Diese Woche fanden zwei – für mich – stimmungsaufhellende Ereignisse statt: Einerseits war meteorologischer Frühlingsanfang am 01. März. Bis zum kalendarischen und zugleich astronomischen Frühlingsanfang am 20. März fließt zwar noch einiges Wasser die Isar runter, aber die länger (und heller) werdenden Tage merkt man schon recht deutlich und mit Mantel, Schal, Handschuhen und Wollmütze ist es schon das eine oder andere Mal deutlich zu warm, wenn die Sonne sich zeigt. Und auch die ersten grünen Blätter und Blüten vertreiben die graue Tristesse des Winters in der Großstadt. Außerdem fand vom 01. auf den 02. März der Global Day of Unplugging statt. Die Idee dahinter: Von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang einfach mal allem Digitalen den Stecker ziehen und sich auf menschliche Kontakte im echten Leben fokussieren, um die durch unseren Fokus auf digitale Unterhaltung entstandene Einsamkeit etwas entgegenzusetzen.
Tolle Idee! Allerdings befand ich mich am Freitag nach Sonnenuntergang gerade mit der Bahn auf dem Weg von Lüneburg nach Berlin und ärgerte mich kurz, dass ich das akut nicht umsetzen konnte.
Doch das soll kein Hindernis sein, denn auch wenn ich es just an diesem Abend nicht klappte, kann ich es ja einfach für einen anderen Tag planen. Früher ging das schließlich auch: Als ich während mein Studiums in Israel lebte, genoss ich es, Freitag Abend pünktlich zum Sabbat den Stecker zu ziehen und Telefon und Laptop für 25 Stunden auszuschalten. (Wie ich das damals wahrnahm, habe ich übrigens hier beschrieben.) Dann kam ich jedoch ins Grübeln:
Wäre das heute auch noch so leicht möglich?
- Nicht nur meine Zugtickets sind komplett digital, sondern auch mein Deutschlandticket. Folglich könnte ich die Öffis dann nicht verwenden.
- Sämtliches Banking läuft mittlerweile über Apps auf dem Smartphone. Aber mehr noch: Oft genug bezahle ich auch mit dem Smartphone.
- Meine Arbeit findet fast ausschließlich digital auf dem Laptop oder Tablet statt.
- Mein Kalender ist digital.
- Zur Navigation nutze ich mittlerweile ständig digitale Karten.
- Wenn ich trainiere, nutze ich eine App für Übungen oder zumindest meine Smartwatch zum Tracken meiner Datenwerte.
- Apropos Smartwatch: Die nutze ich nicht nur zum Prüfen der Uhrzeit, sondern auch als Wecker, weil ich so viel sanfter aufwache als durch akustische.
- Im Alltag nehme ich Fotos, wenn es schnell gehen muss, mit meinem Smartphone auf. Eine Kamera mit Wechselobjektiven habe ich zwar auch, aber erstens habe ich die nur dabei, wenn ich bewusst auf Fototour gehe, und zweitens erzeugt auch die digitale Bilder.
- Wenn ich Filme schauen möchte, geschieht das entweder über Streaming oder deshalb digital, weil ich die Eintrittskarten im Rahmen meines Kino-Abos immer direkt in der App buche. (Und im Grunde sind mittlerweile auch fast alle im Kino gezeigten Filme digital und nicht mehr analog.) Ähnliches gilt für Musik beziehungsweise Konzerte in Hinblick auf die Tickets.
- Da ich aktuell den Großteil der Zeit in einer Fernbeziehung lebe, ist Telekommunikation aktuell ein essentieller Bestandteil, um nicht den Draht zueinander zu verlieren.
All diese digitalen Funktionen schätze ich im Alltag ungemein und möchte sie nicht mehr missen! Gleichermaßen merke ich jedoch auch, dass ich mich wiederkehrend nach mehr Offline-Zeit sehne. Da ich die Auffassung vertrete, wer will, findet Wege, wer nicht, Gründe, möchte ich die Angelegenheit deshalb etwas ergebnisoffener betrachten und meine Frage aus dem Titel umformulieren:
Wie kann Digital Detox noch funktionieren?
(unter meinen oben genannten Umständen)
Denn der Wille ist ja offensichtlich da, sonst würde ich mich mit dem Thema überhaupt nicht auseinandersetzen. Tatsächlich muss ich an dieser Stelle aber auch gestehen, dass ich es schade finde, dass ich mich immer wieder mit diesem Thema auseinandersetzen muss, anstatt einmal Digitales zu fasten und es im Anschluss unter Kontrolle zu haben. Sei’s drum, ich bin ja auch nur ein Mensch!
