Das Bon-Problem und eine Lösung

Seit nunmehr einem Monat muss ich meinen Restmüllbehälter häufiger entleeren als ich es gewohnt bin, denn es besteht Bon-Pflicht in Deutschland – sehr zum Frust aller Umweltschützenden, vieler Kundschaft und zahlreicher Geschäfte. Was kann man also dagegen und damit tun?

Jahrzehnte hat es gedauert, bis Einzelhandelsgeschäfte und Ketten endlich angefangen haben, zu fragen, ob man denn überhaupt einen Beleg für Einkäufe haben möchte, bevor sie ihn ausdrucken. 2016 wurde die Belegpflicht beschlossen, um künftig Steuerhinterziehung entgegenwirken zu können. Drei Jahre lang fiel darüber in der Öffentlichkeit kein Wort. Er kurz vor dem Inkrafttreten der neuen Abgabenordnung wurden plötzlich Wirtschaft, Politik und Aktivist.innen darüber laut. (Wer hätte gedacht, dass diese drei Gruppen einmal an einem Strang ziehen würden?)

Ich selbst war sehr froh darüber, dass in einigen Unternehmen endlich ein Umdenken zu vernehmen war: Bons wurden nicht mehr ohne Sinn und Verstand ausgedruckt, sondern es wurde in manchen Geschäften plötzlich gefragt. Da wirkt eine Belegpflicht erstmal wie ein Schlag ins Gesicht – erst recht, wenn Frankreich im gleichen Zug auch noch Bons abschafft. Doch warum sind Bons ein Problem, was steckt wirklich hinter der Belegpflicht und wie geht man jetzt am besten mit der Situation um?

Thermopapier stellt eine ökologische Katastrophe dar

Der Name mag etwas in die Irre führen: Was sich so nostalgisch und kuschlig anhört, ist ein mit unter anderem Bisphenol A behandeltes Papier, das unter Einwirkung von Hitze Farbstoffe erzeugt. Aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Beschichtung kann das Papier weder im normalen Papiermüll, noch im Wertstoffrecycling wiederverwertet, sondern soll im Restmüll entsorgt werden. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Stoffs gelten berechtigterweise als bedenklich.

Das Ausmaß der neuen Belegpflicht und die damit verbundene Müllproduktion werden in diesem Video zynisch auf die Schippe genommen. Leider steckt darin ein wahrer, schmerzlicher Kern, der zunächst den Verdacht aufkommen lässt, dass von der neuen Verordnung vor allem eine Branche profitiert, während alle anderen Branchen, die Kundschaft und nicht zuletzt die Umwelt darunter zu leiden haben: Die Thermopapierindustrie.

Ist Steuerhinterziehung ein Problem in Deutschland?

Hierzulande sei alles so geordnet und geregelt, dass es kaum Steuerhinterziehung gäbe, könnte man meinen. Wer hat aber wirklich Einblick darin, wie viele Einnahmen beispielweise in Kneipen, Restaurants, Cafés, Kiosks, Bäckereien und dergleichen gemacht werden? Und wer soll dann beurteilen können, wie viel Steuern tatsächlich anfallen?

Auch wenn die Besteuerung in Deutschland vergleichsweise hoch erscheint, sollten für alle die gleichen Regeln gelten. Durch Steuern werden Gemeinschaftskosten in unserer Gesellschaft getragen, weshalb das wissentliche hinterziehen von Steuern einen höchst unsolidarischen und egoistischen Akt darstellt. Warum sollten alle anderen einer Gemeinschaft darunter leiden, wenn ein einzelnes Geschäft beschließt, Dinge unter der Hand zu verkaufen? Das ist nicht nur ungerecht gegenüber Mitbewerbern, sondern gegenüber der Gesellschaft als Ganzes.

Wie wird in einer Kneipe erfasst, welche Getränke aufs Haus gehen und welche tatsächlich bezahlt werden? Wie wird sichergestellt, dass zu versteuernde Einnahmen nicht versehentlich als Trinkgeld verrechnet werden? Wer hinterfragt, wie viele Brötchen eine Bäckerei überhaupt herstellt aus einer bestimmten Menge Mehl? Und wer soll all die Unternehmen überhaupt kontrollieren? Damit im Zusammenhang stünde ein gewaltiger Verwaltungsapparat. Allein die steuerliche Prüfung eines Geschäfts nimmt je nach Größe mehrere Tage bis Monate in Anspruch.

