Was?! Diebstahl ohne Bestrafung? Wo gibt’s denn sowas?

Weltweit. Nein, die Rede ist nicht etwa vom Mundraub.

Passend zum Thema Wo ist denn all die Zeit nur hin? geht es natürlich um das Stehlen von Zeit, was in verschiedenen Bereichen unseres Lebens auftritt, namentlich:

  • Besitz
  • Tätigkeiten
  • Menschen

Besitz raubt Zeit

… und zwar mehr, als du vermuten magst. Noch vor dem Besitz steht die Produktrecherche: Welches Modell von welchem Hersteller ist das beste für mich? Im Anschluss suche ich den günstigsten Händler für das Produkt der Wahl. Lesen der elendig langen Bedienungsanleitungen, Pflege, Reinigung und Reparatur… Was irgendwo rumsteht, muss jedes Mal beim Staubwischen erst angehoben werden… All das kostet Zeit. Irgendwann kommt dann Tag, an dem ich es nicht mehr haben möchte, weil es nicht mehr gefällt oder kaputt ist. Also muss ich es entsorgen. Besonders beim letzten Punkt wird bei der Anschaffung oft vergessen, wie zeitintensiv er sein kann.

Glücklicher Weise lassen sich zeitraubende Gegenstände, die keine Freude mehr bereiten oder im Alltag nicht genutzt werden, leicht aus dem Leben entfernen. Das Leidige hierbei: Bemüht man sich im Ansatz um eine sinnvolle Weiter- oder Zweitverwendung, kann das schnell riesige Mengen Zeit verschlingen. Deshalb überlege ich mir im Zweifelsfall lieber zwei Mal, ob und was ich mir anschaffe.

Tätigkeiten brauchen oft mehr Zeit

Dafür ist Tacheles ein Paradebeispiel! Eigentlich wollte ich nach einem Monat fertig sein. Jetzt ist es beinahe zwei Monate später und es läuft noch immer, denn ich will es ordentlich zu Ende bringen. Da es in erster Linie ein Privatprojekt ist, stellt das auch gar kein Problem dar. Aber es spiegelt gewissermaßen ein Muster wieder, das ich oft in meinem Leben wieder finde.

Das hat mich schon mehrmals in eine Zwickmühle gebracht, da ich bereits Zusagen für weitere Projekte gemacht hatte, die sich so zunehmend mehr zeitlich überlagert haben. Da gehen Überblick und Kontrolle schnell verloren!

Um diesen Zustand zu vermeiden, hilft es ungemein, auch hier vor einer Zusage zwei Mal zu überlegen, welche Zeit ich eigentlich zur Verfügung habe und ob dem tatsächlich so ist, oder ich eventuell noch welche verliere, weil andere Projekte länger dauern. Um Bedenkzeit zu bitten, ist oft kein Problem und später zuzusagen ein Leichtes. Anders sieht es aus, wenn ich einmal zugesagt habe und dann später beschließe, dies zu revidieren.

Außerdem äußerst hilfreich: Externe Deadlines. Meiner Erfahrung nach wiegt eine von außen auferlegte Deadline wesentlich schwerer als eine von mir bestimmte und übt somit mehr Druck aus. Beweisstück A: Mein Projekt Tacheles. Es gab einen Moment, in dem ich merkte, dass es doch eigentlich auch ganz OK wäre, wenn ich mir mehr Zeit genehmige. Das weicht den Begriff Deadline komplett auf. Wenn andere Menschen mir eine Frist setzen, ist im Anschluss wirklich Schluss.

Nicht zuletzt gibt es noch all die kleinen Nebentätigkeiten, denen wir uns allzu gern und unbedacht im Alltag hingeben. So viel Neues und wirklich Wichtiges kann an einem Tag doch gar nicht passieren, dass man seine sozialen Medien öfter als zwei Mal täglich checkt, oder? Oder?!

Hier helfen mir feste Rituale und Zeiten, wie beispielsweise einmal vor der Mittagspause und einmal vor dem Feierabend alle Kommunikationskanäle zu checken. Dann bedarf es nur etwas Disziplin für den übrigen Tag, um der Versuchung zwischendurch zu widerstehen. Denn rechnet man mal anhand eines Tages aus, wie viel Zeit eigentlich für all diese Kleinigkeiten in Summe drauf gehen, könnte man locker auch endlich mal das Buch fertig lesen, abends Essen selbst zubereiten oder täglich eine Sporteinheit einlegen. Und wenn diese Kleinigkeiten doch gar nicht so wichtig sind, kann ich mich ja auch komplett von ihnen verabschieden.

Menschen verdienen Zeit

Jede Beziehung zu Menschen möchte aufgebaut und gepflegt werden. Das bedarf Zeit. So schön die Idee von vielen Freunden auch sein mag, realistischer wird sie auch dann nicht, wenn wir noch so viele “Freunde” auf Facebook haben. Da unsere Zeit begrenzt ist, gilt das auch für die Menge an Beziehungen, die wir gleichzeitig führen können, wenn sie nicht nur an der Oberfläche kratzen sollen.

Jeder Mensch verdient Zeit, allerdings kann man sie nur geschenkt bekommen. Sie lässt sich nicht durch geschickte Geschäfte vermehren wie Geld. Allerdings kann man sie sparen. Und das gelingt am besten, indem sie bewusst und gezielt einsetzt.

Viele Unternehmen verdienen indirekt Geld mit unserer Zeit, denn je mehr Zeit wir mit ihren Produkten verbringen, desto verkäufliche Daten oder Werbepublikum gewinnen sie. Oft wird uns unsere Zeit dadurch aber gestohlen, weil besagte Unternehmen sich darauf verstehen, uns in den Bann zu ziehen. Anderen Menschen Zeit zu stehlen, steht zwar in keinem Land dieser Welt unter Strafe, ist aber nach wie vor ein Unding.

An dieser Stelle können sich viele von uns wahrscheinlich an der eigenen Nase kratzen – auch ich mich. Denn während uns unsere eigene Zeit unermesslich wertvoll ist, bedenken wir selten, dass selbiges für andere gilt. Manchmal stiehlt jeder von uns anderen Menschen Zeit, beispielsweise indem…

… man eine unnötige E-Mail schreibt, die von den Empfangenden zugeordnet und entsprechend bearbeitet werden soll.

… man stumpfen, inhaltsleeren Content produziert.

… man Zeit mit Menschen verbringt, die man eigentlich gar nicht mag.

 

Jedes Mal, wenn wir anderen Menschen Zeit stehlen, verschwenden wir letztlich nur unsere eigene. Gegen menschliche Zeitdiebe gibt es nur ein effektives Mittel: Selber keiner mehr sein.

In diesem Sinne halte ich mich knapp und komme jetzt mit folgenden Fragen zum Ende:

Welche Zeitdiebe findest du in deinem Leben? Wie gehst du mit ihnen um? Und wo ertappst du dich selbst dabei, anderen Menschen Zeit zu stehlen?

Alles Liebe,
Philipp

PS: Mundraub gibt es übrigens rechtlich gesehen nicht mehr und wird ebenfalls wie regulärer Diebstahl von Dingen geahndet.