Die sieben Zeichen der Sesshaftigkeit

Nach Jahren der stetigen Umzüge verweile ich mittlerweile seit über zwei Jahren in Berlin. In dieser Zeit sind mir einige Indizien für Sesshaftigkeit an mir selbst aufgefallen, von denen ich nie geglaubt hätte, dass sie einmal relevant für mich würden. Welche das sind? Lies selbst.

Festanstellung

Das offensichtlichste Anzeichen zuerst: Eine Festanstellung in einer 40-Stunden-Woche an einem festgelegten Arbeitsort reduziert die Mobilität im Alltag über alle Maße. Außerdem sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man spontan kündigt, sobald das Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes übergeht, da dies negative wirtschaftliche Konsequenzen nach sich zieht. Das muss freilich nicht ausschließen, dass es dennoch möglich ist, sich beruflich neu zu orientieren. Doch die Hürden sind zunächst höher.

Haushaltsgeräte

Kühlschrank, Herd, Ofen, Spül- und Waschmaschine sowie Trockner nehmen nicht nur recht viel Platz weg, sondern lassen sich auch äußerst unbequem tragen. Fatal, wenn bei einem etwaigen Umzug mehrere Etagen zu bewältigen sind. Abhilfe schafft, die Haushaltsgeräte an die Nachmieter.innen beziehungsweise Eigentümer.innen oder anderweitig zu verkaufen oder gar zu verschenken. Letzteres erhöht definitiv die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand findet, es abzuholen zu kommen. Prominentester Vertreter dürfte in dieser Kategorie übrigens der Staubsauger sein. Oder hast du schon mal nomadisch lebende Menschen mit Staubsauger um die Welt ziehen gesehen?

Möbel

Als nomadisch lebender Mensch ist es nicht außergewöhnlich, keine eigenen Möbel zu besitzen. Stattdessen mietet man immer wieder bereits möblierte Wohnungen, damit man möglichst wenig neu anschaffen oder schließlich wieder loswerden braucht. Dass man einen Sessel nicht alle paar Monate in eine neue Stadt transportieren mag, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Diese Praxis hat sich für mich über Jahre hinweg bewährt. Entsprechend deutet insbesondere der Erwerb großer Möbelstücke und/oder welcher, die zu Komfort und Gemütlichkeit in einer Wohnung beitragen sollen, beispielsweise Sofas oder gar Liegelandschaften, an, dass man plant, eine Weile zu bleiben.

Pflanzen

Apropos Gemütlichkeit: Pflanzen tragen definitiv zu einem besseren Raumklima bei und bringen wortwörtlich etwas Leben ins Haus. Allerdings erfordern sie auch regelmäßig und beständige Pflege. Selbst vertragen sie Umzüge überhaupt nicht gut, also bleibt nur, sie allein verrotten zu lassen, in vertrauensvolle Hände zu geben oder eben bei ihnen zu bleiben.

Partnerschaft

Für sich selbst die Entscheidung zu treffen, fortan die Welt zu bereisen und ortsunabhängig zu leben, ist eine Sache. Sobald andere Menschen mit ins Spiel komme, sieht sie anders aus. Denn plötzlich trifft man die Entscheidung nicht nur für sich, sondern andere bekommen ein Mitspracherecht. Während ein nomadisches Leben für sich selbst ganz einfach zu sein scheint, mögen Partner.innen Vorbehalte oder Restriktionen seitens des Berufs haben – oder wollen es womöglich gar nicht. Da hilft nur reden und aufeinander zugehen, verhandeln, erpressen oder Schluss machen. ;)

Kinder

Wo wir schon bei Pflege und Aufmerksamkeit sind: Beginnt man mit dem Aufziehen von Kindern, gestaltet sich ein ortsunabhängiges Leben noch einmal schwieriger. Während Kinder im Kopf noch wesentlich flexibler sind als die meisten Erwachsenen, wird es spätestens mit der Schulpflicht komplizierter. Insofern man sich wünscht, dass die eigenen Kinder auch beständige Beziehungen aufbauen, verharrt man wohl zumindest für ein paar Jahre am selben Ort. Meine einzige persönliche Erfahrungen mit einem nomadisch lebenden Kind, entstammt meiner Kindheit: Ab und an war ein Zirkuskind bei uns in der Klasse zu Besuch, hatte es allerdings recht schwer, Anschluss zu finden. Das fand ich damals schon sehr traurig.

