Man braucht nicht alles zu besitzen, was man sich wünscht

An einem kalten Wintertag ging ich mit einem Freund spazieren. Während des Gesprächs schwärmte er von seiner Sehnsucht nach einer eingeschneiten Berghütte mit Sauna und einem Keller voll Wein. “Kein Problem, kostet dich nur ein paar Millionen”, scherzte ich. Er entgegnete darauf: “Ich will sie gar nicht besitzen. Ich möchte mich nur dort aufhalten.” Da fühlte ich mich ertappt. Fiel ich etwa in alte Verhaltensmuster zurück?

Der Traum einer eigenen Berghütte reicht bei mir bis in die Kindheit zurück. Früher nahmen mich meine Eltern jedes Jahr im Sommer zwei Wochen mit nach Osttirol ins Defereggental. Welch ein Paradies! Während unserer kurzen Zeit sogen wir uns nicht nur mit frischer Bergluft, sondern auch vielen schönen Erinnerungen voll, von denen wir dann ein Jahr lang zehrten. Immer wieder fantasierten wir davon, wie toll es wohl wäre, auf einer Berghütte zu leben, statt dort nur vierzehn Tage im Jahr Urlaub zu verbringen. Die Bergerseehütte mit ihrer Lage an einem See und dem eindrucksvollen Bergpanorama als Ausblick durfte ich bereits mehrfach besuchen. Das Foto illustriert recht gut meine romantische Idealvorstellung vom Hüttenidyll.

Realität wurde es nie. Doch der Traum blieb und wenige Worte meines Freundes genügten, um den Staub von ihm zu blasen und ihn ganz nach oben auf meinen Wunschzettel zu katapultieren. Die Preise für Berghütten lassen ihn jedoch platzen wie eine Seifenblase. Auf die Sauna und den Weinkeller kann ich gut verzichten. Dennoch kosten auch kleine Berghütten astronomische Summen, schlichtweg weil sie in an steilen Hängen oder in Gegenden mit (der Berge wegen) äußerst begrenztem Wohnraum liegen, eine schöne Aussicht bieten und sich auch bei Reisenden äußerst hoher Beliebtheit erfreuen.

Da scheint die Frage gerechtfertigt, ob sich der Kauf eines solchen Objekts überhaupt lohnt. Immobilien als Geldanlage sind ein komplexes Thema und ergeben anstelle von lebenslangen Mietzahlungen oder als Spekulationsobjekt in Ballungszentren sicherlich Sinn. Doch als Sommerhaus? Hunderttausende oder gar Millionen von Euro investieren, um dann nur ein paar Tage im Jahr dort zu verbringen, wirkt wenig rentabel. Wesentlich günstiger kommt man weg, wenn man mietet oder schlichtweg Einzelübernachtungen bucht, wenn man mal wieder Sehnsucht nach Bergluft verspürt. All den Ärger mit der Suche nach der richtigen Immobilie, den Formalitäten und Verpflichtungen spart man sich dabei übrigens auch, von Renovierungsarbeiten ganz zu schweigen.

Tatsächlich steht auch die Frage im Raum, wie viel sich die Berghütte realistisch tatsächlich bewohnen lässt. Ortsunabhängig Lebenden steht es natürlich jederzeit frei. Außer, die Hütte ist tatsächlich eingeschneit und unerreichbar, denn Bergsommer sind erfahrungsgemäß kurz. Als Nomade hält man sich freilich auch gern an anderen Orten auf. Berufliche und familiäre Verpflichtungen tun ihr Übriges dazu. Ließe sich der eigene Beruf überhaupt auf einer Berghütte beibehalten? Und wie handhabe ich die Versorgung der Hütte mit Lebensmitteln? In meiner romantisierten Idee wandere ich einmal wöchentlich ins Tal, um mich mit den wichtigsten Lebensmitteln zu versorgen. Aber mit 30+ Kilogramm im Gepäck den steilen Rückweg zur Hütte anzutreten, würde definitiv kein Honiglecken. In der Realität werden die meisten Hütten mit einem Helikopter versorgt, was mir nicht nur kostspielig, sondern auch ökologisch fragwürdig erscheint.

In Summe bleibt es wohl ein Traum. Die Vorstellung, die Sommer auf Hütten zu verbringen, begeistert mich nach wie vor. Wie entspannt man dort abgeschottet wohl schreiben könnte. Oder den Ruhestand verbringen (, falls das dann körperlich noch möglich sein sollte). Bis dahin bleibt mir nur, regelmäßig hin zu reisen. Apropos: Man stelle sich mal vor, wohin mal mit all dem Geld für eine Berghütte stattdessen reisen könnte!

Einen Haken gibt es noch: Was passiert mit solchen idyllischen Gegenden, wenn die Häuser lediglich für ein paar Wochen im Jahr bewohnt werden? Die Dörfer sterben aus, die Häuser verfallen. Um dem entgegenzuwirken, hat das Land Tirol Maßnahmen getroffen: Nur eine bestimmte Quote der Immobilien darf als Zweitwohnsitz oder Freizeitwohnsitz genutzt werden. Außerdem fällt eine besondere Abgabe für ebensolche an, um potentielle Käufer abzuschrecken. Andererseits frage ich mich, wen das abschreckt, wenn man Geld besitzt, um sich solch ein Haus leisten zu können.

Ich bin gespannt, ob es etwas bringt. Andernfalls befürchte ich, dass künftig noch mehr Gegenden dasselbe Schicksal ereilt wie die Nachbarschaft Mamila in Jerusalem. Dort steht eine ganze Nachbarschaft den Großteil des Jahres leer, weil im Ausland lebende Religiöse mit ausreichend Geld sich hier Apartments leisten, um dann die hohen Feiertage des Judentums in Jerusalem verbringen zu können. Eine Geisterstadt im Zentrum der Stadt – wortwörtlich gruselig.

Wie gehst du mit solch kostspieligen Träumen und Wünschen um? Schreib es gern in die Kommentare.

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp!
    Das geht mir oft ähnlich. Nur habe ich den Wunsch, mich in ein einsames Haus in Alaska zurückzuziehen, wenn mich das Treiben in der Stadt mal wieder zu sehr mitnimmt und die vielen Menschen einem buchstäblich auf die Nerven fallen. :)
    Wie das Leben dort aber wirklich wäre, stellt man sich meist in Gedanken viel romantischer vor, als es dann tatsächlich ist.
    Abgeschnitten sein von der Welt mag zeitweise etwas schönes haben, aber man ist halt auch „abgeschnitten“.
    Wenn ich mich zu sehr in diesen großen Tagträumen verliere denke ich oft an ein Zitat, dass der rastlosen Kaiserin Sisi zu geschrieben wird: „Unsere Träume sind immer schöner, wenn wir sie nicht verwirklichen.“
    …in diesem Sinne. ;)
    Matthias

    • Hallo Matthias,

      welch treffendes Zitat! Das Wort immer verleitet mich zu Vorsicht, aber ein paar passende Situationen aus meinem Leben fallen mir dazu schon ein.

      Bei Alaska habe ich mich gefragt: Warum ausgerechnet Alaska? Würde dein Bedürfnis womöglich auch von einer Hütte im ruhigen Wald ohne Empfang in Deutschland erfüllt? Gleichwohl kann ich diese Sehnsucht nach Ferne und Abgeschiedenheit sehr gut nachempfinden!

      Lieber Gruß
      Philipp

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