Was sich hinter diesem Kofferwort verbirgt? Einfach gesagt die Fusion von Weihnachten und Chanukka. Man kann es aber auch als Feiertagsmetapher für deutsch-israelische Beziehungen sehen – so wie die meinige.
Vermischung von Bräuchen
Zu Weihnachten brauche ich im deutschsprachigen Raum wohl nicht viel zu sagen. Sogar die Tatsache, dass mein israelischer Partner Weihnachten liebt, klang schon das eine oder andere Mal an. Und da wir seit einem Jahr zusammenwohnen und Chanukka nicht minder hoch in seiner Gunst steht, feiern wir eben beides – oder auch nichts von beidem so richtig, denn niemand von uns lebt religiös oder glaubt an die Geschichten dahinter. Stattdessen genießen wir nur die Speisen und Traditionen zum Spaß an der Freude.
Historisch betrachtet gibt es den Begriff übrigens nicht erst seit Neuem, sondern bereits seit dem 19. Jahrhundert, als die jüdische Bevölkerung Deutschlands dazu überging, Feste mit christlichem Ursprung auf säkulare Art und Weise zu feiern oder deren Bräuche mit den jüdischen zu vermischen. Insofern finde ich es interessant, welche Reise manche Bräuche im Laufe der Geschichte zurückgelegt haben:
- Weihnachten: Die Geschichte spielt in Bethlehem, wird Teil einer Religion, die sich weltweit verbreitet. Die Bräuche dazu vermischen sich mit denen anderer Kulturen und kehren schließlich nach Bethlehem zurück, wo mittlerweile auch ein Tannenbaum (wenn auch künstlich) aufgestellt wird, der so gar nicht in die Wüste passt.
- Chanukka: Die Geschichte spielt in Jerusalem. Im Zuge der jüdischen Diaspora wird sie über die Welt verteilt. Doch die heute üblichen Festspeisen und Traditionen sind durchweg durch aschkenasische, also jüdisch-osteuropäischer, Kultur geprägt – und werden heute wiederum in Jerusalem zelebriert.
Darüber hinaus finde ich einige Zusammenhänge der zwei Feste als äußerst spannend!
“Dort geschah ein großes Wunder”
Beide Feste werden in der dunklen Winterszeit gefeiert, involvieren den Einsatz von Leuchtmitteln und vermitteln ein Gefühl von Hoffnung. Sowohl in der Weihnachtsgeschichte als auch in der Geschichte um Chanukka stehen Wunder im Mittelpunkt: In der einen eine Jungfrau, die auf unerklärliche Weise ein Kind gebiert, welches alle Welt erlösen soll. In der anderen ein kleines Fläschchen geweihtes Öl, das in der größten Not – ebenso unerklärlich – statt einem acht Tage lang reicht.
Die Geschichte hinter Chanukka
Im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gab es einen Aufstand der Makkabäer gegen das Seleukidenreich und den damit verbundenen hellenistischen Einfluss auf das Judentum. Dabei wurde der Zweite Tempel von ebendiesen Einflüssen bereinigt, beispielsweise der Altar zu Ehren des griechischen Gottes Zeus entfernt, und wiedereingeweiht.
Die Menora im Tempel sollte niemals erlöschen, allerdings wurde ausschließlich geweihtes Olivenöl für sie verwendet und nach den kämpferischen Auseinandersetzungen war nur noch eine vom Hohepriester versiegelte Flasche übrig geblieben. Diese Menge hätte höchstens für einen Tag gereicht, wohingegen die Herstellung von neuem geweihten Öl acht Tage benötigt. Doch wie durch ein Wunder reichte das Öl dann doch acht Tage.
So viel zur Geschichte. Ob es sich tatsächlich um ein göttliches Wunder handelte oder sich lediglich jemand mit der Ölmenge verrechnet hatte, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Doch daraus abgeleitet haben sich diverse Bräuche, um diesem “Ereignis” zu gedenken.
Die Chanukkia
Da die Menora, der siebenarmige Leuchter, außerhalb eines Tempels wohl nicht entzündet werden darf, wurde stattdessen die Chanukkia erfunden: Hier handelt es sich um einen acht- oder neunarmigen Leuchter. Das Fest dauert acht Tage an. Für jeden Tag des Wunders wird ein Licht entzündet. Falls es sich um einen neunarmigen Leuchter handelt, repräsentiert der neunte Arm den Diener, der alle anderen Lichter entfacht. Die Flammen werden nach dem Entzünden nicht mehr angerührt, sondern brennen ab. Traditioneller Weise wird in Anlehnung an die Geschichte Olivenöl verwendet, mittlerweile sind Kerzen oder, insbesondere an öffentlichen Plätzen, elektrisches Licht, üblich.
