In meinem Leben bin ich schon einigen Zügen hinterher gerannt – und zumeist glimpflich davon gekommen. Selbst als ich mal zu spät für den Check-in am Flughafen ankam und das Online-Check-in versagte, konnte ich mir ein neues Ticket erstreiten. Doch irgendwann musste es sich rächen und ich so viel zahlen wie nie zuvor.
Berlin Hauptbahnhof, 06:29 an einem Samstag Morgen: Zwei junge Männer rennen mit ihrem Gepäck die Rolltreppe herunter und rufen der Reisebegleiterin an der Tür des ICE, die bereits den Schlüssel zum Bedienen der Türen gesteckt hat, verzweifelte Bitten zum Warten zu. Sie schaut kurz auf, dreht den Schlüssel rum und die Tür gleitet gemächlich mit aufdringlichem, leicht hektischem und monotonem Piepen vor der Nase des einen zu. Er flucht laut und springt wild auf der Stelle. Der Zug setzt sich davon unbeeindruckt in Bewegung.
Zugbindung konnte nur die Idee von Kapitalisten gewesen sein. Hinterher dachte der eine an all die Dinge, die er nicht hätte morgens tun sollen, um rechtzeitig zu kommen: Sport treiben, Salat zubereiten, Salat essen, Zähne putzen, … Eine halbe Stunde später stehen beide passiv rauchend und stillschweigend vorm Hauptbahnhof, auch wenn der eine innerlich immer noch zetert. Sie einigen sich darauf, eine neue Fahrkarte zu kaufen, immerhin werden sie 11:30 zum Mittagessen erwartet. Zu spät kommen sie ohnehin, aber so können sie wenigstens dem Mittagessen noch beiwohnen. Klick-klick-69,80€-gebucht.
Nur das Datum stimmt nicht. Natürlich war das ein “Sparpreisticket”, dessen Umtausch ausgeschlossen ist. Der eine zittert wieder, fängt an zu schnauben. Der andere lacht und freut sich auf den erneuten Ausflug am kommenden Wochenende.
Also noch mal: Dieses Mal ein Ticket für heute. Klick-klick-192,50€-gebucht. Was mit einem Schnäppchen für 45,30€ begann, entwickelte sich zunehmend zu einem finanziellen Fiasko. Der eine beschloss dennoch, sich im Nachhinein nicht zu ärgern – war dann ja ohnehin schon zu spät und vergeudete Energie. Die Geldverschwendung reichte ihm ohnehin schon.
Wer nun glaubte, die Geschichte wäre bei 307,60€ vorbei, hat sich getäuscht. Der eine konnte an der Reise die Woche darauf nicht teilnehmen, weil er zeitgleich bereits auf einer anderen Reise war. Also trat der andere die Fahrt mit einem Freund an. Allerdings vermisste der Fahrkartenkontrolleur den einen und warf dem Freund vor, kein auf ihn ausgestelltes Ticket zu besitzen. Fahrpreisnacherhebung. Kostenpunkt: 219,00€.
Und die Moral aus der Geschicht? Es gibt mehr als eine:
- Wer zu spät kommt, den bestraft die Bahn.
- Wer Sparpreistickets kauft, kauft drei Mal.
- Manchmal gibt es uns das Leben Lehrgeld, andere Male Strafarbeit mit auf den Weg.
Natürlich könnte ich mich jetzt darüber aufregen, wie ungerecht es ist, dass die Bahn bis zu 59 Minuten zu spät sein kann, ohne dafür einen Cent zu zahlen, während Fahrgäste bereits bei einer Sekunde ihr Portemonnaie zücken dürfen. Aber es ändert wohl kaum etwas an der Realität, die nun mit 526,60€ zu Buche schlägt. Ich hätte mir ja von vornherein ein Flex-Ticket buchen können und wäre günstiger weggekommen. Oder einfach pünktlich sein.
Der Ruf, stets zu spät dran zu sein und Zügen hinterherzurennen, hängt mir schon seit Schulzeiten nach und ich habe es satt. Lang habe ich es geleugnet, weil ich besser, sprich: pünktlich, werden wollte. Allerdings ohne Erfolg, denn Worte allein schaffen keinen Wandel, sondern Taten. Dann habe ich es meinen Eltern in die Schuhe geschoben, weil sie nie ausreichend Wert darauf gelegt hätten. Doch ändern kann ich es nur selbst.
Deshalb fokussiere ich mich im Februar darauf, pünktlich zu sein und zu beweisen, dass Hans sehr wohl lernen kann, was Hänschen verpasst hat. Wie es lief, werte ich dann im nächsten Handverlesen-Beitrag aus. Ich habe das Ziel auch gleich noch mit in meinen Zielrapport aufgenommen.
Drück mir die Daumen und sieh mir nach, wenn ich dich links liegen lasse, weil ich nicht zu spät kommen möchte. Vielleicht hast du ja sogar einen Tipp für mich?
