Online-Pride – Nützt das was?

Corona wegen fallen heuer wohl sämtliche Großveranstaltungen aus – CSD inklusive. Stattdessen werden digitale Alternativen geschaffen. Im Vergleich zum sonst betriebenen Aufwand wirkt das regelrecht effizient: Weniger Organisation bei mehr Reichweite über die unendlichen Weiten des Internets. Ob es hingegen effektiv ist, wage ich zu bezweifeln.

Erinnerst du dich daran, als ich letztes Jahr trauriger nicht am Berliner CSD teilnehmen konnte, das aber gar nicht schlimm fand, weil ich mir sicher war, im kommenden (also diesem) Jahr würde der nächste stattfinden? So kann ich mich irren. Wie so viele andere Großveranstaltungen auch, beschränkte sich der heurige Christopher Street Day der deutschen Hauptstadt also auf eine digitale Variante in Form eines Live-Streams. Die Wirkung dessen halte ich jedoch für fragwürdig.

Zunächst einmal klingt eine rein digitale Veranstaltung natürlich überzeugend: Niemand braucht anzureisen, um teilnehmen zu können. Mit fossilen Brennstoffen betriebene Lkws fahren nicht durch Innenstädte und auch in Hinblick auf Banner, Deko und Effekte fallen weniger Müll an. Solche Digi-Events erweisen sich folglich ökologisch nachhaltig und kostengünstiger. Doch damit allein ist es nicht getan.

Dass Sichtbarkeit von Menschen abseits der Norm wichtig ist, rückt zunehmend stärker in unser Bewusstsein. Doch genau damit habe ich bei einem digitalen CSD Probleme: Im Gegensatz zu einer Veranstaltung in der analogen Öffentlichkeit erhöht sich die Sichtbarkeit von sexuellen Minderheiten nicht, denn Menschen außerhalb dieses Personenkreises werden überhaupt nicht mit dem politischen Hintergrund der Demonstration konfrontiert. Den Live-Stream kann ich nur dann sehen, wenn ich ihn aktiv aufrufe. Darauf werde ich nicht zufällig aufmerksam, wie wenn bunte, schillernde Massen lautstark durch das Stadtzentrum ziehen. Das digitale Äquivalent wäre, dass der Live-Stream auf sämtlichen sozialen Netzwerke und Nachrichtenseiten präsent ins Auge springt. Tut er aber leider nicht.

Unabhängig davon brauchen wir mehr regelmäßige Präsenz – nicht nur an einem besonderem Tag im Jahr und das offline wie online. Andersartigkeit sollte Alltag sein. Dass es dafür mittlerweile einen Global Pride Day gibt, an dem (zumindest in der Theorie) weltweit auf den Straßen für Diversität, Gleichberechtigung und Toleranz demonstriert wird, stellt einen guten Anfang dar und bringt den eigentlichen Zweck des CSDs zurück: ein politisches Aufbegehren. Dafür kann man schon mal laut und schrill sein – analog wie digital.

In diesem Sinne: Happy Pride!

Ganz viel Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp,

    ich denke , dass es für bestimmte Veranstaltungen online keine Alternative gibt. Manches muss oder sollte halt offline bleiben. Die Wirkung ist einfach eine ganz andere. Laut und schrill sollte man trotzdem sein, einfach um auf etwas aufmerksam zu machen.

    Ich habe aktuell das Gefühl, dass die “falschen” Dinge online angeboten werden, und das, was meiner Meinung nach online gut umzusetzen wäre, wird dann doch mit allen Möglichkeiten irgenwie offline gemacht. Das mag aber auch an meinem eigenen Empfinden liegen.

    Wie dem auch sei, ich bin definitiv auch der Meinung, dass es für “Anders sein” keine speziellen Tage geben sollte, sollte einfach dazu gehören sollte. Wer legt überhaupt fest, was anders ist und was normal ist? Also klar, die Evolution hat sich das eher so gedacht, das Frau und Mann wegen Fortpflanzung und so. Aber wer legt fest, dass man für die reine Fortpflanzung auch sich lieben muss? Wer sagt, dass es nicht “normal” ist, wenn Frauen Frauen lieben und Männer Männer? Wer sagt, dass die ganzen super Freundschaften nicht vll auch auf Gefühlen basieren?
    Ich finde es schwierig zu sagen, was normal und was anders ist.

    Viele Grüße,
    Nicole

    • Hallo Nicole,

      vielen Dank für deine Gedanken dazu!

      Bei Gefühlen denke ich tatsächlich lieber in Komponenten statt Kategorien. Das gestaltet vieles einfacher und fluider.

      Was die Angebote anbelangt erfordert es natürlich auch Zeit, das alles auszuprobieren und die entsprechenden Erfahrungen überhaupt erstmal zu sammeln. Bei welchen Formaten hattest du denn den Eindruck, sie wurden auf Zwang offline abgehalten, obwohl sie prima online möglich wären?

      Lieber Gruß aus der Fränkischen Schweiz
      Philipp

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert