Alles hat ein Ende

Heute Nacht ist es wieder so weit: Die Wintersonnenwende findet statt – und damit für mich ein besonderes Ereignis: Die Tage werden endlich wieder länger und läuten das Ende des Winters ein. Doch es ermahnt mich auch.

Je mehr sich das Jahr dem Ende nähert, desto hastiger findet seit einigen Jahren eine Art Wettlauf bei mir statt: Äußerlich durch die Arbeit, weil ein Großteil der Projekte noch im alten Jahr abgeschlossen und abgerechnet werden möchte. Innerlich durch meine eigenen Ansprüche, Bedürfnisse und Wünsche. Dazu zählen neben dem Erreichen der gesteckten Ziele vor allem die letzten Erledigungen und die eine oder andere Tradition. Namentlich wären das aktuell:

  • alle Blogbeiträge fertig schreiben
  • Bücher fertig lesen
  • mein Kartenspiel fertigstellen
  • alle Geschenke besorgen, herstellen und verpacken
  • Plätzchen backen
  • und zu guter Letzt: Wintersonnenwende feiern und dann einfach nur noch entspannen

Die letzten Jahre hat das nicht so recht geklappt, denn ich schaffte und werkelte noch bis auf den letzten Drücker. Heuer wollte ich es etwas anders angehen, allem voran entspannter. Also dachte ich mir:

  • Die Blogbeiträge stelle ich schon bis Ende November fertig.
  • Lesen kann ich auch während der Feiertage.
  • Das Kartenspiel funktioniert ja schon mal. Gefeilt werden kann auch noch im neuen Jahr. Und wer entscheidet eigentlich, wann es wirklich fertig ist?
  • Dieses Jahr wird in der Familie gewichtelt. Das reduziert nicht unseren ökologischen Fußabdruck, sondern reduziert in erster Instanz bei allen Beteiligten Stress und erlaubt den Fokus auf das Wesentliche: Eine schöne Zeit mit den Liebsten.
  • Die Zutaten besorge ich schon im Oktober. Gebacken wird im November. Genascht im Dezember.
  • Überstunden habe ich eh genug. Dann nehme ich eben einfach schon ab 20.12. frei und kann dann Wintersonnenwende auch wirklich feiern.

So weit die Theorie. Freilich gestaltete sich die Realität ganz anders. Denn mit dem Schreiben hänge ich schon seit Monaten hinterher. An meiner Reihe zur Kajaktour von Prag nach Dresden schreibe ich schon über einem Jahr und habe sie immer noch nicht abschließen können. Lesen ist noch lange nicht solch ein tägliches Ritual geworden, wie ich es mir einst vorgenommen hatte. An meinem Kartenspiel konnte ich auch schon längere Zeit nicht mehr arbeiten. Auch beim Wichteln mag ich Geschenke, die nicht nur Freude sondern auch Sinn stiften, vergeben. Die Zutaten für Plätzchen habe ich zwar schon im Oktober gekauft, aber zum Backen kam ich dann doch erst im Dezember. Immerhin fing ich früher an als vergangenes Jahr, aber noch längst habe ich nicht alle Sorten gebacken, die ich mir vorgenommen hatte – nur sechs von zehn. Arbeitsbedingt arbeite ich auch dieses Jahr wieder bis einschließlich 23. Dezember.

Kurzum: Ich bin unzufrieden. Alles, was ich möchte, braucht Zeit, von der ich nicht genügend zur freien Verfügung habe. Häufiger frage ich mich deshalb, ob ich womöglich einfach zu viel möchte, zu hohe Erwartungen an das Leben stelle und mir selbst zu viel abverlange.

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.

Sprichtwort

Spätestens als Christof mich einlud, wieder an seinem Round-up-Post zum Jahresende teilzunehmen, musste ich mir eingestehen, dass die letzte Stunde des Jahres geschlagen hat. Passend zur Jahreszeit gibt es 18 Tipps von 18 Blogger*innen im Umgang mit dem Winter-Blues. Während ich also in meinem Beitrag selbst noch darüber schreibe, wie sinnlos es ist, weiterhin so produktiv sein zu wollen, wie im Sommer, gelang es mir doch tatsächlich, mich heimlich selbst zu manipulieren. Sooft schreibe ich hier über das Loslassen, doch am schwierigsten fällt es mir nach wie vor bei meinen Aktivitäten und Zielen.

Das zeigt sich schon im Alltag: Abends bleibe ich oft länger auf, als ich sollte (just in diesem Moment beispielsweise), weil ich es einfach nicht schaffe, mit dem aufzuhören, was ich vor dem Schlafen noch tue – bis ich vor Müdigkeit einschlafe. Andere Menschen haben Schwierigkeiten, den ersten Schritt zu unternehmen. Mir ergeht es so beim letzten: Fange ich einmal mit etwas an, mache ich einfach weiter und weiter. Das gilt beim Laufen, Plätzchen backen und vielen weiteren Tätigkeiten. Auch Gesellschaftsspiele, die einfach nicht enden wollen, gefallen mir oft besonders. Lege ich hier womöglich eine außergewöhnliche Art von Eskapismus an den Tag, indem ich mir eine Parallelwelt erschaffe, in der Zeit und Endlichkeit keine Rolle spielen?

Das Sprichwort oben hilft mir über die dunkelste Zeit hinweg. Denn es führt mir vor Augen, dass auch anstrengende und herausfordernde Zeiten, auch die großen Krisen des Lebens vorüber gehen, Tage auch wieder länger und heller werden. Dieses Jahr war mit Abstand mein schwierigstes und ehrlich gesagt fühle ich mich erleichtert, das Kapitel 2022 abschließen zu können. Aber auch angenehme Momente sind endlich. Eigentlich finde ich das auch gut so, denn andernfalls würde man sie gar nicht wertschätzen. Nur meinen Alltag lebe ich oft anders, tue so, als ob es kein fixes Ende gäbe. Das gibt es aber; für das Jahr, Beziehungen, Traditionen, mein Leben, unseren Planeten und das Universum.

Dagegen kann ich mich zwar nicht verwehren, aber es mir womöglich zu Herzen nehmen und einfach mal zufrieden sein mit dem, was ich geschafft habe und dankbar dafür, wenn ich den Jahreszyklus noch ein weiteres Mal erleben und nach meinen Vorstellungen und Ideen gestalten darf. Bekanntermaßen folgt auf (fast) jedes Ende auch ein Neuanfang.

In diesem Sinne: Eine frohe Wintersonnenwende!

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Moin Philipp,
    dieses kein Ende finden wenn ich etwas mache, ja das kenne ich auch. Eine Lösung zum abstellen hab ich aber auch noch nicht gefunden /o\
    Hab grad die anderen beiden Beiträge gelesen, bin ich ja erleichtert, dass es wirklich ein Problem war und du es lösen konntest.
    Hab ne schöne Wintersonnenwende und dann schöne Feiertage, liebe Grüße!

    • Moin Aurelia,

      vielen Dank, es war sehr schön! Bei dir hoffentlich auch? Ein frohes Neues noch!

      Ehrlich gesagt bin ich auch froh, dass ich es lösen konnte, denn es hatte mir schon einige Schweißperlen in die Stirn getrieben.

      Lieber Gruß
      Philipp

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