Wenn ich also in der kleinen Backstube um die Ecke ein Fladenbrot für einen Euro erwerbe, kann ich natürlich darauf vertrauen, dass die Bäckerei schon gewissenhaft ihre Bücher führen und Steuern zahlen wird. Es könnte aber genauso gut sein, dass der Euro einfach in der Hosentasche des Verkäufers statt in der Registrierkasse landet.

Fakt ist: Wenn alle gleichermaßen ihre Steuern zahlen ist das nicht nur gerecht, sondern es profitieren auch alle gleichermaßen als Gesellschaft davon.

Lösungs- statt problemorientiert denken

Da kann ich den Frust einer meiner Bäckereien des Vertrauens verstehen, wenn sie sich auf ihrer Website explizit für die Belegpflicht aussprechen und in diesem Zuge dazu aufrufen, lieber nach Lösungen zu suchen, als zu meckern. Konkret heißt das, dass sie selbst recherchiert haben, ob es nicht umweltfreundliche Alternativen gibt. Und siehe da, es gibt sie, wenn man nur danach sucht und bereit ist, etwas mehr zu bezahlen: Der blaue Bons ohne Bisphenol A und dafür biologisch abbaubar. Die Bäckerei erzieht ihre Kundschaft sogar entsprechend, auf die Belege zu achten: Wer selbstständig nach dem Bon fragt und ihn mitnimmt, bekommt ein Brötchen geschenkt. Diese Art der Erziehung zu mehr Zivilcourage zieht tatsächlich.

In meiner Stammkneipe versteht man unterdessen nicht, warum nicht von vornherein der gesamte Prozess digitalisiert wurde, wo die Steuererklärung letztlich doch ohnehin digital erfolgt. Kurzerhand haben sie in diesem Zuge die Bezahlung mit Bargeld einfach abgeschafft. Bons drucken sie trotzdem, auch wenn nur eine Person am Tag ihn überhaupt mitnimmt.

Wirft man jedoch einen Blick in den Gesetzestext, stellt man fest, dass nicht mit einem Wort die Rede davon ist, dass die Bons ausgedruckt werden müssen. Dort steht nur geschrieben:

Wer aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 erfasst, hat dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Geschäftsvorfall unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften einen Beleg über den Geschäftsvorfall auszustellen und dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten zur Verfügung zu stellen (Belegausgabepflicht).

Abgabenordnung §146a (2)

Der Beleg könnte dementsprechend ebenso rein digital ausgestellt werden. Ist all der Wirbel um den ausgedruckten Beleg also unbegründet und der Bonwahnsinn gar nicht real? Nicht ganz. In der Theorie gibt es die Technologien zur Ausgabe digitaler Bons freilich – teils sogar aus Deutschland. Sie wollen aber auch genutzt werden. Die Umstellung wird etwas Zeit benötigen, die man im Grunde bereits drei Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes ungenutzt hat verstreichen lassen.

Was ich bei all dem nicht verstehe: Belegpflicht schön und gut. Aber warum zieht man es nicht gleich richtig durch und digitalisiert die komplette Ab- und Steuerberechnung? Die Abschaffung der Kupfermünzen ist doch ohnehin nur der erste Schritt Richtung Abschaffung von Bargeld. Solang es Bargeld gibt, wird es auch weiterhin Steuerhinterziehung geben, denn Bargeld muss nicht registriert werden, wenn etwas unter der Hand veräußert wird. Für digitale Geldtransfers gibt es stets eine Dokumentation, da dass Geld andernfalls verloren geht. Die Zukunft könnte dann so aussehen: Ich kaufe ein, bezahle digital, der Beleg wird direkt via Internet an das Finanzamt geschickt oder noch besser: Der Steuerbetrag wird direkt an das Finanzamt überwiesen.

Lehren für die Zukunft

Was lernen wir aus all dem? Hoffentlich mehr als nur Fakten:

  • Die Energie fürs Meckern investieren wir lieber im Ergründen von Lösungsansätzen.
  • Es gibt immer eine ökologischere Alternative, auch wenn die zunächst weniger bequem oder teurer sein mag. Wer billig kauft, zahlt später!
  • Wenn mal wieder medialer Wirbel um ein Gesetz besteht, erstmal ruhig bleiben und selbst recherchieren. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, wie wir so schön zu sagen pflegen. Enttäuscht bin ich davon, dass ich bei einigen staatlich finanzierten Medien gelesen habe, es sei nun Pflicht, jeden Bon zu drucken, was so de facto nicht stimmt.

