Das Fest des Friedens und der Liebe – wie könnte da Unruhe aufkommen? Innerlich kommt sie bei mir jedes Jahr pünktlich zum Dezember. Doch damit ist jetzt Schluss.
Mein weihnachtlicher Werdegang
Als Kind war ich total begeistert von Weihnachten – wer ist das in dem Alter schon nicht, wenn man mit Geschenken bestochen wird? (An alle Kinder, die meinen Blog lesen: Seid gewarnt. Es ist eine Falle!) Später im Jugendalter entwickelte ich große Sympathien für die mit Weihnachten verbundene Nostalgie und, da ich mich am christlichen Glauben versuchte, feierte ich natürlich Jesu Geburt.
In meinen 20ern war es damit rasch vorbei, denn ich machte mich frei von Religion und lehnte damit einhergehend auch religiöse Feste wie Weihnachten ab. Ich wollte damit schlicht und ergreifend nichts mehr zu tun haben. Das hatte mehrere Gründe:
- Ich konnte mich nicht mehr mit Religion identifizieren, weil ich mich verbiegen müsste, um reinzupassen. Darauf habe ich aber keine Lust.
- Wie ironisch ist es bitte, dass Kinder erfahren, dass der Weihnachtsmann gar nicht existiert und direkt im Anschluss von Erwachsenen das nächste Märchen als Tatsache aufgetischt bekommen? Getreu dem Motto: “Ja, den Weihnachtsmann haben wir uns nur ausgedacht, damit du spurst. Aber Gott gibt es wirklich!”
- Mit dem christlichen Glauben hat das Weihnachtsfest heute nicht mehr wirklich etwas zu tun, sondern vielmehr mit Konsum: Sei es in Form von Weihnachtsmärkten, Geschenken oder Festessen.
- Es geht mir gehörig auf die Nerven, dass man im “ach so fortschrittlichen und liberalen” Deutschland zu christlichen Feiertagen genötigt wird, weil diese als staatliche Feiertage besonderen Schutz genießen. Angehöriger anderer Glaubensgemeinschaften oder Ungläubige werden so systematisch benachteiligt.
Weihnachten ist kein abendländisches Kulturgut
Ein Großteil der Traditionen, die wir heute mit Weihnachten verbinden, entstammen eigentlich den Bräuchen anderer Kulturen: An Chanukka, dem jüdischen Fest zum Gedenken des Wunders am Öltempel, liegt auch ein Wunder zu Grunde, das Hoffnung in der dunkelsten Zeit des Jahres stiften soll. Schon die Germanen holten sich zur Wintersonnenwende einen Baumstamm ins Haus und zündeten diesen an. Und auch zum Julfest fand schon in vorchristlicher Zeit ein Gelage statt – was heute in den meisten Familien auch noch der Fall sein dürfte. Zu Hause warten Spekulatius, Plätzchen und Lebkuchen, deren Geschmack nicht unwesentlich durch exotische Gewürze bestimmt wird. Die Geschenke sollen an den Bischof Nikolaus von Myra erinnern. Auf ihm basiert auch der Weihnachtsmann. Das nostalgische Element entstammt vor allem der Idee, dass früher doch irgendwie noch alles besser war, auch wenn Charles Dickens Romane dem deutlich widersprechen dürften. Trotzdem sehen wir uns nach der guten, alten Zeit des viktorianischen Zeitalters, wo alles weniger hektisch, weniger digital und weniger verdorben schien. Dazu noch etwas Schnee, damit wir den kalten Temperaturen wenigstens etwas Schönes abgewinnen können, wenn da nicht der Klimawandel wäre, den wir mit unserem überbordenden Konsum verursachen.
Das allerdings auch nur in unseren mittel-/nordeuropäischen sowie nordamerikanischen Kreisen. Während wir uns über die milden Temperaturen aufregen, kann einer meiner Freunde aus Argentinien überhaupt nicht nachvollziehen, wie wir Weihnachten nicht bei Sonnenschein am Pool verbringen können. In Südeuropa werden zu Weihnachten komplett andere Speisen verzehrt. Das zeigt schon, das die Feiertage das sind, was wir draus machen. Also gestalte ich mir auch diese selbst, so wie ich ohnehin schon alle meine Feiertage gern selbst bestimme. Wie genau entsteht also der Winterfestzauber für mich?
Ich tu, was mir gefällt
Auch wenn ich öffentliche Feiertage religiösen Ursprungs am liebsten in frei wählbaren Urlaub umwandeln würde, liegt das außerhalb meines Machtbereichs. Es bringt also nichts, dagegen anzukämpfen, denn ich werde diesen Kampf nicht gewinnen, aber meine Energie ohne Ergebnis darin investieren. Was ich aber mit sofortigem Ergebnis ändern kann, ist wie ich die Feiertage verbringe.
