Vor wenigen Monaten reiste ich das erste Mal in meinem Leben in den Schwarzwald, was sich definitiv als gute Entscheidung herausstellte. Rückblickend bleiben vor allem zwei Dinge hängen: Verzückende Landschaften und Essen.

Woran denkst du beim Begriff Schwarzwald zuerst? Kirschtorte? Oder doch die Kuckucksuhren? Ja, letztere mögen bei manchen Menschen ihren Charme versprühen und stellen quasi das Sinnbild der Schwarzwälder Traditionskultur dar, aber als Minimalist reißen sie mich ehrlich gesagt ebenso wenig mit wie handgeblasene Glaskunst aus dem Thüringer Wald. Handwerkskunst, ja, aber eben doch nichts für mich.

Erinnerungsanker

Wenn ich Reisen Revue passieren lasse, bleiben mir, neben den Menschen, mit denen man sich auf Reise begibt, vor allem drei Dinge hängen:

  1. Prägende Erlebnisse
  2. Schöne Momente
  3. Kulinarische Erfahrungen

Über die prägenden Erlebnisse schreibe ich hier regelmäßig. Einerseits sind sie einzigartig, denn nur ich habe sie so erlebt (zumindest glaube ich das) und habe daraus Lektionen für mein Leben gelernt. Diese Unikate teile ich dann gern.

Schöne Momente sind wahrscheinlich der Grund, weshalb die meisten Menschen in bestimmte Regionen fahren: Sie möchten konkrete Ausblicke oder architektonische Wunderwerke mit den eigenen Augen sehen. Dass diese Sehenswürdigkeiten (im Grunde gibt es diese auch in der Natur) sich den meisten Menschen gleich darstellen, bezeugen Millionen von Fotos mit ähnlichen Ausschnitten, Perspektiven und allem voran Motiven, die unsere Wahrnehmung von Orten wesentlich beeinflussen. Dennoch sind sie es, die uns zu gewissen Reisezielen verleiten.

Über diese Attraktionen schreibe ich hier äußerst selten, denn im Grunde gibt es im Internet bereits ausreichend Plattformen und Reise-Wikis, die sämtliche Informationen dazu kompakt bereitstellen. Meines Erachtens benötigt es keine bloße Kopie von Inhalten. Dafür ist mir sowohl meine eigene als auch die Zeit meines Publikums zu schade.

Die regionale Küche einer Destination scheint zunächst gar nicht so wichtig zu sein. Wer fährt schon für Pasta nach Italien, wenn es diese doch mittlerweile massenweise in Supermärkten permanent verfügbar und wesentlich günstiger gibt? Doch wenn man sich einmal überlegt, was genau wir auf Reisen eigentlich tun – in der Weltgeschichte rumfahren, uns Dinge anschauen und essen – erscheint sie plötzlich in einem ganz anderen Licht.

Essen verbindet

Krankheitsbedingt kann ich bereits seit mehreren Wochen nicht essen, was ich möchte. Genau genommen kann ich ohnehin kaum etwas essen und ich merke, wie stark es meine Lebensqualität beeinflusst. Ja, ich esse gern, viel und mit Leidenschaft. Doch selbst, wenn ich nicht auf Reisen bin, beeinträchtigt es meinen Alltag recht stark, denn Essen beinhaltet eine wesentliche soziale Komponente.

Wenn wir uns mit unseren Liebsten treffen, speisen wir gewöhnlich zusammen. Auch wenn man sonst nicht weiß, was man zusammen unternehmen soll, trifft man sich eben in einem Café. Bei mir verkommt Essen hingegen zuletzt zur bloßen Kalorienaufnahme. Entsprechend wenig Freude bereitet es mir auch, mich mit anderen Menschen zum Abendessen zu verabreden.

Und auch auf Reisen bin ich derzeit in einer wesentlichen Komponente eingeschränkt: Ich kann keine regionalen Spezialitäten probieren und solche Erlebnisse entsprechend nicht mit Herzensmenschen teilen. Das fehlt mir wirklich sehr.

Was hängen bleibt

Umso freudiger denke ich gern an die Reise in den Schwarzwald zurück und rufe mir all die gelungen und missglückten kulinarischen Erfahrungen ins Gedächtnis. Da wären beispielsweise die Kirschen und Beeren, die an all den Höfen mit einer Kasse des Vertrauens verkauft wurden und wir bei unseren Wanderungen unterwegs naschten. Da wäre auf der einen Seite das überteuerte Restaurant des ersten Abends, weil mein Partner gern typisch deutsche Küche gehabt hätte und schließlich enttäuscht wurde. Und auf der anderen Seite das 4-Sterne-Restaurant, das uns positiv überraschte, wo allerdings nur ein Teil der Gruppe aß, weil ein anderer Marotten an den Tag legte. Zu guter Letzt gibt es natürlich auch eine Erinnerung an Schwarzwälder Kirschtorte. Die war aber ehrlich gesagt gar nicht die beste, die ich im Schwarzwald gegessen habe.

Was mich das lehrt? Oft genug, ob zu Hause, auf Arbeit oder unterwegs, schieben wir Essen irgendwo dazwischen. Schnell soll es gehen. Dass diese gehetzte Schnell-schnell-Mentalität auf den Magen schlagen kann, spüre ich in letzter Zeit ganz besonders. Freilich wollen wir nicht mehr Zeit als nötig auf Arbeit verbringen, möchten womöglich lieber noch spontan ins Kino statt den Abend in Ruhe bei einem Mahl ausklingen zu lassen und ziehen es vor, noch ein historisches Monument mitzunehmen, statt in einem Restaurant zu hocken.

Doch warum können wir nicht auch Essen, das einen essentiellen (haha) Bestandteil unseres Lebens darstellt, dem entsprechenden Raum verschaffen, wenn es unsere Reise- und Lebenserfahrungen maßgeblich prägt? Wenn ich meine Umfeld und mich selbst betrachte, stelle ich mit Besorgnis fest, dass wir hier wieder einmal kein gutes Vorbild für Folgegenerationen sind und ich selbst noch an einigen Stellen lernen kann, zu entschleunigen. Die Art, wie wir Essen wertschätzen, spiegelt sich auch in anderen Lebensbereichen wieder. Jetzt, mehr denn je, sehne ich mir dabei die Gemütlichkeit aus dem Schwarzwald zurück.

Alles Liebe
Philipp