundesweit 11,4 Millionen Schüler*innen, die bereits in den Genuss von 13 Wochen Urlaub kommen. Das entspricht bei einer Annahme von rund 83,5 Millionen Menschen in Deutschland im Jahr 2024 in etwa 13,65% der Bevölkerung.

Da sind Renter*innen noch nicht mit eingerechnet. Das möchte ich aber auch gar nicht, denn wie oben schon ausgeführt, wissen wir nicht, ob wir das Alter für den Ruhestand und die erforderliche Gesundheit für etwaige Vorhaben in der fernen Zukunft jemals erreichen werden.

Wenn nun aber doch alle Menschen plötzlich 13 Wochen Urlaub im Jahr umsetzen würden, müsste man freilich koordinieren, dass dies nicht alle Menschen gleichzeitig tun. Auch hier möchte noch einmal auf das Motto Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg verweisen.

Schließlich gibt es noch einen Aspekt, den ich besonders hervorheben möchte: Wenn tatsächlich alle 13 Wochen Urlaub bekämen, wäre das eine sehr großer Schritt Richtung mehr Gleichberechtigung. Feiertage sind in Deutschland Ländersache und höchst ungerecht. Urlaubstage sind Verhandlungssache und höchst individuell. Was spricht dagegen, zumindest bundes-, wenn nicht sogar europaweit, allen Menschen den gleichen Urlaubsanspruch zu gewähren?

In jedem Fall glaube ich daran, dass mehr Urlaub dazu führen würde, dass wir Menschen ein besseres Leben führen würden. Nicht nur, weil wir erholter wären, sondern weil wir bessere Entscheidungen treffen würden. So oft treffen wir zwar subjektive nachvollziehbare, aber objektive dumme Entscheidungen aus Zeitgründen. Mit mehr Urlaub hätten wir mehr Zeit für die wichtigen und richtigen Dinge. Welche das für dich sind, entscheidest du bitte selbst.

Eine praktikable Herangehensweise

Zum Abschluss möchte ich einmal weg vom utopischen Wunschdenken. 13 Wochen Urlaub sind ein Idealzustand, den ich anstrebe, wie andere Menschen einer Religion folgen, um womöglich eines Tages im einem verheißenen Paradies auf immer und ewig leben zu können. Allen das ihrige.

Von 13 Wochen Urlaub bin ich aktuell noch sehr weit entfernt – mit beginnender Selbstständigkeit erst recht. Das ist auch in Ordnung, denn diese Entscheidung habe ich aus freien Stücken getroffen. Tatsächlich betrachte ich die Selbstständigkeit aber auch als einzige Möglichkeit, dieses Ideal überhaupt jemals erreichen zu können. Doch was ist bis dahin?

Bis ich meine Ideal erreiche, halte ich mich an mein Jahresmotto. Ja, ich strebe dieses Ideal an, aber ich brauche es nicht zu erreichen, um ein erfülltes Leben zu führen.

Dennoch hege ich den Wunsch, die genannten Arten von Urlaub regelmäßig zu erleben. Bis ich also in der Lage sein werde, 13 Wochen Urlaub im Jahr in vollen Zügen zu genießen, werde ich mir jedes Jahr welche raussuchen, auf die ich den Fokus lege. Im Grunde kann man sie (in meinem Fall) drei verschiedenen Arealen zuordnen, die sich teilweise überlappen:

  • Aktivurlaube (Skifahren, paddeln, tauchen, wandern)
  • Entdeckungsurlaub (mir bisher unbekannte Orte)
  • Rückkehr an mir Sehnsuchtsorte (Erstheimat, Großbritannien, Italien, Israel, Osttirol)

Jedes dieser Areale deckt ein unterschiedliches Bedürfnis in mir ab. In erster Instanz geht es um die Erfüllung der Bedürfnisse. Alles andere ist ein Bonus.

Außerdem lassen sich manche Urlaube geschickt miteinander verknüpfen. Zum Beispiel:

  • Wer sagt, dass man nicht auch mit den Liebsten über die Feiertage verreisen kann?
  • Wenn man die Quasi-Schwiegerfamilie in Israel besucht, kann man auch gut tauchen gehen.
  • Auf dem Weg von Deutschland nach Italien kann man sehr gut in Österreich verweilen.

Und schließlich ist meine Art, ein ideales Jahr zu definieren, auch nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten!

Nun interessiert mich, wie du dein ideales Jahr gestalten würdest? Und wie viel Urlaub empfindest du als ideal? Teile es gern in den Kommentaren!

