Zum Kürzesten Tag des Jahres, jeweils am 21. Dezember, gehe ich gern mit Freunden boofen. Was das ist und was ich dabei gelernt habe, liest du hier.
Da ich beim Fallen des Wortes boofen häufig ratlose Gesichter sehe, erkläre ich es kurz: Gewöhnlich ist es nicht gestattet, in Nationalparks zu kampieren. Anders ist das an gekennzeichneten Stellen im Nationalpark Sächsische Schweiz. In einer sogenannte Boofe ist es gestattet, unter freiem Himmel zu nächtigen.
Update April 2020: Diese Ausnahmeregelung gilt allerdings nur in Kombination mit Ausübung des Klettersports! Sie wurde ursprünglich zur Erhaltung der Traditionen des lokalen Klettersports konzipiert. Wenn nun alle Reisenden in der Sächsischen Schweiz unter freiem Himmel campieren würden, hätte die hiesige Fauna keine Ruhe mehr. Das ist natürlich nicht im Sinne der Sache. Deshalb der Appell an alle Nicht-Kletternden: Nächtigt bitte in einer der Unterkünfte oder auf einem Zeltplatz, falls ihr unter freiem Himmel übernachten möchtet. Andernfalls könnte die Erlaubnis zum Boofen künftig wieder entzogen werden.
Der Begriff selbst entstammt dem umgangssprachlichen pofen (‘schlafen’). Ein wenig hiesiger Dialekt (Konsonanten aufweichen, Vokale langziehen) und tadaaa, plötzlich ist die Bedeutung ganz klar, oder?
Seit meiner Studienzeit in Dresden, ist die nahegelegene Sächsische Schweiz ein beliebtes Ausflugsziel für uns: Malerische Landschaften, zahlreiche Möglichkeiten zum Klettern und Wandern, sowie eine gemütliche Urigkeit locken auch heute noch immer wieder. Vor wenigen Jahren kamen wir schließlich auf die Idee, den kürzesten Tag des Jahres im Freien zu zelebrieren. Fortan sollte dies zu einer neuen Tradition werden.
Das ist natürlich davon abhängig, ob ich überhaupt zu gegen bin. Das Wetter spielt freilich auch eine Rolle. Kälte ist nicht schlimm. Feuchtigkeit schon. Einmal waren wir zwar bereit, die Gegend aber so verregnet und wir bereits krank. Das kann nicht nur gefährlich werden, sondern macht dann auch kaum Spaß. Und der soll ja auch nicht zu kurz kommen. ;)
Gelernt habe ich während der winterlichen Nächte im Freien bisher jedes Mal. Im Folgenden gebe ich meine fünf Hauptpunkte wieder.
Im Winter im Freien klettern – keine so gute Idee…
‘Nur die Harten kommen in den Garten’, sagt man so frei. Das denken wir uns zunächst auch, wenn es an das Klettern geht. Eine meine wagemutigen Freundinnen wagt euphorisch den Anfang. Nach kurzer Zeit schmerzen ihre Hände und sie verkrampft.
Die Felsen sind nicht nur eisübersät, sondern ziehen förmlich die Wärme aus den Fingern. Klettern mit Handschuhen klappt nicht so recht und Pickel hauen wir natürlich auch nicht in die Wand. Also lassen wir das lieber.
Winter bedeutet Ruhe
Kaum Farbe, kürzere Tage, kühle Temperaturen – das ist Winter. Damit einher kommt eine große Ruhe in der Natur, der wir uns in Städten häufig entziehen. Während in der Natur viele Arten Winterruhe halten, lässt das unsere Arbeitswelt nur bedingt zu. Und nicht zuletzt setzen sich viele Menschen jährlich zur Winterzeit großem Stress aus, wenn es um Feierlichkeiten und Geschenke geht.
In der Natur geschieht das Gegenteil. Sowohl visuell, als auch auditiv kehrt Ruhe ein, wenn Schnee die Landschaft bedeckt. Wie bei weißen, leeren Flächen in Räumen sorgt die weiße Decke auch in der Natur für Ruhe und weniger Ablenkung. Außerdem schluckt die hohe Oberfläche des Schnees viel Ton.
Während mich die Dauerreizüberflutung der Zivilisation oft beansprucht, gewinne ich in der Natur Abstand. So viel Bedeutung ich vielen Dingen sonst auch beimesse; draußen werden sie plötzlich bedeutungslos. Erreichbarkeit wird zur Nebensache, wenn der Funk ohnehin weg ist. Termine interessieren neben Menschen niemanden. Und wie ernst ich mich selbst nehme auch nicht.
So merke ich, wie klein und bedeutungslos ich im Zusammenspiel des Kosmos eigentlich bin. Und bin dankbar dafür, dass ich trotzdem da sein darf.
Eine Nacht kann lang sein
Das gilt besonders für die längste Nacht des Jahres! Tag für Tag sind wir es gewohnt, bei Dämmerung einfach das Licht einzuschalten und so die Nacht künstlich zum Tag zu machen. Wenn man jedoch draußen bleibt, fernab jeglicher Straßenbeleuchtung, ist es ruck zuck zappenduster.
Selbstverständlich nehmen wir Taschenlampen mit. Doch bei Minusgraden im Dunkeln an Felsen zur richtigen Boofe zu kraxeln, ist leichtsinnig. Umso wichtiger ist es, vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Und der ist am 21.12. bereits 16:00. Aufgrund übermüdeter Vornächte bin ich dann auch direkt nach Einrichten des Feldbettes um 17:00 eingeschlafen. War ja ohnehin dunkel. Und wenn es dann noch so wohlig warm um einen herum ist… Zzz…
Als ich, noch ohne den Hauch eines Tageslichts, aufwache, erhasche ich auf meinem Handydie Uhrzeit und erschrecke mich prompt: Erst 23:00. Und keine Spur von Müdigkeit. Wie um alles in der Welt werde ich jetzt die übrigen sieben Stunden bis zum Morgen rumbekommen?
