Über zehn Jahre hat es gedauert, bis ich mich komplett von sozialen Medien loslösen konnte. Versuche hatte es zwar vorher immer wieder gegeben, aber keiner davon hatte sich so endgültig angefühlt wie dieser – so denn er es überhaupt ist.
Mit sozialen Medien und meinem Internetkonsum hegte ich stets ein ambivalentes Verhältnis: Begeisterung auf der einen, Ernüchterung auf der anderen Seite. Zumeist machten sie so lang Spaß, wie sie mehr Möglichkeiten boten. In viel Fällen brachten sie eine gewisse Demokratisierung mit sich: Dank Social Media konnten im Internet unzählige Menschen frei ihre Meinung äußern – auch ganz ohne Programmierkenntnisse, die zuvor für eine eigene Internetseite nötig waren. Auch wenn dies im Guten wie im Schlechten galt, brachte es zunächst für die große Mehrheit eine vorher nicht gekannte Freiheit.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Jede Infrastruktur muss auch unterhalten werden und das kostet für gewöhnlich Geld. Im Internet, wo Menschen es gewohnt sind, alles kostenlos zu erhalten, hieß dies oft: Du bekommst es weiterhin kostenlos, wirst dafür aber Werbung ausgesetzt. Und schon wurde die Erfahrung weniger frei, weil sie ständig von irgendwelchen Einblendungen unterbrochen wurde. Schnell durften wir lernen: Wenn etwas nichts kostet, bist du das Produkt.
So schnell war es mit dem Spaß vorbei. Anfangs jonglierte ich noch mit irgendwelchen Decknamen im Internet, aber das änderte nichts an der grundlegenden Erfahrung – aus dem einst freien Internet wurde eine einzige Werbeveranstaltung. Denn Werbung gibt es nicht nur in Form von klar erkennbaren eingeblendeten Anzeigen bei den Inhalten, die man konsumieren möchte. In den Inhalten wird mit Produktplatzierungen beworben. Sogar die Inhalte selbst sind eigentlich nichts Anderes als Werbung.
Zunächst probierte ich verschiedene Plattformen und fand gute Gründe, warum die eine Plattform besser als die andere sei. Doch viel zu schnell fiel auch die andere Plattform kapitalistischen Strukturen zum Opfer und ward ebenso schlimm wie, wenn nicht gar schlimmer als die eine. So gingen und kamen Netzwerk nach Netzwerk: MySpace, Schüler/Studi/MeinVZ, Facebook, TravelZoo, Couchsurfing, Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, TikTok, Clubhouse, XING, LinkedIn, … Letzteres nutze ich immer noch, auch wenn ich spätestens seit dem letzten Wahlkampf den Eindruck gewinne, dass es mit professioneller Vernetzung überhaupt nichts mehr zu tun hat.
So sehr die Plattformen auch fluktuieren: Jedes Mal investieren Millionen von Menschen unzählige Stunden Lebenszeit, um sich zu vernetzen die Gewinne von Tech-Konzernen anzukurbeln. Die Suche nach zwischenmenschlicher Verbindung und Nähe ist in uns angelegt. Doch wenn ich vergleiche, wie viel Lebenszeit ich in solche Plattformen stecke und wie viel erinnerungswerte Momente mit anderen Menschen ich deshalb gewinne, schneiden (a)soziale Medien miserabel ab. Das ist es mir nicht wert. Oft merkte ich auch, dass es überhaupt nicht meinem Naturell entspricht.
Deshalb versuchte ich unzählige Male, mich zu maßregeln. Denn offensichtlich hatte ich mich selbst nicht unter Kontrolle und musste mir Regeln erschaffen, um meinen Konsum in einem verträglichen Rahmen zu halten – beispielsweise 10 Minuten am Tag. Das erwies sich auch als stressig und war langfristig nicht nachhaltig. Wie auch, wenn besagte Konzerne Millionen investieren, um Produkte zu designen, die uns bewusst in Dopaminfallen gefangen halten? Mehrfach sollte es Digital Detox richten – zuletzt letztes Jahr.
Dabei wollte ich herausfinden, ob es überhaupt noch möglich ist, wo Internet doch schon längst nicht mehr losgelöst von uns existiert, wenn wir nur den Rechner herunterfahren, sondern alle Lebensbereiche durchdrungen hat. Meine Erkenntnis: Mitnichten. Und es ist auch überhaupt nicht zielführend.
Für mich persönlich habe ich erkannt, dass es mir viel mehr bringt, einen unverplanten Tag in der Woche zu genießen und mich den ganzen nerventötenden Plattformen zu entsagen, indem ich meine Konten lösche. Für letztere Erkenntnis hat es schließlich nur einen psychopathischen, faschistischen US-Präsidenten gebraucht, der sämtliche Tech-Konzerne unter seine Kontrolle bringt und dafür Sorge trägt, dass Minderheiten keinen Schutz mehr genießen und Freiheit nur noch für Mehrheitsmeinungen gilt.
Das hatten wir hier schon mal in einem Land vor meiner Zeit. Das möchte ich nicht unterstützen. Und einen Vorteil hat es:
Ich fühle mich frei unter dem Radar.
Queen All
02/04/2025 — 08:44
Unter dem Radar lebt es sich deutlich entspannter, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe noch zwei Accounts, um meine Blogbeiträge zu teilen. Die Apps habe ich aber vom Smartphone verbannt und übe mich nach wie vor darin, bei Langeweile lieber Luftlöcher zu starren, statt mich mit irgendeinem Unsinn abzulenken. Von Vernetzen kann da eh keine Rede sein. Das finde ich bei Blogs wesentlich schöner aber es kostet auch mehr Zeit – wie das halt auch im analogen Leben so ist, wenn man sich wirklich für etwas oder jemanden interessiert.
Danke fürs Verlinken 😊
Liebe Grüße
Vanessa