Alles Liebe
Philipp

Der Ziel-Rapport 2022

Mittlerweile hat sich bei mir die kleine Tradition etabliert, zu Beginn des Jahres darüber zu reflektieren, welche Ziele ich im Vorjahr erreicht habe und schließlich auch meine neuen zu verkünden. Da bekanntermaßen alles im Wandel ist, gibt es heuer mit der nunmehr dritten Auflage auch hier einige Änderungen.

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Mit dem Kajak von Prag nach Dresden – Etappe 2

Die Nacht gestaltete sich seltsam. Einerseits war mein Körper derart erschöpft, dass ich binnen kürzester Zeit einschlief. Andererseits wachte ich gen Morgen zunehmend häufiger auf. Als er schließlich anbrach, entschied ich mich dazu, mich nicht länger Träumen von Wärme und Sonnenschein hinzugeben, sondern der Realität zu stellen. Die beiden hätten verschiedener nicht sein können. Als ich das Zelt öffnete, geriet ich wortwörtlich direkt in Schockstarre.

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Handverlesen im Herbst 2021

So spät war ich mit dem Herbstrückblick wohl noch nie dran. So viel zu tun, so wenig Zeit – man kennt das ja. Aber besser spät als nie! An Höhepunkten fehlte es mir im Herbst jedenfalls wahrlich nicht.

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Mit dem Kajak von Prag nach Dresden – Etappe 1

Endlich ging es los! Nach mehrmaligen Verschiebungen, unzähligen Stunden der Recherche und Vorbereitung sowie einer viel zu kurzen Nacht, nahm ich früh morgens um kurz nach 06:00 den ersten Zug von Berlin nach Prag, um zu meiner etwas mehr als 200km langen Paddeltour aufzubrechen.

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Mit dem Kajak von Prag nach Dresden – Etappe 0

Der Wunsch eine längere Kajaktour zu unternehmen, beschäftigte mich schon ein paar Jahre. Dass es nun ausgerechnet von Prag nach Dresden gehen sollte, war eher diversen Zufällen zu verdanken. Also ergriff ich die Chance beim Schopf und begab mich allen Sorgen Warnungen zum Trotz auf den Weg.

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Blogpause – Philipp wandert zu Fluss und zu Fuß

Ja, ich weiß, es gab erst eine ausgedehnte Blogpause, aber ich brauche dringend Urlaub, muss ohnehin noch Urlaub “aufbrauchen” und dieses Mal wird es auch definitiv nicht so lang; versprochen. Nur zwei Wochen.

Und tatsächlich begebe ich mich auch auf Reise, jedoch nicht nur zu Fluss und zu Fuß wie der Titel vermuten lässt, auch wenn dies das Hauptthema dieser Reise wird. Los geht es mit dem Zug von Berlin nach Prag. Von dort steige ich mit dem Kajak in die Moldau ein. Flussabwärts werde ich dann nach Dresden Paddeln. Das dürften etwas mehr als 210km sein. Eine einwöchige Kajaktour stand ja schon länger auf meinem Zielliste. Jetzt ist es also an der Zeit, dieses anzugehen. Binnen einer Woche möchte ich in Elbflorenz ankommen, von wo aus ich mit dem Zug nach Leipzig weiterfahren werde. Dort treffe ich schließlich Freunde, um gemeinsam mit einem Auto in ein gemeinsames Stückchen Zweitheimat zu reisen: Osttirol! Allerdings waren wir dort noch nie gemeinsam, ich schon seit sechs Jahren nicht mehr (viel zu lang!) und auch noch nie außerhalb des Sommers. Entsprechend gespannt bin ich, diese Herzensgegend nun im Kleid einer anderen Jahreszeit zu entdecken.

Gepäckmäßig geht es dieses Mal nicht ganz so minimalistisch zu, immerhin packe ich für zwei komplett unterschiedliche Aktivitäten und habe ein Kajak im Schlepptau. Auch wenn es so wirkt, als würde ich einen Kühlschrank mit mir herumschleppen, habe ich probiert, meine Gepäckstücke auf ein Minimum zu reduzieren. Gerade weil man beim Paddeln bereits einen gewissen Grundstock an Dingen mit sich führt, halte ich es für umso wichtiger, den Fußabdruck der übrigen Sachen so gering wie möglich zu halten.

Wenn ich zurück bin, wird es nicht nur zwei neue Reiseberichte, sondern auch eine Packliste geben für alle, die auch mal solche eine Tour unternehmen möchten. Je nach Reiseplan und -zeit packt man schließlich anders. Persönlich finde ich solche Packlisten immer recht hilfreich und inspirierend. Und Berichte von Reisen hat es hier – auch pandemiebedingt – schon viel zu lang nicht mehr gegeben, obwohl ich ja doch die eine oder andere unternommen habe.

Ahoi,
Philipp