Nein, in diesem Beitrag geht es nicht darum, wie schwer es Künstler in Israel haben, sich über Wasser zu halten. Vielmehr geht es um ein jüdisches Fest, das den Verzehr von Brot verbietet: Pessach.
Praktischer Weise bekamen wir dafür frei. Da war es doch das Mindeste, dass ich mich ins Feiervergnügen stürzte! Gesagt getan, hatte ich neben Ostern auch noch gleichzeitig für Pessach Sorge zu tragen.
Die Geschichte hinter Pessach
Wer im Schulunterricht aufgepasst hat, erinnert sich gegebenenfalls noch an die Geschichte hinter Pessach: Einst war das jüdische Volk von Ägypten versklavt worden. Moses verkündete die zehn von Gott verheißenen Plagen gegenüber dem Pharao, sollte dieser das Volk nicht umgehend freilassen. Als dieser nicht nachgab, trat eine Plage nach der anderen ein. (Für diese gibt es übrigens auch wissenschaftliche Theorien.) Die zehnte Plage war schließlich, dass alle Erstgeborenen Ägyptens sterben sollten. Damit der Heilige Geist nicht versehentlich jüdische Kinder mordet, sollten alle Juden ihre Pforte mit Lammblut markieren. Schließlich durfte Moses die Juden aus Ägypten führen.
Sehr viel Zeit für Reisevorbereitungen blieben nicht. Deshalb gab es auch keinen gesäuerten Teig für die Brote. Stattdessen gab es lediglich eine Art Knäckebrot (Matza).
Pessach Bräuche
Zur Zeit des 2. Tempels, war Pessach noch eins von drei jüdischen Wallfahrtsfesten, zu welchem alle Juden nach Jerusalem pilgerten, um die erste Kornernte zu opfern. Heute steht dort der Felsendom, weshalb nicht mehr gepilgert wird.
Doch zur Erinnerung an die Geschichte, wird auch heute noch auf Sauerteig verzichtet; genauer:alles, wo Weizenmehl länger als 18 Minuten mit Wasser in Kontakt gestanden haben könnte. Penibel wie hierzulande Traditionen eingehalten werden, werden deshalb in der Vorwoche aller gesäuerter Teig und alles Weizenmehl aufgebraucht, gegessen, verschenkt oder verkauft. Am Vorabend wird dann mit einem Kerzenlicht nach allen Resten gesucht. Für die Dauer von acht Tagen darf anschließend kein Sauerteig verzehrt werden. Außerdem werden alle Küchenutensilien und Services gekaschert [sprich: koscher gemacht]. Für Porzellan bedeutet das eine 72-stündige Wässerung mit zweimaligem Wechsel des Wassers. Viele Familien verwenden aber auch Geschirr eigens für Pessach. Gleiches gilt übrigens auch für alle Geschäfte und Restaurants, die sich koscher halten wollten.
In Anlehnung dessen habe ich mir zur Aufgabe gemacht, während Pessach ohne Mehl auszukommen. Das es schwierig werden könnte, hatte ich natürlich schon im Vornherein erwartet. Schließlich ist Weizen ein wichtiger Bestandteil meiner Ernährung. Der Bericht hierzu folgt am Ende des Artikels.
Das Seder Dinner
Nachdem alle Vorbereitungen getroffen wurden, wird Seder gehalten (das ist das hebräische Wort für Ordnung). Das Ganze ist ein Familienereignis. Ich habe hier zwar derzeit keine Familie, hatte aber die Möglichkeit, an einem vom Internationale Kulturzentrum organisierten Seder teilzunehmen.
Ich hatte ja keine Vorstellung, wie genau das abläuft. Folglich konnte ich nur überrascht werden.
Im Gegensatz zur christlichen Liturgie, ist die jüdische meines Erachtens viel lebendiger: Es singt nicht nur jeder mit, sondern es wird auch getanzt ohne Ende und die Teilnehmer strahlen viel mehr Freude aus. Die Leute sind lockerer und nicht so trübselig, wie bei christlichen Gottesdiensten. Das ist mir auch schon häufiger an Schabbat aufgefallen, wenn ich das Gefühl hatte, die Nachbarn über uns, würden jeden Moment durch die Decke brechen. Andererseits hängt das vielleicht auch nur mit meiner Wahrnehmung zusammen, weil es meine erste Erfahrung diesbezüglich war. Denn viele Regeln sind ja schon recht strikt.
