Zwischen Retro und Zukunft

Heute unternehmen wir einen kleinen Ausflug in die Welt des Designs. Zur Zeit übertreffen sich diverse Tech-Unternehmen nämlich wieder gegenseitig in ihren Produktpräsentation, um die treue Kundschaft für das anstehende Feiertagsgeschäft bei der Stange zu halten. Da ich mich sowohl für Design als auch für neue Technologien interessiere, verfolge ich solche Events seit geraumer Zeit. Dabei hege ich stets die Hoffnung auf Ankündigungen von Geräten oder neuen Funktionen, die ich seit Jahren herbeisehne. Doch – leider nicht zum ersten Mal – bekomme ich den Eindruck, dass alte Klassiker wiederaufgewärmt werden.

Dem Internet sei Dank können Unternehmen mittlerweile auch ohne aufwändige Befragungen herausfinden, was ihre Kundschaft eigentlich möchte. Durch die zunehmende Demokratisierung können wirklich nahezu alle Menschen ihre Meinung im Netz kundtun. Das geschieht mittlerweile auch abseits von Produktbewertungen in Online-Shops, namentlich in Blogs, Foren und natürlich auch auf YouTube.

Insbesondere bei Unternehmen, deren Image als besonders fortschrittlich gilt oder die mehrfach ganze Branchen umgekrempelt haben, gibt es natürlich einen Ruf zu verlieren. Entsprechend lassen die Tech-Unternehmen keine Chance aus, um zu betonen, wie zukunftsweisend ihre neuen Produkte seien. Zweifelsohne betrachte ich so manche technische Errungenschaft als bewundernswert. Doch oft wünsche ich mir, man hätte mal noch einen Schritt weiter gedacht. Schließlich tue ich das doch auch!

Funktion

Zum Beispiel verstehe ich überhaupt nicht, wieso es mitunter Jahre dauert, bis eine Funktion es von einem Gerät in ein anderes schafft. Seit mittlerweile vier Jahren können öffentlich erhältliche Smartphones mittels 3D-Gesichtserkennung entsperrt werden. Doch bei Laptops und All-In-One-Desktoprechnern? Fehlanzeige! Dabei wäre es doch auch abseits von Sicherheitsaspekten praktisch: Du setzt dich vor einen Rechner, er erkennt dein Gesicht und loggt automatisch den entsprechenden User-Account ein.

Oder bei Kameras: Hier haben die Entwickler*innen große Konkurrenz seitens Smartphones bekommen. Insbesondere weil letztere zumindest ein jährliches Update erhalten und in entsprechend rasantem Tempo weiterentwickelt werden, gewinne ich bei Geräten, deren alleinige Funktion in Fotografie besteht, den Eindruck, dass die Innovation hier zum Erliegen gekommen ist. Oder wann war das letzte Mal, dass Kameras ein wirklich zukunftsweisendes Update erhalten haben, das den Namen auch wirklich verdient?

Form

Von Displaytechnologien und Bildwiederholraten möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Sehr wohl aber vom Äußeren eines Displays: In jüngeren Jahren wurde viel mit biegbaren Bildschirmen und organischen Formen experimentiert. Abgerundete Ecken liegen im Trend und ergeben auch ein organischeres Gesamtbild, wenn das Gehäuse ebenfalls abgerundete Ecken besitzt. Davon kann man sich in der folgenden Darstellung auch gern selbst überzeugen:

Links: eckiges Display in eckigem Gehäuse. Das sieht zwar klobig aus, folgt visuell aber den selben Regeln. Mitte: eckiges Display in Gehäuse mit abgerundeten Ecken. Das mutet eleganter an, ist in seiner Form aber nicht konsequent. Rechts: Display mit abgerundeten Ecken in Gehäuse mit abgerundeten Ecken. Elegante Ästhetik und Konsequenz in der Form. Da stellt sich doch zwangsläufig die Frage, warum nicht längst alle Displays mit abgerundeten Ecken hergestellt werden, wo es doch technisch möglich ist und auch noch dem Auge anmutet.