Manche Punkte lassen sich, wenn man sich einmal auf das Gedankenexperiment einlässt, recht einfach lösen, indem ich nichts tue:
Wenn ich digitalen Sabbat halte, …
… fahre ich eben nirgends mit dem Zug hin.
… tätige ich keine Überweisungen.
… kaufe ich nichts ein.
… arbeite ich eben nicht – es ist ja ohnehin Wochenende.
… habe ich keine Termine und benötige folglich auch weder Kalender, noch Uhr.
… treibe ich keinen Sport – zumindest keinen, den ich tracken müsste.
… schlafe ich einfach mal aus, bis ich ohne Wecker aufwache und aufstehen möchte.
… nehme ich keine Fotos auf.
… schaue ich keine Filme und höre keine Musik.
So weit so gut. Im Grunde spiegelt das auch genau die Idee des Sabbats wieder, der ein Erholungstag sein soll. Entschleunigung und Entspannung durch Tätigkeitsreduktion. Mit etwas Planung ließe sich das schon alles einrichten. Sehr wohl kann man sich dann auf analoge Tätigkeiten konzentrieren, die eher wie Balsam für die Seele wirken, statt sie auszulaugen, weil man mal wieder im endlosen Strudel des digitaler Inhalte gefangen ist.
Einen Punkt – und den habe ich nicht etwa ans Ende gestellt, weil er mir am wenigsten wichtig wäre, sondern weil ich für den schwierigsten halte – gibt es aber noch:
Die Fernbeziehung.
Ehrlich gesagt habe ich dafür auch noch keine gangbare Lösung. Aber Ideen.
- Für diesen konkreten Fall könnte ich eine Ausnahme machen, sodass wir zumindest kurz telefonieren, falls die Sehnsucht gar zu groß werden sollte.
- Im Grunde ginge es sich aus, 25 Stunden offline zu sein und trotzdem jeden Tag miteinander zu telefonieren, wenn wir Freitag vorm Ziehen des Steckers (beispielsweise morgens) telefonieren und dann wieder Samstag Abend, wenn der Sabbat vorbei ist. Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass ich die Geräte eigentlich gern bis Sonntag Morgen ausgeschalten lasse, einerseits weil ich dann auch Freitag Abend flexibler bin, was zumindest in den Wochen, in denen ich nach Berlin fahre, zwecks Ticket hilfreich ist, und andererseits, weil ich dann noch entspannter in den Sonntag komme.
- Etwas Digital Detox ist immer noch besser als gar keiner. Wenn alle Stränge reißen, könnte ich es auch auf einen halben Tag beschränken oder die 25 Stunden auf Samstag und Sonntag aufteilen, sodass sie vor allem die Tages- und weniger die Morgen- sowie Abendgestaltung betreffen.
Flexibilität hilft
Denn wie streng muss ich mit mir selbst sein, wenn es doch eigentlich um mein eigenes Wohlbefinden geht? Ideen habe ich nämlich auch noch für die übrigen Punkte:
- Das Deutschlandticket gibt es auch als Plastikkarte im Kreditkartenformat. Die hat ebenso wie ausgedruckte Zugfahrkarten den Vorteil, dass sie auch gültig sind und funktionieren, wenn das Handy keinen Strom mehr hat – oder man Sabbat hält.
- Es gibt auch noch Bargeld.
- Ganz ohne Musik muss ich freilich nicht auskommen, denn ich könnte ja auch Schallplatten hören oder selbst musizieren.
- Ein analoger Filmprojektor ginge mir jetzt zu weit. Zum Glück gibt es aber auch andere analoge Unterhaltung und Kultur, beispielsweise in Form von Gesellschaftsspielen und Büchern.
- Wenn man nicht ganz ohne Uhr in den Tag reinleben mag, kann man auch auf eine analoge zurückgreifen. Wenn das Tracking der Datenwerte wichtig ist, nutzt man eben für das Tracking einfach weiter die Smartwatch. Denn ohne Smartphone-Anbindung können einen die meisten Apps auf der Uhr ohnehin nicht in ihren Bann ziehen, zeichnen aber trotzdem erstmal alle gewünschten Daten auf.
Mit all diesen Ideen im Kopf, scheint es plötzlich gar nicht mehr so schwer, auch heute noch Digital Detox zu betreiben. Deshalb mag ich das die kommenden Wochen ausprobieren. Im Anschluss werde ich an dieser Stelle noch einmal berichten, was für mich funktioniert hat.
