Darf ich vorstellen: Das ist Ernst. Nein, stimmt gar nicht. Es handelt sich um Ben Gurion, der nicht nur Staatsvater Israels, sondern auch dafür berühmt war, am Strand von Tel zu yogieren und dabei regelmäßig Kopfstand machte. Bei aller Ernsthaftigkeit, die mit Gründung eines Staates zusammenhing, ließ er es sich das nicht nehmen. Was können wir davon lernen?
Es wird ernst
Meine Oma konnte sich früher nicht lange damit zurückhalten, mich auf das Leben vorzubereiten. Die ersten Maßnahmen ergriff sie, als ich drei Jahre alt war.
Damals stand ein großer Tag bevor: Ich sollte endlich in den Kindergarten kommen. “Der erste Schritt Richtung Ernst des Lebens!”, beschwor sie hervor. Das löste in mir Ehrfurcht aus. Allerdings hatte ich es schnell wieder vergessen und fand den Kindergarten überhaupt nicht ernst. Allerdings hat mich der aufgezwungene Mittagsschlaf genervt und ich konnte es kaum erwarten, in die Schule zu kommen, um das hinter mir zu lassen und endlich alles Wissen der Welt in mich aufzusaugen.
Kaum war es soweit, mahnte mich meine Großmutter erneut: “Jetzt beginnt der Ernst des Lebens!” Ich ging gern in die Schule, hatte Freude daran, aber Ernst verspürte ich nicht. Ich genoss einfach nur meine Zeit.
Dieser Vorgang wiederholte sich noch einige Male, nämlich beim Übergang zum Gymnasium, kurz vor der Abiturprüfung, bei Eintritt in die Armee, bei meinem Studienbeginn und auch heute, kurze vor Ende meines Studiums lässt Oma keine Gelegenheit aus, um mich daran zu erinnern, dass der Ernst des Lebens bevorsteht.
Ich wage mal, das anzuzweifeln.
Mach dich mal locker!
Ich bin mir sicher, dass meine Oma nur mein Bestes möchte, wenn sie sich bemüht, mich auf den “Ernste des Lebens” vorzubereiten. Allerdings schießt sie damit etwas über das Ziel hinaus. Denn das Leben wird nur so ernst, wie wir es selbst nehmen.
Unser aller Zeit ist begrenzt. Wo sie schon so kostbar ist, müssen wir doch das beste daraus machen, oder? Falsch. Es steht uns frei, damit zu tun, was wir wollen. Vielleicht wollen wir ja gar das Beste daraus machen? Und überhaupt, was ist schon “das Beste”?
In Hinblick auf unser aller Endlichkeit legen wir eine schier unglaubliche Ernsthaftigkeit an den Tag. Das mündet dann schon mal in Aggression, wenn wir meinen, dass jemand gerade unsere ach so kostbare Zeit vergeudet, weil wir gerade mal ein paar Minuten warten müssen, etwas nicht schnell genug geht oder wir meinen, nicht genug zu schaffen.
Besonders letzteres beobachte ich oft an mir selbst. Ich möchte so viel im Leben und setze mich dann selbst unter Druck, das auch ja alles fertig zu bringen. Aber wer, außer mir selbst, verlangt das denn? Wer behauptet, dass wir dies und jenes im Leben erreicht haben müssen, um ein erfolgreiches Leben gelebt zu haben?
Verkorkste Logik
Genauso wie wir selbst entscheiden, wie ernst wir unser Leben nehmen, haben wir in einem gewissen Rahmen – und der ist oft größer als wir annehmen – Handlungsspielraum beim Verfügen über unsere Zeit und, wie stark wir uns stressen lassen oder eben selbst stressen. Unsere Wahrnehmung ist in dieser Hinsicht nur oft getrübt.
So ist es doch fraglich, ob unser Leben wirklich so arg verkürzt wird dadurch, dass wir ein paar Minuten in der Schlange stehen. Womöglich ist der “Schaden” durch den Stress, den wir uns selbst machen, sogar höher.
Und wenn wir mal einen Schritt weiterdenken, wirkt es doch schon etwas arrogant, wenn wir tatsächlich glauben, dass sich das Universum davon beeindruckt zeigt, wenn wir wegen ein paar Sekunden, Minuten, Stunden oder sogar Jahren rumheulen. Für das Universum ist selbst ein Menschenleben ein Wimpernschlag. Nur mal, damit wir eine bessere Vorstellung von Relationen haben.
Das Beste kommt zum Schluss
Ist es in dieser Hinsicht nicht unglaublich befreiend, wie bedeutungslos wir eigentlich sind? Das gibt uns Raum, entgegen aller Pläne und Ziele, uns zur Abwechslung mal nicht selbst so ernst zu nehmen, eine blaue Schlüppi anzuziehen und erstmal am nächstbesten Strand Handstand zu machen. Von daher:
Nimm das Leben nicht so ernst. Du kommst eh nicht lebend raus.
– Redensart
Alles Liebe,
Philipp