Die Liturgie umfasst auch ein rituelles Essen. Nach und nach werden so in 15 Schritten vier Becher Wein, in Salzwasser getränkte Petersilie, Matza, bitteres Kraut, ein Hillel-Sandwich (Matza mit Paste aus Nüssen, Äpfeln und Honig garniert mit selbigem bitteren Kraut dazwischen) sowie diverse Aufstriche, beispielsweise aus Meerrettich und roter Beete zu sich genommen. Jeder dieser Teile hat entweder einen Bezug zur Geschichte oder historische Tradition im Judentum.
Generell treten recht viele Symboliken im Judentum auf. So werden sich beispielsweise mehrmals am Tag die Hände aus rituellen Gründen gewaschen. Eine weitere ist ein Stück Matza, dass zu Beginn des Seders versteckt und Afikomen (griechisch für Nachtisch) genannt wird. Das wird nach dem eigentlich Dinner von den Kindern gesucht.
Ja, richtig: Nach dem rituellen Essen gibt es ein weiteres, sozusagen der Hauptgang. Dabei war ich nach dem rituellen bereits voll. Aber ich wollte natürlich auch alles probieren. Neben hart gekochten Eiern, Matza-Suppe, Salaten, Kartoffeln und Matza-Lasagne, gab es auch viel für die teilnehmenden Carnivoren: Rinderbrust, Gefügel und gefüllte Fische. Außerdem gab es als Dessert noch Kekse aus Kartoffelteig und Kokosmakronen. Dann war ich proppevoll.
Nach dem Hauptgang suchten die Kinder oben genanntes Afikomen. Die 19-seitige Liturgie durfte nicht fortgesetzt werden, bevor dieses gefunden und gegessen wurde. So schwer war es aber nicht versteckt, denn es ging recht zügig.
Nun folgte der Abschluss, bestehend aus dem Segen inklusive dem dritten Becher Wein. Anschließend gab es noch Lobpreis und den vierten und somit letzten Becher Wein an diesem Abend (was auch vollkommen ausreicht). Der letzte Schritt ist ein letzter Segen, der besagt: Nächstes Jahr in Jerusalem! Schauen wir mal, wie sich das entwickelt.
Zum Abschluss von Pessach gibt es übrigens noch solch ein Dinner, bei dem ich aber nicht beigewohnt habe. Ich kann ja nicht ständig so viel essen. ;)
Koscher für Pessach
Wie bereits zu Beginn beschrieben, gibt es gesonderte Regeln für koscheres Essen während Pessach. Ich wollte zumindest mal probieren, wie gut ich ohne Weizen auskomme. Denn wenn ich so darüber nachdenke, besteht ein recht großer Teil meiner Ernährung aus Weizen.
Mir war natürlich von vornherein bewusst, dass es schwierig werden könnte. Und das war es auch! Das hat mehrere Gründe.
Zum einen esse ich immer dann Weizen, wenn ich selbst nicht dazu komme, zu kochen, wenn es also schnell gehen soll. Deshalb hatte ich die Hoffnung, dass ich während Pessach wieder mehr kochen würde. Tatsächlich habe ich in der Woche nicht ein einziges Mal gekocht, weil andere Dinge eine höhere Priorität hatten. Kochen ist und bleibt eben etwas Besonderes für mich. :)
Zum anderen ist mir bewusst geworden, dass meine Ernährung ohnehin bereits recht speziell ist: Vegetarisch und möglichst plastikfrei grenzt meine Auswahl bereits stark ein, weshalb ich häufig in den gleichen Geschäften die gleichen Lebensmittel kaufe. Jede weitere Regel macht es noch schwieriger, zumal mir vorher nicht bewusst war, welche Lebensmittel von Pessach noch betroffen sind. Ein Blick in den Supermarkt hilft jedenfalls, denn alles mit Weizen wird kurzerhand zugehangen. Das betrifft neben normalem Pita und Fladenbrot eben auch Müsli, Bier, Eis mit Waffeln (dabei finde ich das Konzept, sein Geschirr mitzuessen so genial!), Pizza, Sabikh und – der größte Schock – Falafel! Manche verwenden nämlich tatsächlich Mehl, um die Bindung zu verbessern. Ärgerlich!
Testweise habe ich mal ein Laffa aus Kartoffelteil probiert, welches dann allerdings nur mit Gemüse, Humus und Sesampaste gefüllt war. Es war zwar lecker, aber mit 6€ reichlich unangemessen teuer für den Inhalt. Und das ist auch schon der nächste Punkt: Viele jüdische Familien kochen während Pessach nicht selbst, sondern holen sich in der Stadt koscheres Essen. Das lassen sich die entsprechenden Läden natürlich teuer bezahlen. So hatte ich das Gefühl, dass überall in der Stadt plötzlich neue Lokale nur für Pessach geöffnet hätten.
