Spürst du es auch? Dieses leichte Gefühl von Jetlag, das mir bisher noch kein einziger Flug bescheren konnte? Diese innere Verstimmung und der andauernde Verdacht, dass dein innere Rhythmus aus den Fugen geraten ist?
Fuck you, Sommerzeit.
Beim Titel Schlafraub könnte man natürlich auch an die nächtliche Stechmückenplage denken, derren hochfrequentes Summen mich stets wachsam und alarmiert hält. Doch dagegen kann ich etwas tun, beispielsweise einem Exemplar nach dem anderen den Gar aus machen. Gegen die Zeitumstellung allerdings? Keine Chance!
Routine ade!
Das ist ein wirkliches Ärgernis für mich, denn zuletzt hatte es mit meinen Routinen und dem Zeitmanagement echt gut funktioniert. Doch die Umstellung auf Sommerzeit hat das ordentlich ins Wanken gebracht. Das Prinzip geht sich für mich nämlich überhaupt nicht aus.
Ich hatte mir angewöhnt, jeden Tag 07:00 aufzustehen. Das war ein guter Mittelweg, denn im Winter wird es arg spät hell und ich schaffe es ohnehin selten, vor 23:00 schlafen zu gehen. Soziale Aktivitäten funktionieren ohne lange Abende ohnehin schwierig, denn im Prinzip arbeiten tagsüber ja alle. Es schien nicht zu früh und nicht zu spät. Was bleibt also anderes, als sich in mein Schicksal zu fügen? Und es hat auch prima funktioniert!
Mit der Umstellung auf Sommerzeit war alle das schließlich hinüber.
Wider der Natur
Die Natur hat das recht gut raus: Nach und nach werden die Tage länger, sodass sich der Körper sukzessiv gewöhnen kann. Das plötzliche Umstellen der Uhrzeit ist das genaue Gegenteil, ein herber Schlag für ihn, obwohl “nur” einmal eine Stunde Schlaf gestohlen wird. Das hat zwei Gründe: Erstens steckt er noch im alten Biorhythmus und bedarf etwas Umgewöhnungszeit. Je nach Mensch dauert das Tage bis Wochen. Zweitens, handelt es sich in Summe eben nicht nur um eine Stunde, wie ich gleich demonstriere.
Eigentlich ist die Sommerzeit ja etwas Nettes: Die Tage sind lang, die Sonne begrüßt uns zeitig und bleibt bis spät in den Abend bei uns. Alle, die mal versucht haben, täglich ohne Wecker wach zu werden, wissen deshalb wahrscheinlich, dass Tageslicht unter anderem unseren Biorhythmus beeinflusst. Deshalb schlafen wir im Winter tendenziell mehr als im Sommer. Beziehungsweise haben wir zumindest das Bedürfnis nach mehr Schlaf.
Wenn die Tage länger werden ist es deshalb oft auch unproblematisch, nach und nach früher aufzustehen. In den Sommermonaten ist 06:00 gar nicht so zeitig, weil 04:00 schon der Morgen graut und die Vögel ihr Konzert beginnen. An sich also kein Ding, wäre da nicht die Zeitumstellung.
Dann ist es nämlich plötzlich eine Stunde später, obwohl der Körper noch in der alten Uhrzeit steckt. Wenn ich also 06:00 aufstehen wöllte, ist es theoretisch erst 05:00, weil die Uhr ja eine Stunde vorgestellt wurde. Jeden Tag zur selben Zeit aufstehen, wie es oft empfohlen wird, kann also gar nicht funktionieren, weil die natürliche Zeit und die von Menschen festgelegte gegeneinander arbeiten. Von natürlicher Seite aus, wird es im Winter später hell, also ergibt es Sinn, später aufzustehen. Dann wird allerdings plötzlich die Uhrzeit, an die man sich zu diesem Zeitpunkt bereits gewöhnt hat, eine Stunde zurückgestellt und das ganze Chaos beginnt von vorn.
Es gibt Lösungen
Es gibt die Zeitumstellung noch gar nicht allzu lang. Bis vor 125 Jahren gab es noch nicht einmal eine einheitliche Zeit in Deutschland, wie man hier ganz gut nachlesen kann. Also ein riesiges Durcheinander – und das schon seit über einem Jahrhundert!
Dabei könnten wir auch einfach darauf verzichten. Bevor man die Uhrzeit zwei Mal im Jahr angepasst hatte, hat die Menschheit auch überlebt. Und aufgrund der Bedenken der verheerenden Wirkungen auf den Biorhythmus des Menschen wird die Umstellung jetzt auch von der EU-Kommision überprüft.
Um den sich verändernden Sonnenzeiten anzupassen, könnte man Menschen auch mehr Spielraum in der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten geben oder einfacher halber die Öffnungszeiten von Geschäften anpassen, so wie es hier in Israel bereits passiert.
