Die kritische Masse

Nein, zum Kernphysiker bin ich nun nicht geworden. Doch die Idee einer kritischen Masse, lässt sich auch in anderen Bereichen anwenden und in einem ganz besonders: Den anthropologischen Auswirkungen auf den Planeten.

In der Kernphysik bezeichnet man die Mindestmenge an spaltbarem Material, das benötigt wird, um die effektive Neutronenproduktion als Kettenreaktion von Kernspaltungen aufrechtzuerhalten, als kritischen Masse. Wir Menschen mögen nicht per se eine solche nukleare Kettenreaktion auslösen, allerdings lässt sich die Idee sehr wohl auf unseren Effekt auf die Erde übertragen. Wo exakt die menschliche kritische Masse liegt, vermag ich nicht zu sagen, sehr wohl aber veranschaulichen, wie sich unsere Auswirkungen auf die Umwelt akkumulieren. Arbeiten wir deshalb der Einfachheit halber mit der Annahme, dass 10.000.000.000 (in Worten: zehn Milliarden) Menschen unseren Planeten bewohnen. Von dieser Zahl sind wir derzeit (Stand: 25.01.2021) mit circa 7,86 Milliarden noch recht weit entfernt. Doch Schätzungen zu Folge wird bereits 2023, also in etwa zwei Jahren, die Acht-Milliarden-Marke geknackt werden, für 2050 wird prognostiziert, dass bereits mehr als 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden.

Vielleicht kennst du den Satz “Wenn das alle machen würden…”. Diesen finde ich durchaus berechtigt. Wie sähe denn unsere Welt aus, wenn 10 Milliarden Menschen…

  • … einen Plastikbeutel in die Landschaft statt in die Wertstofftonne werfen würden?
  • … Kleidung nach einmaligem Tragen für immer in den Kleiderschrank hängen oder sogar entsorgen würden?
  • … täglich Fleisch essen würden?
  • … in einem Naturschutzgebiet abseits der Pfade laufen?
  • … für den Urlaub einen Privatjet chartern, statt mit dem Zug in den Urlaub zu fahren?

Wenn du nach diesen fünf Beispielen einen leichten Anflug von Panik erlebst, sei dir die schmucke Website The Overpopulation Myth empfohlen. Nichtdestotrotz illustrieren die Anregungen, worin das eigentliche Problem besteht: All diese Handlungen mögen als einzelne im Verhältnis zur Größe unseres Planeten als nicht so schlimm wirken. Das werden sie aber vor dem Hintergrund der schieren Menge an Menschen, die sich visuell vorzustellen bereits jetzt die Fähigkeiten der meisten Menschen übersteigen dürfte.

Wenn ein Plastikbeutel in einer wunderschönen Landschaft liegen bleibt und nicht verrotten kann, mag das noch nicht so schlimm sein. Wenn 10 Milliarden davon zurückgelassen werden, bleibt von der Landschaft nichts mehr übrig. Deshalb halte ich den Ansatz, dass jeder noch so kleine Schritt zählt, für den richtigen, denn er funktioniert in beide Richtungen: Wenn ich mich dazu entscheide, liegengebliebenen Müll aufzuheben und fachgerecht zu entsorgen, mag das ob der gewaltigen Menge, die andere Menschen täglich liegen lassen, unbedeutend wirken. Wenn allerdings jeder Mensch täglich ein Stück Müll ordentlich beseitigen würde, sähe unser Planet bereits binnen weniger Tage viel schöner aus.

Wollen wir unseren Planeten als lebenswerten Lebensraum erhalten, genügt es längst nicht mehr, nur noch Bio-Fleisch zu essen. Äßen täglich 10 Milliarden Menschen Bio-Fleisch, wäre das zwar für die Haltungsbedingungen der Tiere ein großer Fortschritt, aber dennoch zu viel Fleisch, um nachhaltig auf unserem Planeten hergestellt werden zu können. Als hilfreicher wird sich erweisen, wenn wir dem aktiv entgegenwirken: Im Anschluss an Bio-Fleisch muss der Tritt auf die Bremse erfolgen, um schlichtweg weniger zu konsumieren.

Kleidung nicht nach dem ersten Tragen in die Tonne zu werfen, ist gut; Generell weniger neuer Kleidung zu kaufen besser. In einem Naturschutzgebiet lediglich auf den ausgewiesenen Pfaden zu laufen, ist gut; die Anzahl der Menschen zu regulieren, die täglich in ein Naturschutzgebiet dürfen, besser. Den ökologischen Fußabdruck von Flügen zu reduzieren ist gut; gar nicht erst zu fliegen, besser.

Wir können den Planeten auch mit zehn Milliarden oder gar mehr anderen Menschen teilen. Möchten wir aber für all diese Menschen auch ein möglichst lebenswertes Leben erreichen, bleibt uns keine andere Wahl, als irgendwo auf die Bremse zu treten: Entweder in unserem Konsum oder in unserer Fortpflanzung. Denn bereits jetzt leben wir in einer Welt, derer Wohlstand ungleichmäßig verteilt wird.

Wie siehst du Zukunft unseres Planeten und der Menschheit entgegen? Wie sähe deine Utopie aus und wie deine Dystopie? Wir haben täglich die Wahl, auf welche dieser beiden Vorstellungen wir zusteuern – auch über die Wahlurne hinaus. Eine Stimme mag unentscheidend wirken, doch die Masse macht’s aus.

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Ich lese schon länger deinen Blog – er ist klasse.

    Und bei diesem Thema kann ich nur zustimmen… ein kleiner Schritt für mich, ein großer Schritt für die Menschheit – wenn ihn die Menschheit dann macht

    • Hallo Irit,

      vielen Dank für das Lob! Es freut mich immer, wenn sich mir noch unbekannte Leser*innen melden. :)

      Zu deinem letzten Teilsatz: Es gibt ja Theorien, wonach ein bestimmter Prozentsatz (, den ich gerade leider nicht rezitieren kann,) genügt, um eine gesellschaftliche Veränderung anzustoßen. Meines Erachtens sind die ersten Schritte die schwersten, doch dann entwickelt sich eine Kettenreaktion, die davongaloppiert.

      Alles Liebe
      Philipp

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