Wie die anderen Weihnachten feiern ist mir im Prinzip auch egal. Mein Grund liegt darin, dass die Tage ab dem 21. endlich wieder länger werden. Entsprechend zeitig fange ich mit dem feiern auch schon an. Dabei sind die Feiertage mehr für mich, als nur ein Festmahl nach dem anderen – auch wenn sie dazugehören. Alles in allem, ist das Winterfest für mich wohl der Inbegriff von hygge – oder um es mit den Wortes meines israelischen Freundes zu sagen: Plätzchen, Tee und Musik. Ein paar der Zutaten sind bereits angeklungen:
- Entschleunigung
Kurz vor Jahresende wollen alle noch mal alles – so schnell wie möglich. Für Besinnlichkeit bleibt da selten Raum. Umso mehr hilft es, für die Feiertage bewusst keine Pläne zu schmieden und einfach in den Tag hineinzuleben. Wann kommt man sonst schon mal dazu? - Zeit mit Familie und Freunden
Ganz im Sinne der Entschleunigung hetzt man bestenfalls nicht von einer Verabredung zur nächsten, sondern nimmt sich Zeit für die Liebsten und richtet den Fokus einfach mal nur auf sie. - Wandern
Um das Winterwunderland bestaunen zu können, gehe ich am liebsten raus und bewege mich – auch wenn es nicht überall glitzert. Im Alltag passiert das insbesondere im Winter viel zu selten, denn allzuoft geht man im Dunkeln auf Arbeit und kommt im Dunkeln nach Hause. Grund genug also, um sich während der Feiertage umso mehr Tageslicht auszusetzen, beispielsweise beim Boofen in der sächsischen Schweiz. So bekommt mir auch der nächste Punkt besser. ;) - Gut essen
Wahrlich habe ich noch kein Fest erlebt, bei dem es nicht ein Festmahl gegeben hätte. Tipp, damit die so leckere Kost nicht zum eigentlich Event bereits zum Hals raushängt: Einfach mal warten, bis der Feiertag eintritt, anstatt sich bereits damit vollzustopfen, sobald die Supermärkte Lebkuchen und Co. anbieten. Wenn man selbst bäckt, kann man in den meisten Rezepten übrigens statt Zucker Xylit verwenden. Dann wird es auch nicht so ungesund. Und wie so oft gilt auch hier, dass es sich in Maßen besser genießt als in Massen. Und wer sich Zeit nimmt, (gegebenenfalls sogar selbst zu kochen,) genießt in der Regel besser. - Nostalgie
So richtig festlegen, was Nostalgie für dich bestimmt kann ich natürlich nicht. In meinem Fall beinhaltet es: Viel analog leben, Wärme, altes Zeug, Spiele und Musik – in meinem Fall also epische Filmmusik und säkulare Feiertagslieder, gern auch etwas barocker.
Fällt dir daran etwas auf? Im Grunde feiere ich genauso wie alle anderen auch. Denn die eigentlichen Bestandteile von Familienfesten sind in allen mir bekannten Kulturen die gleichen und in Summe doch recht egozentrisch, denn ich tue ja, was mir gefällt. In diesem Zusammenhang sind mir noch drei weitere Dinge augefallen:
- Es gibt Dinge, gegen die es nicht lohnt, zu kämpfen. Effektiver gestaltet es sich, einfach selbst vorzuleben, wie es besser geht. Du sträubst dich dagegen, wie verschwenderisch die Feiertage in Europa ausfallen? Dann lass den Weihnachtsbaum weg, gönn deiner Familie ein Veggie-Bio-Essen und bereite zur Abwechslung mal nur so viel zu, wie auch tatsächlich gegessen werden wird. Glaube mir, wir werden alle satt.
- Geschenke sind mir gar nicht mehr wichtig, denn das größte Geschenk, das wir haben, ist die gemeinsame Zeit.
- All das Drumherum um die Feiertage ist mehr Luxus, als ich mir eingestehen mag. Auch wenn ich diesen maßlosen Konsum ablehne, ist allein die Tatsache, dass ich mich dazu frei entscheiden kann, ein Indiz dafür, wie privilegiert ich lebe. Andere Menschen haben diese Wahl leider gar nicht erst, müssen trotz Feiertagen arbeiten oder haben womöglich keine Möglichkeit mehr, im Kreis der Liebsten zu feiern. Und diese Menschen sind womöglich gar nicht so weit weg in der nächsten Großstadt wie wir glauben mögen, sondern in unserem unmittelbaren Umfeld. Ich möchte jetzt aber gar kein schlechtes Gewissen machen, sondern nur in Erinnerung rufen, dass Freude und Liebe größer werden, je mehr man sie teilt.
In diesem Sinne wünsche ich frohe Feiertage voller Liebe, Freude und Friedlichkeit.
Alles Liebe
Philipp