Reine Willkür
In jedem Fall werden wohl noch ein paar Jahre vergehen, bis es in der Hinsicht zu Ergebnissen und überhaupt mal Aktion kommt. Doch machen wir uns nichts vor: Es wird niemals eine wirklich einheitliche Regelung geben, denn letztlich entscheidet jedes Land die Zeitgesetze für sich. Schon jetzt nutzen nicht alle Länder Sommerzeit oder stellen sie gleichzeitig um. Und auch die Zeitzonen sind oft eher aufgrund politischer oder organisatorischer Motive willkürlich gewählt, als am natürlichen Sonnenstand ausgerichtet.
Beispielsweise hat Israel nur eine Stunde Zeitunterschied zu Deutschland, obwohl es westlicher als Istanbul liegt, wo es wie im Rest der Türkei auch zwei Stunden später ist als in Mitteleuropa. Das kann man als eine Art zu zeigen, dass es sich eher zu Europa als zum Orient zugehörig fühlt, interpretieren, auch wenn der Ursprung wahrscheinlich eher in der britischen Mandatszeit zu suchen ist.
Auch werden in Israel die Uhren bereits zwei Tage früher als in Deutschland umgestellt, weil das Wochenende bereits Donnerstag Abend beginnt (und es ein Unding wäre, den wöchentlichen Feiertag Schabbat um eine Stunde zu kürzen ;)). Für jeweils zwei Tage im Jahr sind deshalb sogar zwei Stunden Unterschied zu Deutschland und dieselbe Zeit.
Bis von staatlicher Seite die Zeitumstellung abgeschafft wird, bleibt uns wohl nur, ebenfalls Willkür an den Tag zu legen, sprich uns von der oktroyierten Uhrzeit freizumachen und selbst festzulegen, wie wir unseren Tag gestalten, insofern wir das können. (Das nenne ich mal, der eigenen Zeit Herr werden!)
Ein (weiteres) Experiment
So wie es aussieht, beschäftigt mich das Thema Zeit wohl noch etwas länger als geplant. Deshalb habe ich beschlossen, das Leitthema von meinem Experiment Tacheles nachträglich zu meinem Jahresmotto zu küren, denn das Thema bietet ausreichend Umfang und der experimentelle Teil soll nicht zu kurz kommen.
Ich werde deshalb mal probieren, anstatt mich auf die neue Uhrzeit einzustellen, einfach jeden Morgen aufzustehen, wie ich wach werde. Jeden Tag gleich aufstehen funktioniert ja schließlich aufgrund der Rahmenbedingungen nicht. Also gehe ich mal den natürlichsten Weg, den es gibt. Natürlich werde ich bei Gelegenheit darüber berichten, wie es mir und meinem Zeitmanagement damit ergeht.
Wie gehst du mit der Zeitumstellung um? Leidest du unter ihr? Erfreust du dich ihrer? Bist du dafür oder dagegen? Lass es uns wissen!
Alles Liebe,
Philipp
Anna
25/03/2018 — 18:08
Hier ein interessanter Artikel zu deinen Überlegungen: http://sciencev2.orf.at/stories/1768765/index.html
Philipp
26/03/2018 — 10:15
Hallo Anna,
danke für den Link zum Artikel! Er ist wirklich sehr interessant!
Eine Weltzeit käme mir tatsächlich auch sehr entgegen und ich hätte auch kein Problem damit, wenn es nur noch UTC gäbe. Das würde auch Verwirrung bei Reiseverbindungen, bei denen die Zeitzonen gewechselt werden, lösen.
Und was ein einheitlicher Kalender erst für Neujahrsfeste bedeuten würde! Feuerwerk auf der ganzen Welt zur gleichen Zeit. Andererseits aber wohl auch nicht, da ja nicht jede Kultur die gleichen Neujahrsfeste feiert. In Israel wird Rosh HaShana, meist im September, gefeiert. Das chinesische Neujahrsfest findet meines Wissens auch erst später statt. Aber man könnte ja durchaus weiterhin lokale Feiertage auch in einem einheitlichen Kalender ansiedeln.
Den einzigen Haken sehe ich darin, dass es weltweit von allen akzeptiert werden müsste. Das sehe ich großen Widerstand, weil womöglich bestimmte Menschen darauf beharren werden, dass ihre Zeitzone bzw. ihr Kalender der richtige sei. Es verwenden ja nicht mal heute alle den gregorianischen Kalender. Die jüdischen und arabischen Feiertage verschieben sich Jahr für Jahr!
Falls es mal zu einer Abstimmung kommt, hat die Weltuhrzeit jedenfalls meine Stimme. :)
Lieber Gruß,
Philipp