Die Zeremonie findet normaler Weise um Sonnenuntergang herum statt und wird von Gebet und Gesang begleitet. Als säkularer Haushalt verzichten wir darauf ebenso wie auf eine Chanukkia. Stattdessen nutzen wir einfach eine erhöhte Kerze sowie acht weitere.
Ölige Speisen
Ebenfalls in Anlehnung an die Geschichte, sind während Chanukka frittierte Speisen üblich, wie ich bereits während meines Erfahrungsberichts aus meinem Auslandsstudium berichtete. Feste soll man ja so feiern, wie sie fallen. Entsprechend haben wir während der Festtage auch überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei, von unserem gewohnten Speiseplan abzuweichen, und uns täglich eine kleine Köstlichkeit zu gönnen.
Inwiefern wir heuer selbst Latkes und Sufganiot zubereiten, steht noch in den Sternen. Zwischenzeitlich nutzen den Brauch als Anlass, uns durch das Menü unseres hiesigen Donut-Cafés des Vertrauens zu futtern.
Dreidel, Dreidel, Dreidel…
Jüdischen Kindern erhalten zu Chanukka Schoko-Münzen, die sie dann als Einsatz beim Dreidel-Spielen verwenden. Beim Dreidel handelt es sich um einen Kreisel mit vier flachen Seiten. Auf diesen steht je ein Buchstabe des Akronyms שהנג. Ausgeschrieben heißt das שם היה נס גדול [sham haya nes gadol], zu Deutsch: “Dort geschah ein großes Wunder.”
Es haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Spiele mit den Kreiseln entwickelt:
- Das Glückspiel wird in einer Gruppe gespielt. Es gibt einen Pool an Schoko-Münzen. Eine Person dreht den Dreidel. Je nachdem, welcher Buchstabe oben liegt, wenn der Dreidel zum Erliegen kommt, handelt sie entsprechend, bevor die nächste Person an die Reihe kommt:
- ש Gib alle Schoko-Münzen an die nächste Person in Spielrichtung.
- ה Nimm die Hälfte der Schoko-Münzen aus dem Pool.
- נ Nimm alle Schoko-Münzen aus dem Pool.
- ג Gib alle deine Schoko-Münzen in den Pool.
- Das Wettspiel kann mit einer beliebigen Mehrzahl an Personen gespielt werden. Auch hier gibt es einen Pool an Schoko-Münzen, welche sie als Wetteinsatz nutzen. Tritt die eigene Vorhersage, welche Seite des Dreidels oben aufliegt, ein, gewinnt man. Sonst verliert man – bis zum Schoko-Bankrott.
- Last Dreidel standing suggeriert bereits, dass es darum geht, wessen Dreidel als letzter stehen bleibt. Gespielt wird zu zweit gegeneinander. Auf ein Signal versehen beide Teilnehmende ihre Dreidel gleichzeitig mit Schwung, sodass sie auf einer Oberfläche rotieren. Dreht sich der eigene Dreidel länger als der andere, gewinnt man eine Münze. Wirf der eigene Dreidel den “gegnerischen” um, gibt es sogar zwei.
Damit lässt sich sogar eine abendfüllende Dreidel-Olympiade veranstalten. Einen Riesen-Spaß – übrigens nicht nur für Kinder.
Hast du schon mal Chanukka, Weihnukka oder ein anderes fusioniertes Fest gefeiert?
Alles Liebe
Philipp
Gbi
15/12/2020 — 16:15
Was für eine wunderbare Wortkreation! So ein Tag kann dann einfach nir Spaß machen. Und es war interessant, etwas mehr über Chanukka zu erfahren. Letzlich hat beides mit Licht und lecker essen zutun. Euch Beiden eine schöne Zeit! 🎄 🎄 🕯 🕯 🕯 🕯 🕯 🕯 🕯 🕯
Gabi
15/12/2020 — 16:16
zickt jetzt meine Tastatur oder meine Konzentration 🤔 🤣
Philipp
15/12/2020 — 22:14
Hallo Gabi,
da hast du Recht! Die Wortkreation entstammt allerdings nicht meiner Feder. :)
Kleiner Hinweise am Rande zu Tastatur und Konzentration:
Im modernen Hebräisch würde man deinen Namen tatsächlich lediglich durch die hebräischen Äquivalente für G (ג), b (ב) und i (י) schreiben, da die Vokale zumeist überhaupt nicht ausgeschrieben werden. Das verkürzt Schrifttext ungemein. Dein Name sieht dann so aus: גבי – Bei längeren Namen wird das freilich deutlicher. :)
Wir wünschen dir auch eine schöne und allem voran erholsame Zeit!
Lieber Gruß
Philipp