Seitdem ich das erste Mal auf einer Karte sah, dass es in Jerusalem einen Wald gibt, wollte ich ihn mir bei der nächstbesten Gelegenheit unbedingt ansehen. Auch die Nachricht, dass dort eine Leiche geborgen wurde, konnte mich nicht davon abbringen und die Aussicht von Yad Vashem stachelte mich nur noch mehr an.
An Ostern war es dann endlich so weit: Das Ziel für meinen Osterspaziergang war klar! Ganz neue Seiten von Jerusalem taten sich mir auf, sowohl schöne als auch nicht so schöne. Kein Wunder also, dass ich anstatt drei sechs Stunden unterwegs war!
Der Gedanke, dass es um Jerusalem herum Wald gibt, mag zunächst befremdlich erscheinen. Denn ist die Stadt nicht von Wüste umgeben?
Heute ja (zumindest Richtung Osten), doch das war nicht immer so. Einst war hier alles bewaldet. Dürres Land verheißt sich ja auch nicht so gut. ;) Als die Region stärker besiedelt und der erste und schließlich auch der zweite Tempel gebaut wurde, waren dann aber große Mengen an Holz von Nöten. Entsprechend viel wurde gerodet. Dank des fehlenden Waldes hatte die Wüste dann leichtes Spiel, vorzudringen. Etwas Ähnliches ist übrigens in Schottland passiert: Die heute berühmten, kargen Landschaften waren einst alle bewaldet. Ohne Schutz waren die Highlands dann der freien Witterung ausgesetzt, wodurch die schroffen Züge überhaupt erst entstanden sind – und nur äußerst schwierig wieder aufzuforsten.
Apropos Aufforstung: Der Jerusalemer Wald ist auch kein Original. Erst in den 1950ern wurden die Pinien hier angepflanzt. Das merkt man auch, denn es wirkt schon alles recht künstlich. Die Aussicht verdeutlicht ganz gut, dass der Wald sich den Anforderungen der Menschen anpassen muss: Eine Siedlung hier, eine Kläranlage dort – ach ja, und einen Stausee gibt es auch. Ja, richtig! Ein Stausee. Dieses Gesicht von Jerusalem war wirklich komplett neu für mich. Dass Baden dort verboten ist, interessiert bei warmen Temperaturen natürlich keinen. Doch an den Anblick von in schwarzen Kleidern badenden Frauen werde ich mich wohl nie gewöhnen.
Eine der Siedlungen ist Ein Kerem. Die ist doch schon recht alt: Johannes der Täufer soll in dem der Toskana anmutenden Dörfchen geboren sein. Dass das allein mehrere Millionen Pilger im Jahr anlocken soll, mag ich mir gar nicht vorstellen.
Alle Siedlungen, über die ich unterwegs gestoßen bin, schienen aber auch gar nicht bewohnt zu sein. Oder doch? Fließendes Wasser gab es jedenfalls. Sonst schien aber alles etwas so, als wären die Bewohner überstürzt geflohen: Hier und da Plastikstühle, Wasserbecken und natürlich jede Menge Müll. Irgendwie passt das nicht so recht. Die Müllproblematik in der Umwelt setzt mir mehr und mehr zu, scheint es doch so einfach, seinen Müll mit nach Hause zu nehmen, anstatt ihn in der Landschaft liegen zu lassen. Und ich frage mich, wer eigentlich diese Unbekannten sind, die es einfach nicht auf die Reihe bekommen?
Zum Glück ist nicht alles schlecht da draußen. Natürlich stellen sich mir noch mehr Fragen, warum die Stadtverwaltung zum Beispiel nicht mehr tut – das überkommt aber wohl alle gebührenzahlenden Bürger, wenn sie sich in ihren Interessen nicht genügend vertreten fühlen. Doch immerhin gibt es den Wald ja. Und er wird nicht nur von Menschen, sondern auch von Flora und Fauna recht gut angenommen. So konnte ich mich an der einen oder anderen Blüte, an Reptilien, Insekten und Vogelgesang erfreuen. Und abseits davon hatte ich auch noch eine kleine Premiere.
Dass Marienkäfer Blattläuse zur Nahrung nehmen ist ja allgemein hin bekannt. Umso betrübter sind wir in Deutschland, wenn es nur wenige Marienkäfer gibt. Entsprechend stark verwundert war ich, als ich während meiner Wanderung Sträucher passierte, die nur so mit Marienkäfern übersät waren! Also hockte ich mich nieder und verweilte ein wenig. Und siehe da, ich konnte zum ersten Mal beobachten, wie man so eine Blattlaus isst. Nicht, dass ich vorhatte, sie in meine Ernährung einzubauen, aber ich fand es einfach interessant. Sonst ärgere ich mich immer nur über Blattläuse und lasse die Marienkäfer in aller Ruhe ihre Arbeit verrichten.
Mein Weg führte größtenteils durch die Sonne, denn so dicht ist der Wald einfach nicht. Entsprechend glücksgeflutet schlief ich dann abends auch ein. Allerdings erst, nachdem ich mein Fahrrad heimgeschoben hatte, denn das hatte einen Platten. Das war mir nach dem Tag an der frischen Luft aber auch egal.
So viel zu meinem diesjährigen Osterspaziergang. Und wie sah deiner aus?
Alles Liebe,
Philipp