Vor zwei Monaten habe ich im ersten Teil dazu aufgerufen, mir mitzuteilen, welche Attribute ihr mit einer Auswahl von Metropolen auf der ganzen Welt verbindet. Heute kommt die Auflösung: Wie nah liegen wir beieinander? Und was sagt das über uns aus?
Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, findest du ihn hier.
Zunächst einmal einen Dank an Nicole (alias traveler1986) und Andrea (auch bekannt als Aurelia von ihrem Blog wenig reicht auch) für Ihre Beteiligung! Passender Weise bekommen wir dadurch nämlich verschiedene, wenngleich statistisch nicht repräsentative, Einblicke: Andrea ist leidenschaftliche Mama und Hausfrau mit starker Meinung. Nicole kennt als Reiseverkehrskauffrau viele Städte nicht nur privat, sondern auch von beruflicher Seite.
Für die Auflösung habe ich alle Städte in eine Tabelle gepackt. Im Anschluss habe ich meine persönlichen drei Attribute eingetragen. In den folgenden drei Spalten stehen die jeweils drei meistgenannten Attribute von allen Einreichungen. Außerdem habe ich noch eine Auswertung der Ergebnisse vorgenommen, welche man nach der Tabelle finden kann.
Doch kommen wir zu den Fakten – wenn man davon an dieser Stelle überhaupt sprechen kann. Denn die Idee besteht ja darin, Assoziationen mit Städten zu ermitteln, die wir teilweise auch noch gar nicht besucht haben. Auch ich selbst habe mehr als die Hälfte der Städte noch nie bereist.
Sinnig finde ich, dass Nicole unerwarteter Weise zwei Mal Attribute gesammelt hat, nämlich einmal entsprechend des Mythos einer Stadt und einmal ihre eigenen Erfahrungen damit.
Metropole | Philipps Attribute | Andreas Attribute | Nicoles Attribute – Mythos | Nicoles Attribute – Erfahrung |
---|---|---|---|---|
Berlin | billig, abwechslungsreich, divers | bunt | Drogen, “Szene-Stadt” | viele schöne grüne Stellen |
Hamburg | hanseatisch, kalt, derbe | Hafen | Reeperbahn, Fisch, Hafen | Hafen, Musicals, “Perle des Nordens”, immer eine Reise wert |
München | gemütlich, herzlich, überteuert | Bier | Oktoberfest, Dirndl, Bier | grüne Ecken, gutes Essen |
Köln | Karneval, katholisch, Dom | Dom | Dom, Karnval, Bier | Dom |
Dresden | Barock, Kultur, politisch | Semper Oper | Oper, Osten | Oper |
Frankfurt | Banken, Apfelwein, Marathon | Bankenmetropole | Bürostadt, Wolkenkratzer | Bürostadt |
Athen | Philosophie, Akropolis, Demokratie | weiße Häuser | weiß-blaue Häuser, Ruinen | Akropolis, lecker Essen |
Edinburgh | düster, Fudge, Harry Potter | Steinmauern und Moore | Schotten | Uni-Stadt |
Paris | Mode, Kunst, Eiffelturm | Eiffelturm und Can Can | Stadt der Liebe | Stadt der Liebe, angenehmes Flair |
Rom | Kolosseum, Antike, Hügel | Colosseum | Papst | – |
Venedig | Kanäle, Gondeln, überlaufen | Markusplatz | Wasser, Gondeln | positiv überrascht, schöne Stadt, Gondeln |
Havanna | Musik, Zigarren, Oldtimer | Zigarren | Cuba Libre, Salsa | – |
Kairo | Pyramiden, Wüste, riesig | Pyramiden und Wüste | Pharaonen | – |
New York City | Freiheitsstatue, Guggenheim-Museum, Brooklyn Bridge | Empire State Building | Stadt, die nie schläft, Wolkenkratzer | bunte Lichter, laut, schnell, grüne Oase im Central Park |
Peking | Reis, Palast, Drachen | wuselig | viel Verkehr, Smog, bunte Lichter | – |
Quito | warm, bergig, Bananen | Berge | ? | – |
San Francisco | Hippies, Golden Gate Bridge, Alcatraz | Traumstadt (irgendwann möcht ich sie sehn), Erdbeben | Neben, Beginn Highway No. 1 | viel Neben, schöne Stadt, Seehunde |
Sidney | Oper, Aborigines, Olympia | Kängurus | Oper, Brücke | Hafen, Universität |
Tokyo | teuer, voll, eng | Zebrastreifen | bunte Lichter, Hochhäuser | – |
Vancouver | Rocky Mountains, modern, liberal | Wasserflugzeuge | ? | keine Hochhäuser, alte Gebäude, Stadt unter der Stadt |
Was lerne ich über mich selbst?
