Im Frühjahr war ich in den Golanhöhen unterwegs. Obwohl diese zauberhafte Stückchen Land international Syrien zugerechnet wird, ist es faktisch unter israelischer Kontrolle. Und einmal dort gewesen verstehe ich, wieso diese Region so stark umkämpft ist.
Fast wie Garten Eden
Häufig wird mit Israel eher Wüste assoziiert. Neben der klassischen Berichterstattung dürfte das zu großen Anteilen auch an einzelnen Kurzgeschichten aus dem internationalen Bestseller Die Bibel liegen. Israel hat jedoch noch viel mehr Facetten zu bieten. Ein paar davon befinden sich in den Golanhöhen.
Hier ist das Land noch in sattem Grün. Überall sprießt es und Bäume zieren die Hänge. Wenn die Sonne richtig steht und ich mich auf die surrenden Insekten und zwitschernden Vögel konzentriere, fühle ich mich dem Paradies doch schon recht nah. Sehe ich mich dann aber um und etwas genauer hin, wird mir schnell klar, dass die Menschheit auch hier Schandflecken hinterlassen hat.
Und damit meine ich ausnahmsweise nicht nur Müll. Die eigentlich so idyllischen Hügel werden alle paar Meter von Maschendraht unterbrochen. In überschaubaren Abständen prangt jeweils ein gelbes Warnschild, um Wagemutige doch noch davon abzubringen, die Barrieren zu überwinden. Zum Glück.
Umstrittenes Land
Die Golanhöhen sind hochgradig vermint. In der Armee habe ich gelernt: Die Herstellung einer Mine kostet lediglich 1$. Die Entfernung ebensolcher 1000$. Während die Herstellung und Verbreitung von Minen also “ein Leichtes” ist, bereitet die Entfernung größere Schwierigkeiten und ist angesichts der Gefahrensituation äußerst langwierig. Von Deutschland sind wir es gewohnt, dass hin und wieder eine Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg geborgen wird. Der ist bereits über 70 Jahre her. Im Vergleich zu einem Menschenleben also schon richtig weit weg. Zumindest für die meisten von uns. Dagegen wirken die militärischen Auseinandersetzungen in den Golanhöhen noch nah.
Sowohl Straßen, als auch Siedlungen geben heute keinerlei Hinweis mehr, dass hier einmal ein anderer Staat regiert hatte. Auf Karten sind verschiedene Grenzen eingezeichnet, die sich im Laufe der Geschichte ergeben haben. Nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg hatten sowohl Syrien als auch Israel Zugang zum See Genezerath. In Wüstenstaaten hat jede Wasserquelle ein viel stärkere Bedeutung, als wir wasserverwöhnten Europäer es uns vorstellen können. Noch.
Syrien hatte bereits mehrere Pläne, den Wasserzufluss des Jordans umzuleiten. Darüber hinaus machten die Golanhöhen es Syrien lange Zeit leicht, Israel anzugreifen, weil sie einen hervorragenden Blick auf den Norden des Landes bieten. Außerdem erschwerte es Israel, zurückzuschlagen. Nichtsdestotrotz nahmen die IDF die Gegend im Sechs-Tage-Krieg 1967 ein. Auf die spätere Wiedereinnahme im Yom-Kippur-Krieg durch Syrien folgte einen Gegenschlag von Israel, sodass die Gebiete unter israelischer Kontrolle blieben. Dies wurde von der UN allerdings als unrechtmäßig erklärt und gilt auch noch bis heute an.
Einige Bestrebungen, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen, gab es. Daran war allerdings stets eine Bedingung geknüpft: die vollständige Anerkennung des Staates Israel und daraus resultierend ein Friedensvertrag. Beides kam bisher nicht zustande und nach aktueller Lage scheint diese Vision auch in weite Ferne gerückt. Schließlich hat Syrien seit Jahren mit der innerpolitischen Situation mehr als genug zu tun.
Kriegstourismus wie er im Buche steht
Interessanter Weise zieht dieser Konflikt auch zahlreiche Schaulustige an. Mit Blick auf die feuerfreie Zone, einem Streifen, dem sich weder israelische, noch syrische Streitkräfte näher dürfen, fungiert die UN als stiller Beobachter. Und stehen Touristen für Fragen zur Verfügung. Da keimt die Frage auf, wieso sie eigentlich keine schlichtende Funktion ausführen. Tun sie, aber nur wenn beide Seiten die Verhandlungen aufnehmen, wie ich im Gespräch mit UN Soldaten herausfinde.
Kriegsdenkmäler gibt es hier etliche – jedes davon mit einer mir unangenehmen Portion Patriotismus. Das wohl eindringlichste befindet sich meiner Meinung nach auf Mount Bental. Hier war einer der Schauplätze im Krieg um die Golanhöhen und die begehbare Befestigungsanlage der IDF zeugt nach wie vor von der grausamen Geschichte. Und das liegt nicht nur an den aufgestellten Silhouetten von Soldaten. Sogar die unterirdischen Stollen sind zugänglich und informieren nicht nur, sonder jagen mir immer wieder Schauer über den Rücken.