So liege ich da. Wach. Minute. Um Minute. Und lausche, was in der Finsternis um mich herum geschieht.
Vielleicht sollte ich das Licht abends einfach mal aus lassen?
Wir haben uns weit von der Natur entfernt
Dass wir in der Nacht nicht erfrieren, verdanken wir lediglich unserer Ausrüstung. Menschen haben kein Fell mehr. Die Zeiten, in denen wir Wild für Fell erlegt haben, sind auch vorbei. Von Essen ganz zu schweigen. Leider sind wir keine Eichhörnchen, die hier und da etwas vergraben haben.
Entsprechend sind wir auf die Lebensmittel angewiesen, die wir uns mitgebracht haben. Schon seltsam, dass es uns einerseits in die Natur zurückzieht, wir aber andererseits Annehmlichkeiten aus der Zivilisation mitbringen (oder die grandios-köstlichen Backwaren der Mühlenbäckerei zu Schmilka in der warmen Raststube genießen).
So oder so sieht es im Winter in der Natur mit Nahrung für uns Menschen schlecht aus, für Vegetarier besonders. Liegt da nicht der Verdacht nahe, dass Sesshaftigkeit gar nicht von der Natur vorgesehen ist und wir eigentlich als Nomaden konzipiert sind? Wenn man sich die Geschichte anschaut, ändern Menschen ihren Standort immer dann, wenn eine Umgebung nicht mehr genug hergibt. Warum also nicht im Winter wie Zugvögel gen Süden?
Vielleicht werden wir wir eines Tages genauso verfahren, wenn die Erde aufgebraucht ist, und ziehen auf den Mars oder einen vierzig Lichtjahre von uns entferntenPlaneten.
Wir hinterlassen Spuren
Das gramt mich wiederkehrend, besonders wenn sie in Form von Müll in vorzufinden sind. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Menschen ihn mutwillig zurücklassen. Weiterhin sind offene Feuer in Nationalparks untersagt. Trotzdem finden wir immer wieder Kohlereste.
Der Nationalpark macht bewusst darauf aufmerksam und fordert sogar dazu auf, den Müll anderer mitzunehmen. Ich mache das auch immer wieder, denn leider wird nach wie vor mehr Müll zurückgelassen als mitgenommen. Ja, Müll ist eklig. Gerade deshalb gehört er nicht in die Natur. Eines Tages kaufe ich mir deshalb auch mal noch eine Holzgrillzange. :)
Das waren meine Einsichten beim Boofen. Warst du selbst schon mal? Und hattest du ähnliche Gedanken? Lass es uns wissen!
Alles Liebe,
Philipp
widerstandistzweckmaessig
06/03/2017 — 18:52
Hallo Philipp!
Ich habe 2 x bereits für ein Monat im Freien gelebt. Allerdings in Griechenland und im Sommer. Aber auch da ist es so, dass man sich nach dem Licht der Sonne richtet. Wenn es dunkel wird, liegt man in der Hängematte.
Mir gefällt es sehr gut so direkt mit der Natur zu leben, werde ich diesen Sommer auch wieder machen und freue mich jetzt schon darauf!
lg
Maria
Philipp
13/03/2017 — 11:02
Hallo Maria!
Ja, so ein Rückzug in die Natur tut echt gut! Wohin verschlägt es dich dieses Jahr? Wieder nach Griechenland?
Und was mich noch interessiert: Wie wirkt sich das langfristige Schlafen in der Hängematte auf deinen Rücken aus? Hattest du Beschwerden? Vom einzelnen drin-herumlungern in fremden Hängematten fand ich das bisher nämlich immer richtig bequem! Und so eine Hängematte finde ich besonders unterwegs recht praktisch.
Lieber Gruß,
Philipp
widerstandistzweckmaessig
13/03/2017 — 14:17
Hallo Philipp!
Ja, wir haben wieder Griechenland geplant, ich freue mich schon sehr darauf!
Hängematte und Rücken – ich könnte nichts Negatives darüber sagen. Man liegt ja – entgegen der üblichen Meinung – nicht wie ein Kipferl in der Hängematte sondern quer. Dadurch hat man eine gerade recht stabile Liegefläche.
Wir haben mexikanische Hängematten, Bilder hast Du schon gesehen, sonst gib es mal in die Suchmaschine ein. Das sind so bunte Netzhängematten. In Mexiko schlafen ganze Familien in einer Hängematte. Das würde ich zwar nicht aushalten, aber zu zweit haben wir auch schon 2 x geschlafen. Geht schon.
Sie sind recht klein zusammen zu legen und im Verhältnis zu Stoff recht leicht. Herr Widerstand war damit auch schon mehrere Wochen wandernd unterwegs.
Herr Widerstand hat fast 4 Jahre ohne Bett und dafür mit Hängematte gelebt (in der Wohnung quer gespannt). Das ist eine perfekte Lösung für minimalistisches Wohnen!
lg
Maria
Philipp
13/03/2017 — 19:41
Hey Maria,
mexikanische habe ich tatsächlich noch nicht gesehen! Ich bin bisher von denen aus wiederverwendetem Fallschirmstoff recht angetan. Vielleicht probiere ich das eines Tages doch mal aus. :) Danke für deinen Erfahrungsbericht!
Lieber Gruß,
Philipp
PS: Zu zweit stelle ich mir tatsächlich auch nur schlafend bequem vor. ;)