Alle paar Jahre ist es so weit: Das von uns, ob gewollt oder nicht, am meisten genutzte elektronische Gerät bedarf eines Austauschs. Dabei war doch eigentlich alles gut. Eigentlich…
Ganze fünf Jahre habe ich mein Smartphone genutzt. 2014 hatte ich mir nicht ausgemalt, selbst mal eins zu besitzen. Sechs Jahre und zwei Akkuwechsel später stehe ich kurz davor, mein zweites zu erwerben. Die innere Debatte, die ich mit mir selbst führe, ist diesselbe wie damals. Die Argumente im Grunde auch, denn eigentlich möchte ich gar kein neues Gerät erwerben. Vielmehr fühle ich mich genötigt.
Seit über einem Jahr kann ich keine Updates des Betriebssystems mehr laden, weil das alte Modell nicht mehr unterstützt wird. Bislang war das kein Problem. Mittlerweile merke ich, dass mir der Zugang zu einigen Anwendungen untersagt bleibt, beispielsweise der Corona-Warn-App. Doch abgesehen davon habe ich nichts an meinem Handy auszusetzen.
Sogar das Design sagt mir mehr zu als das der neueren Generationen. Die Funktionalität des bisherigen Gerätes reicht mir völlig aus, im Prinzip sogar die Qualität der Fotos, immerhin nehme ich seit mehr als fünf Jahren einen Großteil der Fotos für meinen Blog mit dem Handy auf. Freilich gibt es Momente, in denen ich mir mehr Brennweiten und bessere Bildqualität bei Aufnahmen im Dunklen wünsche, doch diese Schwächen werden auch mit einem neueren Handy nicht zu meiner Zufriedenheit ausgeglichen.
Jahr für Jahr bewerben die Tech-Unternehmen ihre neuesten Modelle als äußerst innovativ und locken mit neuem technischen Firlefanz. Doch ändert sich dadurch tatsächlich meine Nutzung im Alltag? Soziale Medien bediene ich kaum noch. Abgesehen davon benötigten sie eher bessere Konzepte als bessere Technik. AR steckt noch in den Kinderschuhen und bietet noch nicht die nötige Vielfalt an Apps. Und sonst hat sich ja auch gar nicht so viel verändert: (Video-)Telefonie, Nachrichten schreiben, Fotos schießen, Musik hören, kurz etwas im Internet recherchieren, Hilfe bei der Navigation, wenn es schnell gehen muss, einen Timer setzen, Zugriff auf digitale Notzien – mehr brauche und mache ich mit dem Handy nicht. Das geht aber bereits alles mit dem alten Modell.
Als Early Adaptor kann man mich also wahrlich nicht bezeichnen. Ich warte lieber erstmal ab. Sollen erstmal ein paar Generationen ins Land ziehen, damit die Krankheiten der Erstlingsprodukte beseitigt werden. Ehrlich gesagt bin ich auch nicht bereit, die horrenden Summen zu zahlen, die für Neugeräte der jüngsten Generation aufgerufen werden. Dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade. Und was würde ich mich ärgern, wenn mir solch ein teures Gerät runterfällt oder abhanden kommt? (Es wäre nicht das erste Mal…)
Schließlich ärgert es mich auch, dass für technische Geräte große Menge rarer Ressourcen verbraucht werden. Recycling hin oder her – besser wäre es immer, das bereits vorhandene weiterhin zu nutzen. Darüber hinaus machen die Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung und der Verarbeitung in den Fabriken wiederkehrend schockierende Schlagzeilen: Kinderarbeit, niedrige Löhne, moderne Sklavenhaltung, mangelnde Sicherheit, Überarbeitung, … Auch wenn sich manche Unternehmen zunehmend stärker für bessere Bedingungen einsetzen, zeigen die Nachrichten doch vor allem, dass es nahezu unmöglich ist, in einer globalen Wirtschaftskette, die Standards des eigenen Unternehmens an den anderen Enden der Welt konsequent zu gewährleisten.