Eine Eigentumswohnung

Erwirbt man eine Eigentumswohnung (oder gar ein Haus) steht zunächst die Frage im Raum, ob man selbst darin wohnen oder sie vermieten möchte. Gutes Stichwort: Eine Immobilie ist nicht nur selbst unbeweglich, sondern macht auch die Eigentümer.innen weniger mobil, schließlich gilt es, sich entsprechend um sie zu kümmern. Seien es Renovierungsarbeiten, nötige Reparaturen und Wartungen, neue Sicherheitsbestimmungen, rechtliche Fragen oder Anliegen der Mieter.innen – irgendetwas ist immer. Je nach Fall und der Möglichkeit einer ausgelagerten Verwaltung erfordert es dann unter Umständen öfter die Anwesenheit vor Ort.

Bin ich betroffen?

Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, die Kategorien zusammenzähle und auf eine Skala eintrage bin ich derzeit zu 5/7 sesshaft. Denn ich arbeite in Vollzeit festangestellt an einem festen Arbeitsplatz, wenn man von geringfügigen Ausnahmen und Home-Office absieht. Seitdem ich mit meinem israelischen Partner zusammenlebe, haben wir sowohl Haushaltsgeräte, als auch Möbel und Pflanzen, schließlich mögen wir es gemütlich. Er ist beruflich weniger flexibel als ich und strebt an, seine Hündin zu uns holen. Tiere habe ich in der Liste nicht mit aufgenommen, doch je nach Art bremst es natürlich auch die eigene Mobilität durch die Verantwortung, die damit einhergeht. Mit Hund kann man zwar zumindest reisen, doch nicht mehr so einfach überall hin.

So viel zur Theorie. In der Praxis bin ich gerade sesshafter denn je, reise so wenig wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Letzteres hängt freilich auch mit der Pandemie zusammen. Womöglich ist schon aufgefallen, dass ich jüngst auch gar nicht mehr über Reisen schreibe. Dafür habe ich zwar noch einige Beiträge in petto, jedoch möchte ich entgegen meiner intrinsischen Motivation aufgrund der pandemischen Situation zur Zeit gar nicht zum Reisen aufrufen und anstacheln, auch wenn sich mein Herz so sehr danach sehnt.

Allerdings ist all das nicht in Stein gemeißelt. Beziehungen ändern sich ebenso wie alle anderen Lebensumstände. Wer weiß, was das nächste Jahr bringt? Womöglich ja das Ende der Pandemie? Eigentum verpflichtet zwar, lässt sich im Zweifelsfall aber auch wieder abstoßen oder einlagern, wenn man es denn unbedingt behalten möchte. Kinder werden groß und können irgendwann für sich selbst sorgen. Für Pflanzen finden sich stets Menschen mit grünem Daumen, die sich ihnen freudig annehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, die man aufbringen muss.

Tatsächlich bereitet mir dieser Gedanke am meisten Sorge: Wie viel Zeit und Energie muss ich aufbringen, um aus meiner momentanen Lebenssituation zu entfliehen? Deshalb halte ich mir gern jederzeit eine unkomplizierte Exit-Strategie, einen Plan B bereit. Dass es mir fehlt, ortsunabhängig und mobil zu sein, spüre ich schon eine Weile. Von daher betrachte ich meine jetzige Situation als Sesshaftigkeit auf Zeit. Womöglich lässt sich ja auch ein Modus finden, der die Annehmlichkeiten beider Extreme miteinander vereint.

Wie sesshaft bist du? Wärst du gern ortsunabhängiger? Und wie sieht deine Strategie aus, dorthin zu gelangen? Schreib es gern in die Kommentare.

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Die Pandemie bringt einiges Durcheinander, auch das Reisen. Bzgl. des Hausinventars: Das Loswerden und anschließend wieder neu besorgen von Zeugs finde ich zeitlich und finanziell so aufwändig, dass man sich – wenns einfach nur mal um Umzug geht – auch ein Umzugsunternehmen gönnen kann. Da ist man schnell durch mit der Nummer, insb., wenn man dank Minimalismus nicht so viel Zeugs hat.

    • Hallo Gabi,

      darüber, ein Umzugsunternehmen zu beauftragen, habe ich tatsächlich noch gar nicht nachgedacht. Bisher war es auch noch nicht nötig, weil ich nie so viel besessen hatte. Wenn man nur mit Rucksack umzieht und aller Hausrat geht an die nächsten Mietenden über, wäre das überflüssig.

      Würde ich heute umziehen und den Hausrat mitnehmen, sähe die Angelegenheit schon anders aus. Aber zumindest innerhalb Berlins habe ich zur Zeit überhaupt nicht das Bedürfnis, die Wohnung zu wechseln. Die jetzige genügt völlig, wir fühlen uns wohl und es würde ohnehin nur teurer werden.

      Lieber Gruß
      Philipp

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