Gleichermaßen finde ich diesen Ort verstörend, weil Touristen busweise herangespült werden und das ansprechend anmutende Café nicht zu diesem Ort passt, sondern ihm seine Ernsthaftigkeit nimmt. Und das mit Ausblick auf ein Land, in dem zur Zeit Bürgerkrieg herrscht.
Wer sind eigentlich diese Drusen?
Nein, mit den Druiden aus Asterix und Obelix haben sie nichts zu tun. Eine quasi geheime Gesellschaft sind jedoch trotzdem, denn allzu viel ist nicht über sie bekannt.
Ursprünglich haben sich die Drusen von den Schiiten abgespalten. Quelle ihrer Überzeugung ist neben anderen zwar nach wie vor der Koran, allerdings haben sie sich bereits so weit vom Islam entfernt, dass sie mittlerweile als eigenständige Religion angesehen und anerkannt werden. So glauben sie beispielsweise auch an Seelenwanderung, also dem Übergang der Seele von einem Menschenkörper auf einen anderen nach dem Tod auf der Suche nach Perfektion.
Drusen missionieren nicht und sind auch sonst eine in sich geschlossene Gemeinschaft, weil man nur Druse werden kann, wenn die Eltern selbst Drusen sind. Eine Konvertierung ist nicht möglich. Andere Religionen akzeptieren sie jedoch auch so, wie sie sind, da sie davon überzeugt sind, dass Gott bewusst verschiedene Religionen geschaffen habe.
Gleichermaßen erkennen sie die staatliche Obrigkeit des Ortes an, an dem sie gerade leben und beugen sich dieser – so zumindest die öffentlichte Ansicht. Nichtsdestotrotz sind die Drusen nach wie vor eine Minderheit, die unter anderem in den entlegenen Golanhöhen beheimatet sind. Und das werden sie wohl auch immer bleiben. Schade eigentlich, denn ich habe selten solch eine nach außen hin tolerante Religion erlebt. Wie das intern ausschaut, kann ich leider nicht beurteilen.
Anders sieht das bei der lokalen Kost aus. Hier und dort stehen die Drusen mit ihren Heizpilzen (kann man die so nennen?) und stellen eigens drusisches Pita her. Die werden dann mit Füllung süßer (Schokolade, Marmelade, Silan) oder herzhafter (Hummus, Tahini) Füllung versehen und das schmeckt!
Eine verkümmerte Ader des Lebens
Trotz der politisch fragwürdigen Situation ist also bei weitem nicht alles schlecht auf den Golanhöhen. Das gilt besonders für die Flora und Fauna der Region. “Wo Wasser ist, gibt es Leben.” Das gilt auch hier.
Direkt vor dem Hermon erstreckt sich das Hula-Tal, in welchem jährlich Millionen von Vögeln, unter anderem auch Kraniche, auf ihren Reisen von Norden in den Süden und wieder zurück Rast machen. Das Idyll ist jedoch auch hier bereits getrübt.
Das ehemaligen Sumpfgebiet wurde in den 1950er Jahren zu großen Teilen trockengelegt, um es für den Menschen nutzbar zu machen. Der fruchtbare Boden war hervorragend für die Landwirtschaft, allerdings hat der Mensch wieder einmal die langfristigen Folgen übersehen. Beispielsweise wurden die in der Agrarwirtschaft eingesetzten Pestizide letztlich in den See Genezareth gespült und dort die Wasserqualität spürbar gemindert. Weiterhin war das trockengelegte Land starker Erosion ausgesetzt und und verursachte ein Artensterben mangels Habitat.
Mittlerweile hat man sich darauf besinnt, dass es ohne Natur nicht geht und einen Bruchteil der Sumpfgebiete geschützt. Ansässige Farmer streuen gezielt Korn und Kichererbsen, um die Zugvögel von ihrer Ernte fernzuhalten. Das hat zwei Seiten. Einerseits ist natürlich “nett”, dass die Landwirtschaft die Zugvögel täglich mit mehreren Tonnen Lebensmitteln unterstützt. Gleichermaßen zieht das Touristen und Ornithologen an, die dadurch die einmalige Chance bekommen, Kraniche von so nah wie noch nie zu beobachten und zu fotografieren. Das bietet die Möglichkeit, in einer breiten Masse ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen.
Allerdings ist auch das wieder ein Eingriff des Menschen in die Natur. Und damit allein ist es noch nicht getan. Die Tatsache, dass ein Großteil des Landes immer noch vom Menschen eingenommen wird und nach wie vor Flugzeuge in Schwärme fliegen, um sie zu vertreiben, zeigt, dass hier noch viel Arbeit nötig ist, bis wir Menschen begreifen, wo wir in der Natur eigentlich stehen. Was bisher getan wurde, kann also nur ein erster Schritt sein.
Das ist mein persönlicher, erster Eindruck der Region. Warst du selbst schon einmal da? Und wenn nicht, hast du womöglich trotzdem eine Meinung. So oder so, lass uns doch daran teilhaben!
Alles Liebe,
Philipp