Hilfe, ich werde zum Spießer!

Zunehmend häufiger stoße ich im Alltag auf einen Gedanken aus dem Affekt: “Das gehört doch verboten!” Dann erschrecke ich mich kurz über mich selbst und frage mich, ob das das Alter ist, von dem immer alle sprechen.

Bewusst wurde es mir, als ich wie jeden Morgen mit der Hündin durch Park lief. Der Herbst hatte bereits deutliche Spuren hinterlassen, was sich nicht nur am vielen bunten Laub auf dem Boden, sondern auch der lichter werdenden Wiese am großen Hang zeigte. Um es direkt präzise auszudrücken: An einigen Stellen gab es großflächig gar kein Gras mehr, sondern nur noch Schlamm. Dafür stachen dann andere Dinge ins Auge – neben dem üblichen Müll auch Konfetti in allen erdenklichen Farben.

Tatsächlich handelte es sich um die Stelle, an der auch ich heuer mein Geburtstagspicknick veranstaltet hatte, wobei ich auf das Penibelste darauf achtete, keine Überbleibsel zu hinterlassen, die nicht in den Park gehören. Offensichtlich gehen nicht alle so sorgsam mit ihren Spuren um und das wurmte mich. Während ich das schreibe, erahne ich schon die ersten Rufe, die mich als Spielverderber beschimpfen. Dabei geht es mir gar nicht darum, Spiel und Spaß zu verbieten, sondern nachhaltig für alle zu ermöglichen.

Ehrlich gesagt konnte ich als Kind schon nicht viel mit Konfetti anfangen. Der spaßigste Prozess war eigentlich, aus Papier- und Zeitungsresten mit einem Locher selbst Konfetti herzustellen, anstatt es für teuer Geld zu kaufen. Freilich hat man das bunte Zeug mal rumgeworfen, aber schon in meinen jüngsten Jahren nervte mich, dass es dann überall landete (auch auf mir!) und so mühsehlig aufzulesen war. Immerhin bestand es damals aus Papier, weshalb es einfach abgebaut werden konnte, wenn es in der Umwelt landete. Nun möchte ich gewiss nicht sagen, dass früher alles besser war, aber: Das Konfetti war es definitiv! Bei der heutigen Plastikfolienvariante (Stichwort: Mehr Glitzer für die Welt!) gibt es keinen biologischen Abbau. Stattdessen verteilen sich die kleinen Partikel in der Welt, verschmutzen nicht nur Parks, sondern auch Gewässer, lassen unzählige Tiere verenden und landen schließlich entweder als Mikroplastik in den Ozeanen dieser Welt oder auf unseren Tellern, wenn wir Fisch essen. Und wie ich nun im Park sehen konnte, macht sich niemand die Mühe, das Plastikkonfetti einzulesen. Ja, ich hasse Glitzer unabhängig von meiner Sexualität!

Schön und gut, dass Plastikstrohhalme verboten worden sind, aber da kann doch unmöglich Schluss sein! Denn die Liste an Dingen, die verboten gehören, hört meines Erachtens bei Konfetti aus Kunststoff noch lange nicht auf:

  • Feuerwerkskörper machen nicht nur Krach, verängstigen Milliarden von Tieren und verletzen Tausende von Menschen, sie verunreinigen auch die Luft unnötig und verteilen ihre Überreste mitten in der Landschaft. Wer räumt da auf? Niemand! Bessere Alternativen: Laser- und Drohnenshows.
  • Musikfestivals inmitten natürlicher Idyllen wirken freilich reizvoll. Allerdings machen sie aus den Idyllen oft genug Deponien und vergraulen mit dauerhaft zu lauter Beschallung nicht nur die hiesigen menschliche Anwohner*innen, sondern auch die Fauna vor Ort. Bessere Alternativen: Festivals mit Kopfhörern (wie bei Silent Discos), keine Einwegprodukte auf Festivalgeländen, Waste-Ranger, die dafür Sorge tragen, dass kein Müll in der Landschaft landet und stattdessen fachgerecht verwertet wird.
  • Privatautos in Innenstädten verschlechtern während der Fahrt die Luftqualität maßgeblich, nehmen während des Parkens unnötig viel Platz weg und dieses ständige Gehupe, weil es irgendwem gerade nicht schnell genug geht, sollte auch mal dringend reglementiert werden. Und dabei bin ich noch gar nicht auf die allwochenendlichen Hupparaden bei Hochzeiten eingegangen, die allen (abgesehen von der Hochzeitsgesellschaft) auf den Wecker gehen. Bessere Alternative: Die gute, alte Blechdosenkette am Auto des frischen Ehepaars – aber bitte auch nur an deren und nicht jedem Fahrzeug des gesamten Konvois!

