Als meine Pläne über Israel bekannt wurden, war die erste Reaktion häufig Besorgnis zwecks Sicherheit. Nun habe ich ja schon etwas Zeit hier verbracht und angesichts der Geschehnisse letzter Woche erscheint es mir die richtige Zeit, zu fragen: Zu Recht?
Vergangene Woche ist ein Auto in eine Straßenbahnhaltestelle gerast. Dabei kam ein Baby ums Leben und weitere Menschen wurden schwer verletzt. Der Fahrer des Autos wollte fliehen, wurde aber von einem Polizisten niedergeschossen und erlag seinen Verletzungen.
In den deutschen Medien wurde darüber nicht so viel berichtet, aber hier war es ein recht großes Ding.
Da der Ort des Geschehens unweit unseres Wohnheims liegt, stieß ich später dazu. Ich war mit meinen Mitbewohnern auf dem Markt einkaufen, wir hatten uns getrennt und jeder ging seiner Wege. Die anderen waren bereits unterwegs, weil ich noch ein paar Besorgungen hatte.
Da die Bahn mehr als zehn Minuten an der Haltestelle stand, ohne loszufahren, beschloss ich zu laufen. Mir fiel auf, dass die Bahnen an jeder Haltestelle standen. Es waren auch ungewöhnlich viele Krankenwagen und Polizeifahrzeuge im Einsatz. Aus der Ferne konnte ich bereits viel Blaulicht, Signalleuchten und Absperrungen sehen. Und jede Menge Leute. Dummerweise musste ich da vorbei, um zu meinem Wohnheim zu kommen.
Es war ein unglaublicher Auflauf. Viele Menschen waren gekommen, um zu protestieren. Überall waren Armee und Polizei, welche die Menschen dort verdrängten. Dank eines hilfsbereiten Studenten, der Hebräisch viel besser versteht, als ich, konnte ich mehr erfahren. Wir mussten schließlich einen großen Bogen laufen, um die 50m zu überbrücken.
Seitdem ist einiges anders: Jeden Tag gibt es Demonstrationen mit Böllern, es sind viel mehr Polizisten positioniert und Militärhubschrauber kreisen häufiger über der Stadt. Ironischerweise halten Politiker alle Seiten an, Ruhe zu bewahren.
Manche Dinge haben sich aber auch nicht verändert: Die omnipräsenten Sicherheitskontrollen sind meiner Meinung nach immer noch recht schludrig. Vielleicht liegt das am Gras, dessen Geruch man dann und wann am Kontrolleingang vernehmen kann. Jetzt wissen wir immerhin, wofür die Sicherheitsgebühren, die jeder Student bezahlen muss, verwendet werden. Immerhin besser investiert als in die Waffenindustrie.
Das Sicherheitstraining hat sich auch nicht ganz als das entpuppt, was ich mir vorstellt hatte. Es ging nämlich viel weniger um das richtige Verhalten in Gefahrensituation, als darum, wie man sicher in den Werkstätten und sonstigen Arbeitsplätzen arbeitet. Klar, Arbeitssicherheit geht alle an. Dumm nur, dass ich jetzt nicht sagen kann, was der Unterschied zwischen Feuer- und Fliegeralarm ist.
Dennoch fühle ich mich hier sicher. Und so manches Mal sogar sicherer als in Europa. Denn absolute Sicherheit gibt es in meinen Augen nicht. Wer kann schon wissen, was passieren wird? Egal, wo auf der Welt ich gerade bin, kann ich nie voraussagen, ob nicht ein Unfall geschehen wird oder jemand gewalttätig wird.
Aber Angst vor genau diesen Dingen können sich andere zu nutzen machen. Spontan fallen mir da Versicherungen, Immobilienmakler und Politiker ein. Im Falle der Geschehnisse letzter Woche ist es schwierig, objektive Informationen zu bekommen, da die lokale Berichterstattung recht einstimmig verhallt und der Fahrer sich nicht mehr äußern kann.
Ich bedaure jedes einzelne Opfer von Gewalttaten und halte selbst Achtsamkeit für Gebot der Stunde. Nicht nur, weil man mit wachem Blick Gefahrensituationen besser abschätzen kann, sondern auch, und das halte ich noch für viel wichtiger, weil man mit Empathie am sanftesten und wirkungsvollsten auf Hass reagiert. Allerdings scheint es mir so, dass weltweit, anstelle sich der Ursache eines Problem zu widmen, lieber die Symptome bekämpft werden.
Gleichwohl bin ich mir der Komplexität der Konflikte hier bewusst. Doch je länger ich mich mit Geschichte im Allgemeinen auseinandersetze, desto häufiger frage ich mich: Hat überhaupt jede Partei Interesse an Frieden?