Im Grunde habe ich mit dieser Argumentation auch schon eine geeignete Lösung für mich gefunden. Also suchte ich im Internet nach älteren Modellen und stieß auf diverse Plattformen, die generalüberholte Geräte älterer Jahrgänge in verschiedenen Ästhetikzuständen anbieten. Bingo! Dort bekam ich also:
- ein neueres Gerät
- mit dem gleichen Design, das ich so mag
- mit modernerem technischen Innenleben
- mit dem neusten Betriebssystem kompatibel
- wie neu aussehend, aber nicht neu produziert (Wobei das ja fast zu vernachlässigen ist, denn ehrlich gesagt sehen täglich genutzte Geräte bei mir bereits nach kurzer Zeit selten wie neu aus. Hallo, Mikrokratzer!)
- mit drei Jahren Garantie
- für 150€
Macht 50€ pro Jahr, falls es direkt nach Garantieende den Geist aufgeben sollte. Selbst wenn ich es nur zwei Jahre nutze, komme ich immer noch besser weg als mit allen anderen Neugeräten. Auch wenn ich damit nicht den neusten technischen Schnickschnack habe, empfinde ich es im Vergleich zum vorherigen Modell doch als deutliches Upgrade – schließlich war ich ja noch viel ältere Technik gewohnt.
Das ist es also, mein neues altes Handy.
Wie gehst du mit dem aufgebürdeten Upgrade-Zwang um? Gar kein Handy mehr oder in den sauren Apfel beißen? Hast du selbst auch schon mal gebrauchte Technik gekauft? Teile deine Erfahrungen gern in den Kommentaren.
Alles Liebe
Philipp
Gabi
04/03/2021 — 08:25
Wie lange Updates funktionieren, finde ich beim Smartphone auch nicht unerheblich. Es gibt da inzwischen diverse Tests, z.B. hier: https://t3n.de/news/software-updates-beste-smartphone-hersteller-973094/
Die Politik reagiert so langsam, u.a. auch wegen Wechselakkus, Updates etc – aber bis das soweit ist und umgesetzt wird…
Neu kaufe ich solche Dinger aber auch nicht. Ich brauchte vor einiger Zeit auch ein neues Gebrauchtgerät. Diesmal neuwertig, relativ neu (vom letzten Jahr). Es wird ca. 5 Jahre mit dem neuesten Betriebssystem versorgt, danach noch mit Sicherheitsupdates. Nutzungszeit schätze ich 7 Jahre, wenn ich es nicht crashe (ist mir bislang noch nicht passiert) Hält es so lange, komme ich auf etwa den gleichen Jahrespreis wie du. Ich kalkuliere immer monatlichen Kosten, macht ca 4€. Mit Prepaidkosten liege ich damit unter meinen 10€ im Monat. Mehr möchte ich nicht bezahlen
Philipp
05/03/2021 — 07:04
Hallo Gabi,
auf die Update-Laufzeit von Geräten achte ich auch. Zwar nutze ich hier schon Geräte eines Unternehmens mit den branchenweit längstes softwareseitigen Lebensdauer, würde mir jedoch nichtsdestotrotz noch ein paar Jahre mehr wünschen. Wäre es nicht ein Traum, man bräuchte sich nur alle zehn Jahre Gedanken um ein neues Gerät zu machen, weil das alte einfach noch läuft?
Das Herunterrechnen von Preisen auf die Lebensdauer eines Produkts auf Jahre und Monate wende ich mittlerweile nicht nur bei Technik, sondern auch Kleidung, Taschen, Küchenutensilien, Möbeln und mein Fahrrad an. Das veranschaulicht den Preis für ein Produkt, das wir kaufen, eher als Nutzgebühr wie bei einer Miete. Durch diese andere Perspektive denke ich oft noch einmal anders darüber, ob ich mir etwas kaufen möchte oder nicht. Denn selten kaufen wir ein Produkt allein und noch viel selten nur einmal. Nur blenden wir allzuoft während des Erwerbs aus, dass alles nur eine begrenzte Lebensdauer hat.
Treffend dazu finde ich auch das Thema ewige Kredite aus der Frugalistenszene.
Lieber Gruß aus Berlin
Philipp