Im dreidimensionalen Raum kann man übrigens noch ein Phänomen beobachten: Die ersten Smartphones besaßen nicht nur abgerundete Ecken, sondern auch abgerundete Kanten. Anfang der 2010er Jahre wurde dann bei Apple auf flache Kanten umgeschwenkt – ein Wechsel, der sich auch beim Klientel äußerst großer Beliebtheit erfreute und gewissermaßen zum Markenzeichen wurde. Nach vier Generationen folgte dann wieder ein Wechsel zu runden Kanten, jüngst erneut der Schritt zu abgeflachten – und das nur bei den Smartphones. Schaut man sich die komplette Produktpalette an, ergibt sich ein Mischmasch in der Designsprache, denn einige aktuelle Produkte werden mit flachen Kanten veröffentlicht, andere nicht.

Während meiner Studienzeit in Dresden lehrte uns unser Professor für Gestaltung, Rainer Groh, dass ein einfaches Hilfsmittel, um alte Technik als ein Novum zu verkaufen, darin besteht, einfach das Gehäuse “rundzulutschen”. Denn runde Formen wirken aerodynamisch, modern und schnell. Achte mal darauf.

Letztlich bleibt natürlich wichtig, dass die Form der Funktion folgt und nicht umgekehrt. Entsprechend verdient jedes Produkt sein eigenes Design. Dennoch freut es mich immer ungemein, wenn ich bei Unternehmen eine einheitliche Designsprache vorfinde.

Farben

Um etwas neu erscheinen zu lassen, braucht es übrigens nicht immer ein neues Gehäuse. Manchmal tut es auch einfach ein neuer Farbanstrich. Die Textilindustrie lebt uns das im großen Maßstab vor und zeigt uns damit auch direkt eine Schwachstelle auf: Oft verkommen Farben zum temporären Trend. Darin liegt auch einer der Gründe, weshalb ich mich jahrelang jeglichen Farben in meiner Garderobe verweigert habe.

Richtig eingesetzt können Farben natürlich auch zeitlos sein – vorausgesetzt man sieht sich an ihnen nicht satt. Insofern überrascht es mich, dass immer mehr Unternehmen knallige Farben für ihre Gehäuse verwenden und so technische Geräte, die eigentlich über Jahre hinweg genutzt werden sollten, zu kurzlebigen Modeobjekten verkommen. Natürlich leuchtet allen ein, dass Unternehmen davon profitieren, wenn die Kundschaft häufiger neue Geräte kauft, weil die bisherigen alt erscheinen, obgleich sie noch tadellos funktionieren.

Deshalb gilt: Augen auf beim Farbenkauf!

Nostalgie und Fortschritt – Ein Widerspruch?

Während so manche Unternehmen den Balanceakt zwischen einem Revival von Produktmerkmalen vorangegangener Goldener Ären und zukunftsweisenden Innovationen wagen, frage ich mich auch, wo ich selbst stehe. Schließlich ertappe ich mich selbst oft genug dabei, dass ich nostalgisch gegenüber älteren Produkten bin und oft nicht zur neusten Generation greife, weil mir die alte mehr zusagt (und wesentlich günstiger ist). In der Werbung versteht man sich darauf, stets mit dem Neusten vom Neuen Begehrlichkeiten beim Klientel zu wecken. Bewusst zu hinterfragen, ob hier wirklich etwas angepriesen wird, das unseren Alltag erleichtert, oder ob es dasselbe, was wir bereits haben, in neuer Verpackung ist, hilft ungemein bei der Vermeidung von Frust.

Denn letztlich verhält es sich doch so:

  • Alles, was wir kaufen, kostet Geld, welches wir gegen Lebenszeit ausgetauscht haben. (Insofern man nicht über ein passives Einkommen verfügt…)
  • Alles, was wir haben, möchte gepflegt, gewartet und nicht zuletzt auch benutzt werden (Wofür haben wir es sonst?), was uns ebenfalls Lebenszeit kostet.
  • Alles zusammen übersteigt schnell die Zeit, die wir täglich zur Verfügung haben.

Somit stellt sich die Frage: Wofür noch ein weiteres Gerät mit derselben Funktionalität?

Als technikaffiner und -begeisterter Mensch mit Vorliebe für Analoges befinde mich hier selbst immer wieder im Zwiespalt. Einerseits bin ich offen für Neues und leidenschaftlich für Digitales, andererseits liebe ich Papier, Retro und die Tage, an denen ich einfach mal den Stecker ziehe. Entsprechend können bei mir Kaufentscheidungen schon mal ein paar Jahre dauern. Ja, das meine ich ernst.

