Ist es dafür nicht noch etwas früh? In Europa ja, in Israel nicht. Denn hier beginnt bereits heute (03.10.2016) das neue Jahr: 5777.
In Israel lassen Feiertage nicht lange auf sich warten. Und mit Rosh HaShana, dem jüdischen Neujahrsfest, wird eine Reihe weiterer Feiertage eingeleitet.
Eine kleine Kalenderkunde
Wie du womöglich bereits geschlussfolgert hast, hat das Judentum nicht nur ein eigenes Neujahrsfest, sondern auch einen eigenen Kalender.
Es gibt viel mehr Kalender, als ich dachte! Solar-, Lunar-, und Lunisonarkalender unterscheiden sich nach der Beziehung zwischen Erde und Sonne beziehungsweise Mond oder gar beiden.
In der westlich geprägten Welt wird zumeist der gregorianische Kalender verwendet. Das gilt auch für Deutschland. Die Länge eines Jahres richtet sich nach der Umlaufzeit der Erde um die Sonne, woraus sich auch die Jahreszeiten ergeben.
Der islamische Kalender orientiert sich ausschließlich an den Mondphasen. Ein islamisches Jahr ist etwa 10 Tage kürzer als ein Erdenjahr, weshalb alle muslimischen Feiertage jedes Jahr ein wenig früher stattfinden und so über alle Jahreszeiten hinweg wandern. Der Jahresbeginn liegt heuer zufällig auf dem gleichen Datum wie Rosh HaShana! Entsprechend beginnt heute das Jahr 1438. Muslime feiern jedoch nicht, sondern gedenken und zwar dem Tag, an dem sich ihr Prophet Mohammed von Mekka nach Media aufgemacht hat.
Der jüdische Kalender orientiert sich sowohl an den Mondphasen, als auch an der Umlaufzeit zur Sonne. Ersteres führt ebenfalls zum Wandern der jüdischen Feiertage. Im Gegegensatz zum islamischen Kalender gibt es im jüdischen jedoch Schaltjahre, um die Diskrepanzen zwischen dem Kalender und der Umlaufzeit um die Sonne auszugleichen. Allerdings wird nicht ein Tag zum Jahr hinzugefügt, sondern ein gesamter Monat. Das tritt alle zwei bis drei Jahre ein.
Nach jüdischer Überlieferung ist es der Tag, an dem Adam und Eva das Licht der Welt erblickten. (Ich habe es gerade noch einmal geprüft: Auch, wenn die restliche Reihenfolge nur bedingt Sinn ergibt; Licht kam vor dem Menschen.) Vor 5777 Jahren also gab es die ersten Menschen. Bleibt die Frage, ob die beiden bereits selbst ein Bewusstsein dafür hatten, die Jahre zu zählen? Und ist bei 930 Jahren nicht die Wahrscheinlichkeit recht hoch, sich zu verzählen? Ich habe in jedem Fall meine Zweifel. :P
Während der jüdische Kalender vor allem für Religiöse wichtig ist, da er zur Feier- und Geburtstagsbestimmung genutzt wird, bestimmt der Internationalität halber im Geschäftsleben dennoch der gregorianische Kalender. (Und ja, das heißt, dass religiöse Juden im Grunde zwei Geburtstage haben – einmal nach gregorianischem und einmal nach jüdischem Kalender.)
Rosh HaShana
Der jüdische erste Tag des Jahres heißt wortwörtlich “Kopf des Jahres” und man feiert ihn zwei Tage lang. Das hat zwei Gründe:
- Der Feiertag ist für religiöse Juden von enormer Wichtigkeit (siehe 2.). Allerdings kann man nicht sicher sagen, ob der vorige Monat 29 oder 30 Tage hat, weshalb man, um auf Nummer sicher zu gehen, dass man diesen Tag definitiv mit der Heiligkeit eines Feiertags begeht und Gott nicht durch Fehlverhalten erzürnt, einfach an zwei Tagen das volle Festtagsprogramm abzieht. Für Feiertage gibt es in jüdischen Kreisen nämlich strikte Regeln!
- Im Judentum existiert der Glaube, dass Gott an diesen beiden Tagen alle Menschen richtet und so über ihr Schicksal für das kommende Jahr entscheidet. Das gilt für Juden und Nicht-Juden gleichermaßen. Am ersten Tag spielt er böser Cop und fällt die härtesten Urteile, die die Welt je gesehen hat. Am zweiten Tag ist er dann der gute Milde und revidiert, wenn Menschen Reue zeigen.
Reue ist generell ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang, denn bereits im letzten Monat des Jahres sind jüdische Gläubige angehalten, über ihr Leben zu reflektieren, was sie denn besser machen können. Dennoch ist Rosh HaShana ein freudiges Fest, an welchem sich Juden der Güte Gottes erfreuen. Und das spiegelt sich auch in den Bräuchen wider.
Brauchtum
Ganz freudig werden nämlich die Schofar-Hörner geblasen. Es handelt sich hier sprichwörtlich um Hörner – von Widdern oder Antilopen. Die werden ausgehöhlt und gibt es das ganze Jahr über zu kaufen. Bisher sah ich sie nur, wenn eine Bar Mitzvah in der Altstadt abgehalten wurde. Tatsächlich wäre allein dieses Instrument einen eigenen Beitrag wert!
Wie so oft bei Festen, wird viel gegessen. Und wie bei so ziemlich allem im Judentum, ist auch hier überall eine versteckte Bedeutung zu finden.
Gegessen wird vor allem süß. Denn man wünscht sich ja “ein süßes, neues Jahr”. Sehr beliebt ist in Honig getunkter Apfel und Datteln. Hauptsache süß! Honigkuchen erfreut sich großer Beliebtheit, ebenso wie Zimmes, bestehend aus kleingeschnittenen Möhren mit Honig (erkennst du das Muster?), Rosinen und Zimt abgestimmt.
Möhren werden noch aus einem anderen Grund gegessen: Das hebräische Wort dafür [geßer] klingt so ähnlich wie das Wort für Urteil [gßar]. Und was wünscht man sich? Ein gutes Urteil natürlich! Ein ähnliches Wortspiel rechtfertigt die rote Beete: Der hebräische Wort hierfür ähnelt dem für “von etwas befreien” – in der Hoffnung, dass man im folgenden Jahr frei von allen schlechten Dingen sei.
Quasi das Symbol Rosh HaShanas ist der Granatapfel. Aufgrund der vielen Kerne hofft man darauf, im neuen Jahr ebensoviele gute Dienste zu leisten. Praktischer Weise liebe ich Granatäpfel! Entsprechend kommt mir dieser Brauch nur so Recht.
Anders geht es mir da mit dem Brauch, “von etwas den Kopf zu essen”, mit der Bitte, im beginnenden Jahr “der Kopf von etwas und nicht der Schwanz zu sein”. Vorzugsweise ist das Fisch, den ich ja nicht mehr esse. Ich hatte erst überlegt, Lebkuchenmänner zu backen. Das war mir dann aber zu viel Aufwand.
Stattdessen habe ich mich für den Kuchen entschieden! Allerdings Apfel-Walnuss-Zimt mit Datteln anstelle von Honig. Und dazu Salat mit Karotten, rote Beete und Sharonfrüchten (süß!). Ist ohnehin gesünder. Und was könnte mir ein besseres, neues Jahr bescheren, als auf meine Gesundheit zu achten?
Feierst du das neue Jahr? Und falls ja, nach welchem Kalender? Was sind deine Bräuche? Lass es uns wissen. :)
Alles Liebe,
Philipp