Alles Liebe
Philipp
Nicole Beßling
26/01/2020 — 11:46
Ach herrje… das hört sich nach einem großen Fiasko an. Mir ist so etwas einmal ähnlich passiert, allerdings mit positiven Ausgang, dass die Bahn ebenfalls Verspätung hatte und ich noch mit kam.
Was ich mich gerade nur frage… bei dem falsch gekauften Ticket mit dem falschen Datum… hat die Bahn keine Kulanz walten lassen? Und wieso war es namensbrzogen? In der App gekauft? Ich kann hier nur raten, buch im Reisebüro. Da gibt es ab und an Möglichkeiten… hust und meine Nummer hast du ja ;) same price as online btw….
Nicht ärgern, lohnt nicht!
Liebe Grüße, Nicole
Philipp
30/01/2020 — 06:53
Hallo Nicole,
vielen Dank für den Tipp. Tatsächlich war ich schon seit über zehn Jahren in keinem Reisebüro mehr. Dass ich auch privat bei dir buchen kann, wusste ich gar nicht. Das mache ich dann nächstes Mal, wenn ich spontan morgens ein Ticket brauche. :P
Lieber Gruß aus Berlin
Philipp
Philipp
30/01/2020 — 06:55
PS: Den Ärger habe ich schon abgelegt. :)
Michael
26/01/2020 — 15:28
Ach Philipp, sowas Ähnliches ist mir auch neulich passiert, nur im Ergebnis nicht ganz so teuer.
Ich war unterwegs zur einer Konferenz, von Stockholm über Amsterdam nach Toulouse. Mit dem Flugzeug leider, aber das ging schlecht mit Zug. Jedenfalls war der Flieger nach Amsterdam schon verspätet sodass ich den Anschluss verpasst habe. Statt 11 Uhr früh weiter zu fliegen, also dann den ganzen Tag in Amsterdan Schiphol warten auf den nächsten Flug um 9 Uhr abends. Das Umbuchen war zumindest ohne Kosten und Aufwand. Dann in Toulouse um 10:30 abends angekommen, und die Expressbusse sind ausgefallen. Also warten und fragen und rumstehen im Nirgendwo, bis ein neuer Bus kam. Dann halb 1 im Toulouse Centrum angekommen, die AirBnB Wohnung war nicht mehr zu finden und der Vermieter nicht mehr zu erreichen um die Zeit. Also ins nächste Hotel, alles belegt, aber freundlicherweise zu einem neuen Hotel vermittelt. Dann dort halb 2 nachts, ohne Dinner eingeschlafen, und eine sehr kurze Nacht für 220€ gehabt.
Auch hier was gelernt: Wenn man eine Dienstreise macht ruhig mal das gute Hotel mit 24h-Rezeption buchen statt 50€ zu sparen mit einer AirBnB Wohnung.
Philipp
30/01/2020 — 07:01
Hallo Micha,
das hört sich wirklich nach einer Odyssee an. Hast du das Geld von AirBnB denn wenigstens zurückbekommen können?
Bei der Dienstreise zahlt ohnehin die Arbeitgeberin. Es muss ja nicht sonderlich luxuriös sein, aber eine Rezeption, die rund um die Uhr besetzt ist, lohnt sich schon. Das Gute bei solchen Tortouren ist, dass man es nächstes Mal besser weiß. :)
Lieber Gruß
Philipp
Anna
28/01/2020 — 14:04
Oh Mist das ist echt eine üble Story. Ich fahre viel mit dem Zug, jetzt nicht mehr so viel wie früher aber doch bei jeder Gelegenheit und ich bin immer zu früh dort. Wesentlich zu Früh, ich schau drauf da ich mind. 15 min früher dort bin. Das mir genau solche Sachen nicht passieren. Ich bin daher kein gebranntes Kind aber diese Story lässt mich erschaudern, dafür hab ich ein positiv Beispiel was ich mal miterlebt habe.
Vor ca. 11 Jahren (Wahnsinn wie die Zeit vergeht) am Hauptbahnhof in Budapest. Mein damaliger Freund und ich waren schon dort hust eben wesentlich zu früh. Am Kopfbahnhof fuhr gerade ein Zug los und plötzlich schossen zwei Mädls an uns vorbei und liefen dem Zug nach als wäre der Teufel hinter ihnen her und Trommelwirbel der Zug wurde echt nochmals langsamer und die zwei konnten noch einsteigen. Happy End :)
Philipp
30/01/2020 — 07:06
Hallo Anna,
ja, das hat mir mein Freund dann auch erzählt, dass ich nicht pünktlich, sondern zu früh sein sollte. Genau das, was man in solch einer Situation hören möchte – als wüsste man das nicht auch selbst. ;)
Dass der Zug angehalten ist, finde ich großartig! Ich hatte mal ein ähnliches Erlebnis, als ich selbst einen Zug erwischen wollte und wie ein Verrückter geschrieen habe, dass der Zug bloß nicht losfahren soll. Hat geklappt, war aber sicherlich nicht die feine, englische Art. :D Dann lieber etwas zu früh am am Bahnhof sein und warten.
Lieber Gruß
Philipp