Wie stehst du zu Digital Detox? Brauchst du das ab und an auch oder kannst du auch ohne gut abschalten? Schreib es gern in die Kommentare!
Alles Liebe
Philipp
Gabi
04/03/2024 — 07:08
Hallo Philipp, ein spannendes Thema.
Ich integriere kleinere Auszeiten in den Alltag, was ich hilfreich finde. Also unterwegs das Smartphone möglichst selten nutzen. Mobiles Internet ist nur in dem Moment eingeschaltet, wo ich es brauche, also z.B. kurz den ÖPNV checken. Bezahlen geht mit dem Smartphone auch ohne Internet. Die Ablenkungen reduzieren sich dann auf ein Minimum. Ich bin immer mal wieder bei Youtube versackt. Das habe ich jetzt über eine extra App gelöst, da ich die Bildschirmzeit-Einstellungen des Smartphones ziemlich grottig finde. Sonntags gar nicht, an anderen Tagen mit Zeitverzögerung und begrenzt. Das funktioniert super. Das Interesse an diesen Filmchen ist sehr niedrig geworden. So etwas wie Kommunikation finde ich wichtig. Darauf würde ich nicht verzichten. Allerdings habe ich auch kein WhatsApp,
Philipp
05/03/2024 — 05:07
Hallo Gabi,
vielen Dank für deine Einblicke! Spannend finde ich, dass du das mobile Internet nur dann einschaltest, wenn du es auch brauchst.
YouTube ertrage ich ohnehin nicht mehr, weil mich die Werbepausen, die mitunter im Minutentakt eingeblendet werden stören. Da ich aber auch nicht bereit bin, für ein Premiumabo ohne Werbung zu zahlen, stelle ich in Frage, überhaupt meine wertvolle Zeit auf der Plattform zu verbringen, zumal ich auch Google nicht mag und mir die Videos zu viel Gelaber sind, weshalb ich dieselben Informationen in einem gut geschrieben Text wesentlich schneller erfasse.
Die Einstellungen zur Begrenzung der Bildschirmzeit nutze ich auch schon. Für einige Apps habe ich zeitliche Begrenzungen eingestellt, sodass ich eine Erinnerung erhalte, sobald die Zeit um ist. Dahinter steckt für mich ein rechnerisches Modell: Auch wenn ich jeden Tag nur zehn Minuten auf beispielsweise Social Media verbringen würde, wäre das in einer Woche bereits mehr als eine Stunde. Das ist mir aber ehrlich gesagt zu viel.
Kommunikation ist mir auch wichtig, aber es ist auch eine Frage des Wies. Beispielsweise mag ich es überhaupt nicht, ewig am Handy lange Nachrichten zu tippen. Gleichermaßen finde ich es furchtbar, mir minutenlange Monologe in Sprachnachrichten anzuhören. Allerdings unterhalte ich mich gern von Angesicht zu Angesicht. Deshalb sind telekommunikativ Videoanrufe die beste Option. Seitdem ich nicht mehr im Büro arbeite, telefoniere ich auch wieder gern. WhatsApp habe ich nicht, aber die gängigen Alternativen funktionieren ja recht ähnlich.
Lieber Gruß
Philipp
Aurelia
04/03/2024 — 18:53
Oh das funktioniert bei mir sehr gut. Da ich kein Smartphone habe, bin ich ausser Haus schon mal offline :-)
Zuhaus, hab ich auch täglich Auszeiten, wo ich nicht am Rechner oder iPad bin, also ich bin da ziemlich entspannt und brauche kein gezieltes Digital Detox :-)
Bin sehr gespannt, was du berichten wirst.
Luebe Grüße!
Philipp
05/03/2024 — 05:11
Hallo Aurelia,
tatsächlich erspart ein Leben ohne Smartphone viele dieser Überlegungen! Allerdings musste ich vor einigen Jahren auch feststellen, dass ich die klassischen Featurephones nicht mehr nutzen mag, weil sie keinerlei softwareseitige Anpassungen zulassen. Insofern bin ich mit meinem aktuellen digitalen Ökosystem sehr zufrieden. ☺️
Regelmäßige Auszeiten (wortwörtlich zu verstehen 😁) sind das Ziel. Prima, wenn du das schon so umsetzt. Im Grunde würde ich genau das bereits als Digital Detox bezeichnen.
Lieber Gruß
Philipp