Jeden Morgen geht die Sonne auf, jeden Abend geht sie unter. Wir stehen auf, ziehen uns an, arbeiten, ziehen uns aus und legen uns schlafen. Montag bis Freitag wird gearbeitet, Samstag und Sonntag sind Wochenende. Woche für Woche, 52 Mal im Jahr. Im Winter wie im Frühling wie im Sommer – URLAUB – wie im Herbst. Totensonntag, 1., 2., 3., 4. Advent, Weihnachten,  Silvester, Neujahr und der Spaß geht von vorn los.

Nach allem, was ich in den letzten Wochen gelesen und gehört habe, fühlen sich viele Menschen genau so. Doch das muss nicht so sein.

23 Jahre lang habe ich Weihnachten in Deutschland verbracht und mochte es ausgesprochen gern: selbst gebackenes Weihnachtsgebäck, Kerzenlicht, Musik, Ruhe, Schnee, Zusammenkommen,  Gemeinschaft mit den Liebsten, ein paar Tage ohne Arbeit. Ich liebte es und empfand es immer als so schade, wenn die Zeit vorbei war.

Heuer war alles anders.

Das lag natürlich hauptsächlich daran, dass ich zur Zeit in Israel lebe. Staatsreligion ist hier das Judentum. Entsprechend steht hier nicht Weihnachten, sondern Chanukka auf dem dem Programm.

Dafür bekommt man aber nicht frei (außer man ist Schüler), denn hauptsächlich besteht Chanukka daraus, abends gemeinsam mit der Familie eine Kerze anzuzünden, dabei zu singen und dann viel Frittiertes zu essen. Dazu gehören unter anderem Sufganiot (de facto Pfannkuchen/Berliner/Krapfen/…) und Latkes (besser bekannt als Kartoffelpuffer/Reiberdatschi/gebackene Glies/…). Im Mittelpunkt des Festes steht also Öl. Die Geschichte wird hier recht kompakt erklärt.

Während der Feiertage waren hier also ganz normale Geschäftstage. In unserer WG haben wir am letzten Tag von Chanukka gemeinsam gegessen, getrunken und Karten gespielt. Und ja, auch eine Kerze haben wir angezündet. Im Hintergrund hatten wir Chanukka Musik aus dem Internet laufen, bis unser israelischer Mitbewohner dazu kam und uns erklärte, dass nur für den Moment des Anzündens gesungen wird und nicht wie in Deutschland den ganzen Abend Weihnachtsmusik läuft. Das merken wir uns gut, denn im Gegensatz zu anderer israelischer Musik emfpanden wir die Chanukka Lieder als äußerst anstrengend. (Wer reinhören möchte: Das Internet ist euer Freund und Helfer.)

Nun ist Jerusalem eine Stadt, in der Religionen aufeinanderprallen. Im christlichen Viertel der Altstadt war deshalb dennoch Weihnachtsbeleuchtung zu finden (siehe Foto) und auch die arabischen Geschäfte dort schienen im Verkauf von Weihnachtskitsch eine Goldgrube zu sehen. Bethlehem, die Geburtsstätte Jesus, ist auch nicht weit weg,  wenn man also ein paar weihnachtliche Gefühle spüren möchte, wäre das im Nahen Osten wohl der Ort der Wahl.

Mir haben meine lieben Eltern weihnachtliche Gefühle mitgebracht: Papa in Form seiner Anreise, Mutti in Form leckerer, selbst gebackener Plätzchen, Lebkuchen, Dominosteine und eines Stollens, die sie ihm mit gegeben hat. Das ausschlaggebende an Feiertagen, egal welches Fest man nun feiert, ist für mich nämlich letztlich, Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen. Und das haben wir nicht nur in Jerusalem, sondern während der Wochenenden auch in Jordanien und Ein Gedi getan. :)

Sonst war bei mir ehrlich gesagt überhaupt keine Weihnachtsstimmung. Es ist ein Fest, das sich für mich hier falsch anfühlt. Das Land hat seinen eigenen Rhythmus und damit verbunden auch eigene Rituale. Deshalb ist der Jahreswechsel auch etwas an mir vorübergezogen. In Israel wurde Ende September bereits mit Rosch Ha-Schanah das Jahr 5775 eingeläutet, denn es gibt einen eigenen jüdischen Kalender. Im Alltag wird dennoch vom gregorianischen Kalender Gebrauch gemacht und besonders die westlich angeschlossene Jugend lässt sich diesen Grund, zu feiern, nicht entgehen. Feuerwerke bleiben aber dennoch aus.

Das hat mich aber keineswegs gestört, denn es ließ mich etwas reflektieren:

  • Nicht die Geschichte hinter dem Fest, sondern die Menschen, die ich liebe, geben einem Fest für mich Bedeutung.
  • In Ruhe Zeit miteinander zu verbringen, finde ich wunderbar. Allerdings bedeutet es für viele Menschen großen Stress in der Vorbereitung für die ganzen Festmähler, köstlichen Gebäcke und anderen Freuden. Besonders deshalb halte ich es für einen guten Zeitpunkt, über die eigene Dankbarkeit nachzudenken und entsprechend zu reagieren.
  • Stichwort Vorbereitungen: Das kann man auch gut gemeinsam tun. So verbringt man noch mehr Zeit zusammen, kann gleichzeitig von einander lernen und die Arbeit verteilt sich gerechter.
  • Ich brauche keinen besonderen Tag im Jahr, um Neuanfänge oder gute Vorsätze zu feiern. Das kann ich jeden Tag.
  • Anstatt immer wieder darüber zu sprechen, wie schnell die Zeit vergeht, kann ich sie auch sinnvoll nutzen.

In diesem Sinne: Ab in die Puschen!