Während es in Israel normalerweise unglaublich einfach vegetarisch oder sogar vegan zu leben, gestaltet sich das Pessach wegen schon reichlich schwieriger: Nirgends wurden Falafel angeboten, dafür aber überall Fleisch. Die meisten jüdischen Geschäfte haben während Pessach aber ohnehin komplett geschlossen, also mehr als eine Woche am Stück.
Die wenigen Geschäfte, die Essen anbieten, geben es auf Einweggeschirr raus, denn sie haben kein extra Geschirr für Pessach. Entsprechend hoch ist das Müllaufkommen, was mich auch hinderte, dort zu essen.
Matza ist keine wirkliche Alternative. Erstens ist es wie Knäckebrot, nur mit dem minderwertigsten Mehl, das ich mir vorstellen kann. Zweitens ist es auch Weizen. Für Juden ist es Pessach über zwar koscher, weil ein Rabbinat überwacht, dass der Teig dafür nicht länger als 18 Minuten steht, aber für meine Fastenaktion war es ein reichlicher Fehlschlag. Ich habe es natürlich trotzdem probiert, etwa mit Humus und Gemüse angerichtet.
Der Höhepunkt des Ganzen war aber, als ich donnerstags einkaufen wollte und überraschender Weise alles geschlossen hatte. Mir war nicht bewusst, dass auch am Donnerstag Abend bereits ein wichtiger Feiertag von Pessach ist und auch meine israelischen Mitbewohner wussten nicht so wirklich Bescheid. An diesem Punkt war das Maß voll und ich beschloss, die Fastenaktion bleiben zu lassen, denn
- sah ich keinen wirklichen persönlichen Gewinn, auf Weizen zu verzichten. Ich habe keine Glutenunverträglichkeit und bin sehr glücklich darüber, weil es sich mit Vegetarismus deutlich schwieriger gestaltet.
- ist die “Aktion weizenfrei” ständig mit einem mir wichtigerem Grundsatz kollidiert.
- sind die Bedingungen von Pessach ja auch nicht komplett weizenfrei, sondern eben nur sauerteigfrei.
Damit war das Weizenfasten für mich ad absurdum geführt und ich fuhr kurzerhand zu den arabischen Geschäften meines Vertrauens, um mich erstmal wieder einzudecken.
Es gab aber auch ein paar Schmankerl – ich spreche von Süßgebäck!
Endlich gab es nämlich wieder mal Kokosmakronen, die ich doch so gern esse. Außerdem auch Mandelmakronen und Kekse, die ich als Teekekse bezeichnen würde. Alle Variationen gab es auch mit Schokolade.
Darüber hinaus gab es aber auch noch Süßigkeiten, die ich überhaupt nicht so lecker, sondern vielmehr undefinierbar fand. In solchen Situationen schätze ich mich immer glücklich, hier vorher alles probieren zu können. :)
Fazit
Das war mal ein etwas tieferer Einblick in die israelische Kultur. Trotz der damit verbunden Unannehmlichkeiten war es mir die Erfahrung wert! Und ich schätze mich sehr glücklich, religiös entbunden zu sein.
Es wird bald noch mehr Festberichte geben, denn wenn in Israel erstmal gefeiert wird, nimmt es lange keine Ende mehr. ;)
Jetzt bin ich auf deine Meinung gespannt! Hast du schon Pessach, vielleicht sogar anderswo, erlebt? Oder ein anderes jüdisches Fest?
Alles Liebe,
Philipp
widerstandistzweckmaessig
19/04/2015 — 19:26
Super informativer Beitrag! Danke schön!
lg
Maria
Philipp
21/04/2015 — 16:04
Hallo Maria,
freut mich, dass er dir gefällt!
europebynumbers
30/04/2015 — 15:02
Hi Philipp, also das mit dem Bier sollte doch eigentlich gehen ;-)
In unseren heimischen Bieren wird zumindest immer Gerstenmalz verwendet, außer natürlich im sprichwörtlichen Hefeweizen. Gesäuert ist das Getreide auch nicht, sondern nur gemälzt, Ausnahme: Sauermalz. Wird aber selten verwendet in Brauereien.
Liebe Grüße,
Micha
Philipp
30/04/2015 — 15:22
Hallo Micha,
das dachte ich auch. Aber wie so oft gilt andere Länder, andere Sitten: Es gab in jüdischen Geschäften ja nicht mal Falafel zu futtern, weil manche eben noch Mehl mit ranmachen und das ja theoretisch säuern könnte… Nur für das Matza wird es wirklich kontrolliert, weshalb man das während Pessach zu kaufen bekommt.
Deshalb kann ich auch frei weg sagen, dass das in jeglicher Hinsicht nichts für mich ist. :)
Lieber Gruß,
Philipp
PS: Braust du eigentlich noch? Vorbildfunktion und so…