Elf der 20 Städte kenne ich selbst noch gar nicht persönlich. Das hält mich nicht davon ab, bestimmte Bilder über sie im Kopf zu wahren, die sich über Jahre hinweg durch Werbung für Pauschalreisen und Videos im Internet in meinem Gedächtnis verankert haben. Nicht wenige davon, ergeben überhaupt keinen Sinn, aber es waren eben die ersten, die mir in ebendiesen kamen. Schauen wir uns beispielsweise Quito an: Die Hauptstadt Ecuadors befindet sich zwar auf über 3000 Metern Höhe, allerdings auch auf einem Plateau. Bergig kann es also höchstens um die Stadt herum sein. Für ebensowenig wahrscheinlich halte ich es, dass in der Stadt Bananen angebaut werden. Doch in meinem Kopf existiert die Verknüpfung, weil mir eine Schulfreundin damals von den billigen Preisen und leckeren Bananen erzählte, nachdem sie ein Jahr in Quito gelebt hatte. Das blieb hängen.
Viele meiner Assoziationen halte ich für sehr oberflächlich, auch wenn ich mehrere Jahre in einer Stadt gelebt habe. Barock, Kultur, politisch – darauf hätten auch Menschen kommen können, die Dresden nur von einem Tagesausflug kennen. Tatsächlich kenne ich die Stadt auch von vielen anderen Seiten, hätte auch Weinberge, die vergleichsweise hohen Verkaufsflächen pro Einwohner.in oder mein Studium an der Technischen Universität nennen können . Doch das waren eben nicht die drei Begriffe, die mir zuerst in den Kopf schossen.
Wiederum andere Metropolen sind in meinem Kopf durch Ereignisse geprägt worden. Sidney kenne ich im Grunde nur von den olympischen Spielen im Jahre 2000 unserer Zeit – also aus dem Fernsehen. Ich erinnere mich noch genau an das Feuerwerk mit den fünf olympischen Ringen an einer Brücke mit der Ober im Hintergrund und wie es eine Show gab, Teil derer eine indigene Person auftrat. Seitdem habe ich Sidney in Medien quasi nicht mehr wahrgenommen, wenn ich von Findet Nemo absehe, welches mir auch erst im Nachhinein einfiel.
Viele meiner Assoziationen rühren von Klischees her. Würde ich all die Städte bereisen, halte ich es für recht wahrscheinlich, dass ich zunächst oberflächlich genau diese bedienen werde und entsprechend typische Sehenswürdigkeiten besuchen würde. Bei längerem Aufenthalt besteht die Chance, dass ich enttäuscht oder erleuchtet werde, denn dann lernt man den wirklichen Charakter eines Ortes kennen. Meine romantisierten Vorstellungen haben nichts mit der Wirklichkeit einer Stadt zu tun, obwohl mich genau diese dazu verleiten, eine Metropole bereisen oder sogar in ihr leben zu wollen.
Gehe ich über meine Assoziationen hinaus, formen sich in meinem Kopf dennoch sehr genaue Vorstellungen, weshalb ich in eine bestimmte Großstadt möchte. Doch abseits von kleinen regionalen Verschiedenheiten frage ich mich, ob Metropolen nicht viel mehr Gemeinsamkeiten teilen, als sie sich unterscheiden. Zwei meiner Attribute für Berlin zielen in die gleiche Richtung: abwechslungsreich und divers. Doch bringt das nicht jede größere Stadt aufgrund der höheren Bevölkerungszahl mit sich? Je mehr Menschen in einer Stadt wohnen, desto diverser wird sie. Je mehr Diversität man im Alltag ausgesetzt wird, desto offener wird man. In der Folge entwickeln sich tolerantere und offenere Gemeinschaften, weil deren Mitglieder es längst gewohnt sind, täglich tausenden andersartigen Menschen zu begegnen. Die Menge an Menschen schafft eine Anonymität, sodass sich niemand darum scheren braucht, was die anderen von einem denken. In einer kleineren Gemeinschaft, in der alle alle anderern kennen, ergibt sich ein viel persönlicheres Gefüge, in welchem der Meinung der anderen augenscheinlich mehr Bedeutung beigemessen wird.
Doch wenn große und kleine Städte ( und Dörfer, wenn man so möchte) sich untereinander in ihren Strukturen so ähnlich sind, was sind dann die wirklichen Kriterien, anhand derer wir einen Ort als Lebensmittelpunkt wählen, insofern wir nur über einen verfügen? Soll es wirklich nur ein zufälliges Gefüge aus romantisierten Vorstellungen, Arbeitsangebot und menschlichen Beziehungen sein?
Was lerne ich durch die Umfrage?