Das sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste von A wie Atomwaffen über M (missachtete Mülltrennung) und R (Rauchen im öffentlichen Raum) bis Z (Zigarettenentsorgung über den Boden im Freien), die meines Erachtens verboten gehören und einen Einblick in meine dunkle Seite als Spießer geben. Ob sich das später in fortgeschrittenerem Alter wohl wieder relativiert? Oder wird es gar noch “schlimmer”? Das lässt sich vorab natürlich nicht sagen, doch bei manchen Dingen fallen mir einfach keine guten Seiten ein. Dann wünsche ich mir, dass ebendiese endlich verboten werden, wo sie doch ohnehin unnütz sind und nur Schaden anrichten. Meine Toleranz hat also offensichtlich doch Grenzen – genauso wie die persönliche Freiheit dort aufhört, wo sie die Freiheit anderer beeinträchtigt.

Nun interessiert mich: Hast du dich auch schon mal über deine eigene Spießigkeit erschrocken? Welche Dinge, die verboten gehören, stehen auf deiner Liste und wie weit geht deine Toleranz? Teile es gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

4 Kommentare

Antworten

  1. Oh das kenn ich auch, dieses Spießer sein obwohl ich keiner bin. Die Dinge die du aufgezählt hast (Rauchen draußen stört mich allerdings nicht, natürlich nur wenn die Kippe auch im Mülleimer landet, denn ich bin selbst Raucher und schmeiß die in den Müll ist ja nicht schwer, ist keiner da kommt sie in ein Tempo bis ein Eimer kommt) aktivieren auch meinen Spießer und dann noch, wenn die Nachbarn lautstark ihre Anwesenheit hören lassen, oder Haustüren die einfach offen gelassen werden, oder die Bons und anderer Kram der in den Einkaufswagen zurück bleibt, oder zugeparkte Fußwege usw.
    Ob es nun am Alter liegt, bin 53, keine Ahnung mich hat sowas auch schon als Jugendliche aufgeregt.
    Also du bist in bester Gesellschaft :-D
    Liebe Grüße
    Aurelia

    • Hallo Aurelia,

      da bin ich ja beruhigt. :)

      Dass sich Menschen so viel wie du um ihre Zigarettenstummel kümmern, scheint leider die absolute Ausnahme. Als Nichtraucher empfinde ich es als total unangenehm, wenn einem vorm Ausgang eines Gebäudes oder auf Gehwegen der Rauch ins Gesicht geblasen wird. Das macht, so hoffe ich, freilich niemand mit Absicht. Scheinbar machen sich viele schlichtweg keine Gedanken darüber.

      Bei zugeparkten Fuß- und Fahrradwegen überlege ich jedes Mal, ob ich nicht flugs ein Foto oder Video an die Polizei schicke und Anzeige erstatten soll – insbesondere wenn ich dann sehe, dass die Fahrer*innen einfach nur am Handy rumdaddeln. Denn sonst merken es die Leute ja nie…

      Lieber Gruß
      Philipp

  2. Was heißt hier Alter? Ich würde eher sagen: Dir fehlt maximal der konsumvernebelte Kopf – zum Glück. Plastikkonfetti – wie verrückt ist sowas? Dann doch lieber Locher (freiwillig oder unfreiwillig) ausleeren – sowas ist doch echtes Leben. Da ist gleich Stimmung in der Bude.
    Der meistens sommerliche Partykrach geht mir total auf die Nerven. Hier in Dortmund nennt sich das im Sommer u.a. Juicybeats. Ich finde sowas extrem rücksichtslos. Man kann auch Partyspaß haben, ohne dass im Umfeld von mindestens 2 Kilometern jeder die Musik und das Gewummer hört.

    • Hallo Gabi,

      wenn du es so sagst, fühle ich mich gleich viel wohler damit. Vielen Dank!

      In meiner Erstheimat gibt es an der Talsperre auch ein Festival, dass sich über ein Wochenende erstreckt. Das hört man auch kilometerweit so laut, als wäre es direkt nebenan. Wie laut muss das dann erst vor Ort sein?

      Lieber Gruß
      Philipp

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