Damit ist das Thema Bonpflicht für mich abgehakt.

Wie stehst du zur Belegpflicht und welche Lösungsansätze siehst du? Schreib es gern in die Kommentare!

Alles Liebe
Philipp

5 Kommentare

Antworten

  1. Puh ich bin gegen Bargeldabschaffung. Ich hätte schon gern ein Tauschmittel bar in der Hand. Denn wenn es kein Bargeld mehr gibt und der Strom fällt aus oder die Banken machen dicht aufgrund diverse Wirtschaftszenarien sitzen wir alle auf den Trockenen. Dann kann man froh sein wenn man nicht den Goldschmuck der Oma schon beim Erben versetzt hat, denn mit einer goldenen Uhr kann man sich sonst sicher noch was beim Bauern besorgen.

    • Hallo Anna,

      den Aspekt der Diversität an Bezahlungsmitteln kann ich schon gut nachvollziehen. Ohne Strom gibt es allerdings, zumindest wenn es nach dem Finanzministerium geht, auch keine Bargeldtransaktionen mehr, denn die Registrierkassen laufen ja auch alle mit Strom. :D

      Geld hat stets nur den Wert, den wir ihm geben, genauso wie Gold. Im Szenario globale Ernährungskrise bin ich mir über den Wert von letzterem nicht mehr so sicher, denn ernähren kann man davon niemandem. Dann könnte auch ein Apfel plötzlich zur Währung werden. Da stellt sich zwangsläufig die Frage, ob wir nicht besser daran täten, unseren Lebensgrundlagen mehr Beachtung zu schenken.

      Lieber Gruß aus Berlin
      Philipp

  2. Ich möchte weiterhin Bargeld haben. Erstens, weil ich einfach schneller den Überblick habe, wieviel noch da ist. Zweitens, weil ich den Geschäften (und was dahinter hängt) nicht die Information geben möchte, was ich wann wo gekauft habe. Von daher zahle ich grundsätzlich bar, mit Karte nur in bestimmten selten auftretenden Fällen (Bahnfahrkarte, Hotel).
    Was die Bons angeht – wenn sie ausgedruckt werden, nehm ich sie mit (sonst schreib ich mir den Betrag auf den Einkaufszettel). Die kleinen Läden, in denen ich meistens einkaufe, fragen bzw. drucken nur auf Anforderung. Und bei den großen Geschäften nervt mich mehr, dass ich zu den 5 cm mit den nötigen Angaben noch gefühlte 30 cm Werbung für irgendwelche Aktionen gedruckt kriege!
    Alles digitalisieren ist keine Lösung, und so ein bisschen Datenschutz ist ja auch nicht schlecht. Bin gespannt, wann ich nichts mehr kaufen kann, weil ich meine Geldangelegenheiten nicht vollständig online erledigen mag…
    Und was die Steuer angeht: Sobald der Betrag in die Kasse eingegeben ist, ist der drin (Storno ist nicht mehr so einfach) und das Finanzamt hat Zugriff, das hat mit dem Bon nichts zu tun. Außer man meint, es wäre Aufgabe des Käufers, drauf zu achten, dass der Verkäufer keine Steuern hinterzieht!

    • Hallo Gille,

      Datenschutz, Vermeidung von unnötiger Werbung und eine bessere Praktikabilität sind tatsächlich gute Argumente gegen Bargeldabschaffung. Am Ende sind wir mit der Entwicklung von Geld wohl noch nicht – da wird sich noch einiges tun. Keine Sorge also, das Bargeld wird dir, insbesondere in Deutschland, noch eine ganze Weile erhalten bleiben.

      Mit einer einer richtig durchdachten Registrierkasse bedarf es meines Erachtens auch gar keiner Steuererklärung (vom Bon ganz zu schweigen) seitens eines Geschäfts. Aber ein Weg drum herum lässt sich immer finden, wenn man nur möchte.

      Lieber Gruß
      Philipp

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