Zunächst einmal ist die Umfrage definitiv nicht repräsentativ, denn dafür benötigte es wesentlich mehr Einreichungen. Bereits bei der winzigen Vergleichmenge, finde ich die Anzahl an Übereinstimmungen, wenngleich nicht immer wortwörtlich, erschreckend. abwechslungsreich, divers, bunt und “Szene-Stadt” zielen alle in die gleiche Richtung. Außerdem fällt mir auf, wie bestimmte Stadtteile oder Bauwerke einer Stadt unsere Vorstellungen dominieren. Dabei frage ich mich, ob das wohl schlichtweg an unserer vernetzten, multimedialen Welt liegt, in welcher wir immer wieder ähnliche Bilder und dieselben Wahrzeichen einer Stadt gezeigt bekommen. Oder vielleicht doch am Marketing der Tourismus-Branche?
In jedem Fall ruft mir die Umfrage ins Gedächtnis, dass ich genau das auf meinem Blog nicht möchte: Aspekte einer Stadt zeigen, die schon so oft aufgezeigt wurden. Denn dann repliziere ich genau diese Klischees. Dabei haben Städte so viel mehr zu bieten als unverkennbare Skylines oder Prunkbaupanoramen. Sowohl aus geschichtlicher als auch aus gesellschaftlicher Perspektive wartet jede Stadt mit individuellen Lösungsansätzen und Entwicklungen auf. Freilich gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Städten, aber viel interessanter empfinde ich die Unterschiede, weil sie neue Perspektiven aufzeigen und inspirieren.
Zu guter Letzt hat mich die Umfrage Folgendes gelehrt: Ganz gleich, ob wir eine Stadt mit positiven oder negativen Attributen assoziieren, ist sie nie nur das. Ein umfassenderes Bild als das, was ich von Filmen, Reportagen und Werbung erhalte, bekomme ich nur, wenn ich selbst vor Ort war. Diese Erfahrung machte ich unter anderem 2008 in Marseilles. Damals brach ich mit meinem Cousin gemeinsam zu unserer ersten eigenen Reise auf. Wir verreisten mit Interrail und mein Cousin wollte unbedingt ans Mittelmeer. Also wählten wir als eines unserer Zwischenziele Marseilles. So eine wirkliche Vorstellung von der Stadt hatten wir beide nicht. Die Fotos im Internet überzeugten jedoch sehr: Sonne, Yachten, Häuser auf schroffen Klippen mit Blick auf das Meer. Das gab es auch alles. Darüber hinaus gab es in Marseilles aber auch ein großes Problem: Müll. Überall: Zu Land, Wasser und, das ist kein Scherz, in der Luft. Regelmäßig flogen irgendwelche Chips- oder Plastiktüten an uns vorbei.
Diese Reise fand vor über zehn Jahren statt, womöglich hat sich seitdem einiges geändert. Wirklich wissen kann ich es aber erst, wenn ich über meinen Schatten springe, die negativen Erinnerungen zurücklasse und der Stadt noch eine Chance gebe. Zumindest in einer Hinsicht kann ich meine Erfahrung von damals relativieren: Von meinen anderen Reiseerfahrungen und Kajaktouren in Berlin weiß ich mittlerweile, dass auch andere Städte ein großes Müllproblem aufweisen. Dennoch war die Erfahrung für mich, aus einer ländlichen Region kommend und die Metropolen dieser Welt nur aus Hollywoodstreifen kennend, ein Schock.
Welche Städte haben dich bereits überrascht, weil sie sich deutlich anders darboten, als du sie dir vorgestellt hast? Schreib deine Erfahrungen gern in die Kommentare.
Alles Liebe
Philipp
Aurelia
21/05/2021 — 14:36
Venedig hab ich Ende der 70er Jahre besucht, also als Kind, und es war so schön dort. Wenn ich heute Bilder oder Dokus sehe wie überfüllt es dort ist und wie sich die riesigen Kreuzfahrtschiffe dort stauen, bin ich traurig über den Anblick. Ich bin froh diese Stadt noch erlebt zu haben als sie nicht überlaufen war und man wirklich Platz hatte um alles an zu schauen. Heute würd ich dort zur Hauptsaison, so waren wir damals dort, nicht reisen wollen.
Hamburg und Frankfurt ist jetzt auch schon etwas her wo ich dort war, überrascht hat mich nicht wirklich was, sie waren so wie ich es mir vorgestellt habe und auch in vorherigen Besuchen waren sie nicht anders. Einzig beide sind mir von den Menschenmengen zu viel. Aber das schieb ich mal auf mein Alter mittlerweile *gg….. in meinen 20ern hat es mich nicht gestört.
Liebe Grüße
Aurelia
Philipp
22/05/2021 — 09:36
O weh, jetzt machst du mir Angst. Große Menschenmenge sind mir in meinen 20ern schon zu viel. Was soll das erst werden, wenn ich Älter werde? :D
Wahrscheinlich wäre letztes Jahr perfekt gewesen, um nach Venedig zu reisen. Dann hätte man die ganze Stadt für sich gehabt, denn Einheimische in der Stadt gibt es wohl leider gar nicht mehr so viele, wenn man Berichten glauben darf. :/
Lieber Gruß
Philipp