Vergangenes Wochenende war Yom Kippur in Israel. Was habe ich diesen Tag genossen! Denn besonders in Tel Aviv gerate ich schnell an meine Grenzen der Geräuschtoleranz.

Bereits 2016 kam ich in den Genuss dieses einzigartigen Feiertags. Doch heuer wurde mir der Luxus dieser 25h noch einmal auf eine ganz andere Art bewusst.

In den vergangenen Wochen habe ich in Tel Aviv – Yafo gelebt. So bezaubernd diese Stadt an einigen Ecken auch ist, treibt sie mich ebenso oft an den Rand des Wahnsinns. Das liegt nicht nur am Müll auf den Straßen, oder den trotz hoher Strafen nicht beseitigten Hundehaufen, sondern vor allem an der Geräuschkulisse. Das äußert sich dann in Artikeln wie diesem oder anderen misophonischen Anwandlungen.

Ich erwehre mich nicht einmal gegen diese Diagnose. Denn sie stimmt. Und mir ist nicht klar, wie es Menschen geben kann, die sich scheinbar überhaupt nicht an diesem Lärm stören.

Sei’s drum, an Yom Kippur war mein Glück perfekt, zumindest fast. Denn neben der landesweiten Ruheeinhaltung, gibt es natürlich auch Zeitgenossen, die mit diesem Feiertag überhaupt nichts anfangen können. Die arabische Bevölkerung, und Yafo ist eine arabische Stadt, feiert diesen Tag nicht, nutzt aber durchaus seine Vorzüge, um gemütlich auf dem Boulevard beieinander zu sitzen, oder vielmehr das Wohnzimmer nach draußen zu verlegen. Diesen Eindruck bekomme ich zumindest am Morgen, wenn ich mir all die abgebrannten Möbelstücke zwischen den Essenresten auf den Straßen anschaue.

Weiterhin beobachte ich, dass es die eine oder andere Person gibt, die ungeachtet des Tages mit ihrem Auto oder Motorrad die Straßen mit Vollgas entlang dröhnt. (Ich gestehe, dass ich jedes Mal, wenn eines der lautmotorigen, zweirädrigen Fahrzeuge in Schieflage um die Ecken pirscht, vor meinem cineastischen Auge Zeuge eines Unfalls werde. Hin und wieder passiert es auch beinahe!) Lärm hin oder her, halte ich es jedenfalls für unverantwortlich, an einem solchen Tag so rücksichtslos zu fahren. Andererseits schert es sie ja auch sonst nicht, sei es beim Fahren auf Gehwegen oder dem konsequenten Ignorieren von Fußgängern bei Zebrastreifen. (O, diese Lust, dem Vorbeibrausenden einen kleinen Schubs zu geben…)

Schließlich frage ich mich auch wehmütig, wieso wir als Gesellschaft eigentlich so wenig für Ruhe tun. Warum ist nicht jeder Tag so angenehm ruhig? Wieso werden so laute Fahrzeuge überhaupt zugelassen, wo es doch leisere Alternativen gibt, beispielsweise Elektromotoren oder Fahrräder. Und warum, zum Henker, gibt es immer noch keine Gebühren auf Hupgeräusche? Ist etwas Ruhe denn niemandem mehr heilig?

Wahrscheinlich ist die Mehrheit von uns noch nicht dafür bereit. Bis dahin warte ich geduldig auf den nächsten Yom Kippur und male mir in meiner Fantasiewelt aus, wie Motoren einfach nicht mehr anspringen und Geräusche, die zu laut sind, einfach stillgeschalten werden.

Alles Liebe,

Philipp