Halbzeit! Zeit für die Umkehr

Vor einem Monat begann ich mein soziales Experiment. Nun ist bereits Halbzeit und ich habe zwischenzeitlich den Fahrplan etwas zu Gunsten des Versuchs geändert. Zeit für ein Zwischenresümee!

Gewohnheit und Neuheiten

Wie sooft läuft es so: Man findet etwas Neues, hat zunächst Bedenken, probiert es anschließend doch mal aus, nutzt es dann exzessiv, bis man sich schließlich daran gewöhnt hat und die Nutzung gen Null geht. So geht es mir gerade mit den meisten Apps, die ich ihm Rahmen meines Selbstversuchs begonnen habe zu nutzen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie allesamt recht zeitaufwändig sein können. Wenn mir ebendiese ohnehin fehlt, stecken soziale Medien bei mir zurück.

Foto Pokémon Go macht die Runde

Pokémon Go macht die Runde

Außerdem kam im letzten Monat eine neue App auf den Markt, die diesen ebenso schnell erobert hat. Überall ist die Rede von Pokémon Go. Und nachdem ich zu Beginn den Hype gar nicht live mitbekommen habe, musste ich feststellen: Jede soziale Schicht spielt dieses Spiel! Schüler, Studenten, EU-Abgeordnete, Banker, … Und was ich für Geschichten gehört habe!

 

Von Rentnern, die sich Hunde kaufen, damit sie unterwegs nicht des Pokémon Go Spielens verdächtig werden, obwohl sie es natürlich auch zocken. Amerikaner sollen sich nun angeblich viel mehr bewegen. In Grundstücke wurde eingebrochen, um seltene Pokémon zu fangen. Diebe haben Hotspots eingerichtet, um Spieler anzulocken und anschließend unauffällig auszurauben. Lediglich Liebesbeziehungen aufgrund des Spiels habe ich vermisst.

 

Anfangs hatte ich ein paar Tage überlegt, ob ich die App wirklich runter laden soll. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich war als Kind großer Freund der kleinen Taschenmonster, kannte alle (damals noch 251) beim Namen inklusive Entwicklungsleveln, spielte sowohl das Kartenspiel, als auch die Game Boy spiele hoch und runter. Eines Tages hatte ich sie sogar alle! – Bis eines Tages die Batteries des Moduls leer war und damit der Spielstand verloren gegangen ist.

In der Folge hatte ich keine Lust mehr, noch einmal loszuziehen, tagelang Pokémon zu trainieren und dieselbe Geschichte noch einmal zu durchlaufen.

Gut gemacht!

Nun kommt tatsächlich ein neues Spielprinzip heraus, bei welchem ich mich doch frage, warum das nicht schon viel früher auf den Markt kam. Letztlich entschloss ich mich, dem Spiel eine Chance zu geben. Immerhin passt es so gut in mein Experiment!

Dass man nun überall auf der Welt Pokémon begegnen kann und durch das Handydisplay sieht, ist genial! Augmented Reality ist definitiv im Kommen! Und das Handy hat man quasi eh immer dabei. Nun bedarf es auch keines neuen Spiels, wenn neue Pokémon herauskommen, man lädt sich einfach das Update – toll. Die echte Welt mit einer fiktiven zu kombinieren – das ist (momentan noch) Innovation!

Foto Ein wiles Traumato!

Ein wildes Traumato!

[Achtung: Hier beginnt der Teil für Insider, Nerds und eingefleischte Fans ;)]

Die war für die Pokémon Spiele auch dringend nötig. Ganz gleich, welche Generation von Pokémon man bisher gespielt hat, das Prinzip war stets dasselbe: Als Anfänger mit einem Pokémon beginnen, ganz viel trainieren und die Welt erkunden, stärker werden, Kämpfe gewinnen und ganz nebenbei noch alle Pokémon, die es gibt, fangen. Außerdem hatten die Spiele eine starke soziale Komponente, weil man gegeneinander antreten und die Taschenmonster miteinander tauschen konnte.

Bei den bisherigen Spielen war jedoch die Geschichte um das Spiel herum stets dieselbe. Im Großen und Ganzen hat sich ediglich die Grafik etwas von Generation zu Generation verbessert. Die war allerdings nie wirklich berauschend. Nichtsdestotrotz (oder gerade deshalb?) haben sich die Spiele zu Kult-Klassikern entwickelt – inklusive dazugehöriger Fanbase.

Nicht so voreilig!

Foto chicChick91

chicChick91

Entsprechend sollte man doch annehmen, dass ein Konzern, der bereits seit mehreren Jahrzehnten besteht, abschätzen kann, welchen Ansturm es beim Produktstart geben wird.

Weit gefehlt! Ich wollte mich mit wenigen Tagen “Verzug” anmelden, was zunächst gar nicht ging, weil die Server überlastet waren. Ein generelles Problem, dass auch häufig beim Spielen auftritt und den “Spielspaß” (dazu später mehr) immens stört. Irgendwann ging es dann doch und ich war fortan als “chicChick91” unterwegs.

Alsdann machte sich schnell bemerkbar, dass das Spiel nicht mit den kultigen GameBoy Spielen mithalten kann. Und das liegt größtenteils am Spielprinzip selbst. Während man früher wilde Pokémon mit dem eigenen Pokémon schwächen musste, um sie zu fangen, wirft man ihnen jetzt einfach von Anfang an stupide Bälle gegen den Kopf, bis es klappt.

