Die wenigsten Menschen, werden als Nomaden geboren – ich auch nicht. Lies im Folgenden, was bei mir den Stein ins Rollen gebracht hat. (Die Moral der Geschichte folgt am Ende, aber wie langweilig wäre das denn, einfach dorthin zu springen?)

Kulturelle Isolation

Da ich meine Eltern weder in einer Botschaft, noch in einem Zirkus arbeiten, verbrachte ich die ersten 18 Jahre meines Lebens in einer kleinen beschaulichen Stadt im Vogtland. Jedes Jahr fuhren wir im Sommer nach Osttirol ins Deferreggental und bis auf wenige Ausnahmen (namentlich kurze Ausflüge an die tschechische Grenze, von Österreich nach Italien oder einem Trainigslager in Spanien) spielte sich fast mein komplettes Leben in Deutschland ab.

Darüber hinaus ist mein Familie so deutsch, wie man sie sich nur vorstellen kann. Teile sind zwar aus Schlesien geflohen, aber eben deshalb weil sie sich als Deutsche verstanden haben. Selbst Zeichentrickserien aus dem Ausland wurden ins Deutsche synchronisiert, weshalb es so gut wie keinen fremden kulturellen Einfluss in meinem Leben gab.

Sehnsucht nach Ferne

Das änderte sich schlagartig in der dritten Klasse durch zwei Ereignisse: Erstens begann mein Englischunterricht, welcher mir Einblick in eine fremde Sprache und Kultur ermöglichte, auch wenn das zunächst noch nicht mein Interesse an anderen Kulturen weckte. Zweitens bekam ich Bücher der Reihe Harry Potter geschenkt, in derer Welt ich mich sofort verlor. Ich verschlang sie an einem Stück. Später kamen die entsprechenden Filme in die Kinos und plötzlich war es geschehen: Ich wollte Teil sein dieser Welt.

Der Zugang dazu ward mir allerdings verwehrt. Wir fuhren weiterhin Jahr für Jahr in dasselbe Dorf in Österreich (, was ich nichtsdestotrotz genoss). Allein verreisen war in dem jungen Alter noch keine Option. Ein Austauschjahr kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Also klammerte ich mich an die wenigen wöchentlichen Englischstunden und verbrachte große Teile meiner Freizeit mit besagter Traumwelt. Außerdem fieberte ich der Studienreise in der 11. Klasse entgegen, weil man sich dort zwischen Italien und Großbritannien entscheiden konnte.

Wenige Jahre später stand besagte Studienreise an, jedoch wurde uns die Option auf Großbritannien aus organisatorischen Gründen gestrichen. Italien war freilich auch schön, wenngleich meine Sehnsucht nach Großbritannien weiter geschürt wurde. Ausgerechnet in diesem Jahr würden meine Eltern nicht nach Österreich fahren, sondern in Deutschland bleiben. Grund genug also, selbst eine Reise anzutreten. Mit 17 Jahren war ich mittlerweile alt genug, Geld hatte ich zumindest etwas angespart und mein Cousin verspürte ebenfalls Reiselust. Gesagt, getan, setzten wir uns zusammen und planten unsere erste, eigene Reise.

Abenteuerluft schnuppern

Wohin sollte es gehen? New York City? Ägypten? Oder doch etwas in Europa? Natürlich kehrten wir immer wieder zu meinem Sehnsuchtsort London zurück. Aber wie viele Tage konnten wir uns dort schon leisten? Und wie sollten wir überhaupt hinkommen? Nach und nach kristallisierte sich InterRail als bevorzugtes Reisemodell heraus und eh wir uns versahen, befanden wir uns auch schon auf der Schiene.

10 Tage ohne Aufsicht im Ausland. London – Paris – Marseille – Straßburg. Ordentlich Programm für so kurze Zeit. Und genau diese Freiheit und Erlebnisdichte von all dem Neuartigen hat mich in ihren Bann gezogen. Auf eine Reise folgte die nächste, wann immer sich die Möglichkeit dazu bot. Das ist jetzt 11 Jahre her. Mittlerweile mag ich diese hohe Erlebnisdichte nur noch ab und zu, kehre lieber mal zu Orten zurück (in London war ich seitdem noch fünf Mal) und nehme mir ordentlich Zeit – nach wie vor, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet.

Retrospektive

Im Rückblick fallen mir dabei einige Aspekte auf, für die ich damals noch gar keinen Blick hatte. Natürlich nahmen wir damals all die touristischen Attraktionen (und sicherlich auch Fallen) mit. Das gehört meines Erachtens auch zum Werdegang aller Reisenden dazu. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, manche stehen auf Hotspots, andere kehren auch wieder zu ihnen zurück. Ich hake die mittlerweile lieber beim Joggen ab und fokussiere mich dann den Rest des Tages auf andere Dinge.

Erstaunlicher Weise sehe ich heute einige Parallelen zwischen Religion und der Art und Weise, wie ich die Welt von Harry Potter damals erträumt hatte – inklusive Pilgerreisen zu relevanten Orten. Darüber denke ich noch eine Weile nach.

Fun-Fact: Damals habe ich mit Bloggen angefangen, wenn auch analog in Form eine Reisetagebuchs.

Zu guter letzter gibt es die versprochene Moral oder besser gesagt Moralen, denn ich habe mehr als eine Sache aus dieser Geschichte gelernt:

  1. Wünsche werden im Allgemeinen einfacher Realität, wenn man selbst aktiv wird.
    Ich hätte auch weiterhin darauf hoffen können, dass ich zufällig mal in London lande, weil der Zug nach Leipzig falsch abbiegt. Aber ich wollte es unbedingt und habe deshalb die Chance ergriffen, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Freilich ging das damals nur mit Unterstützung der Familie, aber es hat ja auch niemand gesagt, dass man alles allein bewerkstelligen muss. Es hilft nichtsdestotrotz, selbst tätig zu werden.
  2. Manchmal brauchen Wünsche Zeit.
    Selten werden Wünsche sofort wahr. Gelegentlich erfüllen sie sich anders, als wir es erwarten. Und machmal verändern sie sich einfach, ohne das wir es merken.
  3. Es ist nie zu spät, mit dem Reisen zu beginnen.
    Egal wie alt man ist, kann man noch anfangen, die Welt zu erkunden, solang die Gesundheit mitspielt. Deshalb rate ich, Chancen zum Reisen zu nutzen. Wir lernen nie aus.

Was war dein Auslöser, selbstständig zu reisen? Schreib es gern in Kommentare oder einen eigenen Beitrag. Ich freue mich, von dir zu lesen!

Alles Liebe
Philipp