Jüngst werden wir in Deutschland von einem Sturm nach dem anderen heimgesucht. Diskussionen um den Klimawandel möchte ich an dieser Stelle gern außen vor lassen. Doch eine andere unschöne Seite unseres Handelns wird mit jedem starken Wind offengelegt und darüber mag ich sehr wohl sprechen.

Als Kind und Jugendlicher mochte ich Stürme sehr. Ihre Kraft faszinierte mich und ich fand es erfrischend, wenn sie uns stets mit frischer Luft versorgten. Heute sitze ich in einer Wohnung in Berlin und stelle so manches Mal die Stabilität der Fensterscheiben in Frage, wenn der Wind mit voller Wucht dagegenbläst. Dennoch erscheint es mir hier am sichersten. Draußen müsste ich schon arg Acht geben, dass mir nicht ein schwerer Ast auf den Schädel kracht oder etwas anderes entgegen geschleudert wird.

Davon, dass dies nicht nur paranoide Wahnvorstellungen sind, zeugen all die Dinge, die ich zwischen zwei Stürmen unterwegs entdecke, wenn ich mit der Hündin rausgehe. Selbst für ein Wochenende herrscht eine unheimliche Stille. Fast könnte man meinen, die Apokalypse sei schon vorbei. Freilich sieht man in der Großstadt im Winter ohnehin mehr Müll, wo die Blätter der Bäume, Büsche und Hecken ihn nicht mehr verdecken. Doch nun sehe ich auch Meere aus Zigarettenstummeln, die die Windströme in dieselben Ecken getragen haben. Unzählige bunte Flecken bringen Farbe in den grauen Winter der Metropole – leider handelt es sich hier nicht um Blüten, sondern um Plastiktüten.

Auch einige sonderbare Dinge finde ich vor:

  • Zerborstene Planken, bei denen ich mich frage, ob sie tatsächlich vom Dach des Wohnhauses neben mir gefegt wurden.
  • Gefüllte Kotbeutel, derer sich unachtsame Hundehalter*innen entledigt haben, in der Hoffnung, es würde keiner sehen. Doch sie sind trotz ihrer Füllung leicht genug, um vom Sturm zurück in unsere Aufmerksamkeit geweht zu werden.
  • Edelstahlmülleimer, die der Last eines gestürzten Baumes nachgegeben haben und nun wie eine Getränkedose aussehen, auf die ein Riese getreten ist.
  • Schilder, die aus Wänden brachen und sich in Gebüschen verfingen, wo ich glaube, ganze Zeltlager voll Ausrüstung wiederzuerkennen.
  • Teile eines im Abriss befindlichen Gebäudes, die losgerissen wurden. Andere schlagen noch im Takt des Windes gegen die letzten Mauern und warten nur auf den lösenden Moment.

Früher schätzte ich, dass Stürme frische Luft in die Stadt brachten. Auch heute bringen sie Frische in die Städte, aber auf eine schmerzvolle Art, denn die Wahrheit tut weh. Auch wenn die meisten Fassaden der Gebäude den Stürmen standhalten, wird eine ganz wesentliche Fassade von ihnen weggepustet: Die Annahme, dass wir uns gut um unsere Umwelt kümmern würden.

Wie oft denken wir, dass schon jemand von der Stadtreinigung sich um diese verwahrloste Mülltüte oder jenen zurückgelassenen Kanister kümmern und sie fachgerecht entsorgen wird? Die Wirklichkeit der letzten Tage lehrt mich: Darum kümmert sich niemand, weil alle denken, dass sich jemand anderes kümmern würde und diejenigen, die dafür bezahlt werden, sich um solche Angelegenheiten zu kümmern, einen fest vorgeschriebenen Plan haben, nach dem sie agieren. Abseits der Straßen gibt es jedoch oft keinen Reinigungsplan.

Wie viele Stürme braucht es also noch, bis wir uns alle selbst um unsere Umwelt kümmern?