Wie tickst du bei Technik? Greifst du lieber auf Altbewährtes zurück oder bist du beim Early-Adaptor-Zug ganz vorn mit dabei? Teile es gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

6 Kommentare

Antworten

  1. Diese grauen PC-Kisten mit den gefühlt tausend Kabeln fand ich immer schon grotten hässlich.
    Trotzdem: Early-Adopter: Nein, bloß nicht. Ist mir zu teuer und ich bin nicht bereit, letztlich als Testerin zu fungieren. Denn nicht nur, dass es so viel neues in neuen Produkten tatsächlich nicht gibt, sondern dass die Gefahr höher ist, dass diese unausgereift und mit Fehlern behaftet auf den Markt kommen.
    Beim digitalen Apfel nutze ich die SE-Variante – gekauft als neuwertiges Gebrauchtgerät. Verkürzt gesagt, älteres Design mit neuerer Technik drin. Bei mir: Form vom Apfel 8 mit Technik von Apfel 11. Wäre nicht meine Höreinschränkung, würde ich irgendein 0815-Gerät verwenden, Hauptsache, die Technik funktioniert erstmal.

    • Hallo Gabi,

      da ticke ich ähnlich. Mit dem Handy handhabe ich es genauso – nur bin ich noch auf einer älteren Generation.

      Hauptsache, die Technik funktioniert erstmal empfinde ich hingegen nicht so. Denn ich möchte nicht nur, dass sie einfach nur funktioniert, sie soll vor allem für mich funktionieren und mir Arbeit erleichtern oder gar komplett abnehmen. Aber als Tester möchte ich auch nicht fungieren. Denn was will ich mit Technik, die bereits nach wenigen Jahren nicht mehr unterstützt wird und dann vor sich hin vegetiert?

      Lieber Gruß
      Philipp

  2. Ich hänge immer sehr lange an meinen Geräten, die müssen schon kaputt und nicht mehr zu reparieren sein, oder wie zuletzt beim IPad Air erste Generation nicht mehr mit Updates versorgt sein. Das IPad hat mir aber sieben Jahre treue Dienste geleistet und lebt jetzt beim Mann noch weiter, denn für Musik abspielen geht es ja noch. Für mich musste leider ein neues her und da hab ich dann das neueste IPad Air vierte Generation genommen, in der Hoffnung das es auch wieder lange Jahre Updates bekommt. Wenn das alte weiter Updates bekommen hätte, so das meine Apps die ich damit nutze weiter funktioniert hätten, dann hätte ich kein neues geholt.
    Ich brauch nicht die neuesten Techniken wenn die die ich habe funktional bleiben bin ich zufrieden :-)

    • Hallo Aurelia,

      diese Angst vor dem Versiegen von Updates treibt mich auch um. Trotzdem kaufe ich selten die neuste Hardware. Ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass es bald gesetzliche Richtlinien gibt, die garantieren, dass Geräte auch langfristig unterstützt werden. Gerade für so triviale Tätigkeiten wie das Surfen des Internets, Textverarbeitung und Tabellenkalkulationen kann ich nicht nachvollziehen, warum ältere Hardware da nicht mehr mithalten können soll.

      Alles Liebe
      Philipp

      • Oh ja, das wäre mir auch die liebste Lösung.
        Denn die Hardware ist ja äußerst selten das Problem, die geht nicht einfach kaputt, zumindest bei mir bisher nicht :-)
        Mein Laptop z.B. ist gut dreizehn Jahre alt und läuft nach wie vor sehr gut.
        LG Aurelia

        • Wow, dreizehn Jahre sind wirklich ein stattliches Alter. Meine Hardware weist schon regelmäßig Abnutzungserscheinungen auf, aber es erfüllt mich auch immer wieder, da noch einmal etwas zu reparieren oder auszutauschen, um die Lebensdauer zu verlängern. So auch bei meinem Laptop, der im Alter von sieben Jahren immer noch läuft wie nach Neukauf – auch wenn man ihm von außen das Alter schon ansieht. Aber er ist ja auch schon echt in der Welt rumgekommen, also auch nach der Produktion. ;)

          Lieber Gruß
          Philipp

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