Bevor man Level 5 erreicht, kann man gar nicht kämpfen. Um seine Viecher zu trainieren, gibt man ihnen Bonbons. Jedes Pokémon hat seinen eigenen Bonbons, welche man ausschließlich bekommt, indem man mehr Pokémon der gleichen Art fängt. Also zieht sich diese stumpfe Tätigkeit zieht durch das gesamte Spiel.

Tatsächlich kann man überhaupt nicht außerhalb von Arenen kämpfen, sondern gibt seinen Pokémon ständig Süßigkeiten, damit sie stärker werden. Hallo?! Hier sind auch Kinder!? Ich hege den argen Verdacht, dass dieses Spiel gar nicht durch In-App-Verkäufe, sondern die Süßigkeitenindustrie finanziert wird.

Die soziale Komponente geht meines Erachtens komplett verloren, denn man kann nicht mehr tauschen oder gegeneinander antreten, interagiert also nicht im Spiel miteinander. Stattdessen bilden sich in jeder Stadt Hotspots, an denen ganz viele Menschen hocken, nebeneinander sitzen und auf ihr Handy starren, anstatt sich auf das Gespräch miteinander zu fokussieren. Dabei wäre es technisch so einfach, wie genial, dass man Tausch und Kampf nun überall und kabellos durchführen könnte!

Unabhängig davon, ist es ziemlich schwer, später in das Spiel einzusteigen. Ich frage mich tatsächlich, wie viel Zeit die ganzen Pros mit ihren hohen Leveln investieren. Mit mäßig viel Spielzeit kommt man jedenfalls nicht weit!

[Ende Teil für Insider, Nerds und eingefleischte Fans]
Foto Karpados schnappt nach Luft

Karpados schnappt nach Luft

Ich warte ehrlich gesagt auch darauf, dass sich Peta einschaltet und die Hersteller des Spiels wegen Anstiftung zu Tierquälerei verklagt. Erst die dubiose Fangtechnik und nun auch noch das: Es sollte doch klar sein, dass manche Lebenwesen nicht überall existieren können. Die technischen Möglichkeiten, dass via Kartenmaterial zu bestimmen, gibt es. Warum finde ich also Fische an Land? Die brauchen doch Wasser!

So oder so bedarf dieses Spiel auf jeden Fall noch einiger Updates, damit es sein Potential (das es definitiv hat!) entfaltet.

Die Umkehr

Beim Bergsteigen ist es üblich, dass man zur Hälfte des Tages den Rückweg antritt, um nicht bei Dunkelheit den Berg hinunterzustürzen. Ebenso möchte ich das in der letzten Hälfte meines Experiments tun und mich auf meine Werte im Sinne des Minimalismus zurückbesinnen.

Deshalb gilt es im zweiten Monat, herauszufinden, welche der Apps mir einen wahren Nutzen oder Freunde in Relation zu der investierten Zeit liefert. Bei Pokémon Go bedarf es beispielsweise äußerst viel Zeit, bevor das Spiel überhaupt richtig anläuft. Ist es mir diese Zeit zu Unterhaltungszwecken wert? Darauf werde ich im kommenden Monat eingehen.

Mich interessiert: Wie ist deine Meinung zum Hype um Pokémon Go? Spielst du vielleicht sogar selbst?

Alles Liebe,

Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp,

    grundsätzlich hast du Recht, die Menschen kommen zwar raus, sitzen dann aber auch nur stumm im Kreis. Es gibt einfach noch viel zu wenige Funktionen und langfristig fehlt irgendwie die Motivation :/

    Im Artikel fehlt mir ein bischen das Thema Ingress. Niantic, also die Entwickler von Pokémon Go selbst, haben schon vor Jahren ein Spiel mit denselben Grundlagen herausgebracht: Augmented Reality, gegeneinander kämpfende Spielerteams und mehr. Wenn ich das richtig sehe, haben beide Spiele sogar die gleiche technische Grundlage. Auch damals hat es ewig gedauert, bis die Server mitgehalten haben.

    Aus technischer Perspektive ist das alles also gar nicht neu. Die einzige Innovation ist das Marketing und das Setting, also die Spielwelt. Ingress hat von der Aufmachung her nur eine relativ kleine Zielgruppe von Nerds angesprochen. Pokémon Go spricht da einfach wesentlich mehr Masse an :)

    Ich bin gespannt, wie es für dich weitergeht :)

    Viele Grüße
    Sven

    • Hallo Sven,

      vielen Dank für deinen Kommentar! Ich bin froh, dass du Niantic ansprichst! Ich hatte überlegt, es noch mit aufzunehmen, der Teil ist dann aber dem Rotschrift zum Opfer gefallen. (siehe Insider, Nerds und eingefleischte Fans :P)

      Das Backend ist meines Wissens tatsächlich 1:1 übernommen wurden. Was bei Ingress Portale waren, sind nun Pokéstops, wo man bei Ingress Materie fand, findet man nun Pokémon.

      Gerade das steigert meine Enttäuschung noch umso mehr, dass man einerseits nicht mehr daraus gemacht hat und andererseits die Server überlastet sind. Unter der Warte hätte man es sogar zweifach erwarten sollen. ;)

      Lieber Gruß,
      Philipp

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