Mein Feind, das Multitasking

Letzten Monat war ich das erste Mal live im Radio zu hören. Rückblickend fand ich es aufregend und entspannt zugleich. Wie, weshalb und worum erfährst du in den folgenden Zeilen.

Vor ein paar Wochen erreichte mich eine E-Mail mit einer Anfrage für ein Radiointerview für Deutschlandfunk Nova. Inhaltlich sollte es um Multitasking gehen. Auf mich aufmerksam sei man wegen eines Textes aus dem Jahr 2018 geworden, in dem es meines Erachtens allerdings nur am Rande um Multitasking geht. Ungeachtet dessen, habe ich eine sehr deutliche Meinung über Multitasking: Es ist ein Mythos. Zumindest, wenn es im Zusammenhang mit dem menschlichen Gehirn gedacht wird.

Da ich mich generell gern über Erfahrungen austausche, das Medium Radio (respektive Podcast) mag und es eine neue Erfahrung für mich darstellte, live im Radio zu sprechen, und mich das interessierte, sagte ich also zu. Da man bei einer Live-Übertragung im Gegensatz zum Podcast nicht die Möglichkeit hat, unliebsame oder weniger gelungene Stellen herauszuschneiden oder neu einzusprechen, war mir zunächst etwas Bange. Denn was, wenn man etwas sagen würde, das man hinterher bereut?

An dieser Stelle kann ich jedoch Entwarnung geben, denn das Gespräch gestaltete sich sehr angenehm. Vielen Dank deshalb auch noch einmal an Katharina Bergmann, Anne Bohlmann und Ivy Nortey für die Kontaktaufnahme, Organisation und Moderation. Hier kannst du dir den Beitrag in voller Länge anhören. Da ich jedoch um Menschen weiß, die eher auf Text stehen, findest du nachfolgend noch einmal meine Tipps gegen Multi- und für mehr Monotasking:

1. Grenze dich ab.

Alle medizinischen Praxen, in denen ich Patient bin, haben konkrete Öffnungs- und Sprechzeiten. Darüber weiß ich Bescheid, akzeptiere es und handle auch entsprechend: Mir käme nicht in den Sinn, außerhalb der Öffnungszeiten in der Praxis aufzuschlagen, denn ich wüsste, dass ich dort niemanden antreffen würde.

In meinem aktuellen beruflichen Umfeld sieht das etwas anders aus: Hier wird schon immer mal wieder versucht, uns außerhalb unserer Öffnungszeiten zu anzutreffen oder -rufen. Definierte Sprechzeiten haben wir nicht, deshalb wird davon ausgegangen, wir seien permanent erreichbar. Oft hat das ja auch schon geklappt und so wurde es zur (schlechten) Gewohnheit.

Meiner Erfahrung nach bin ich jedoch entweder erreichbar oder produktiv – beides zusammen klappt nicht. Öffentlich einsehbare Sprechzeiten auszuweisen und einzuhalten, mag zwar nicht für alle möglich sein, doch das Prinzip ist klar: Je deutlicher wir Grenzen ziehen und diese auch kommunizieren, desto erfolgreicher können wir uns auf die Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind.

2. Reduziere Reize.

Gleichzeitig zu atmen und eine Schreibe Brot zu essen, stellt Monotasking dar, denn der Atemvorgang geschieht unbewusst. Multitasking bedeutet hingegen, seine Aufmerksamkeit auf mehrere Tätigkeiten aufzuteilen. Da unser Gehirn aber nicht darauf ausgerichtet ist, mehrere Dinge gleichzeitig im Fokus zu behalten, richtet es die Aufmerksamkeit immer abwechselnd darauf aus, was auch immer gerade unsere Aufmerksamkeit einfordert. Das macht uns nicht nur langsamer und fehleranfälliger, es ermüdet uns auch ungemein.

Vielleicht kennst du das: Man schreibt gerade konzentriert an einer E-Mail, in der wichtige Termine korrekt wiedergegeben werden müssen. Plötzlich betritt jemand das Büro und fragt: “Darf ich kurz stören?” Ob man es möchte, oder nicht, die Störung ist bereits geschehen, die Konzentration zerborsten und die Frage somit überflüssig. Denn der Fokus springt automatisch zu der den Raum betretenden Person. Genauso verhält es sich mit Handybenachrichtigungen (*bing*), Türklingeln, umherspringenden App-Icons, Indikatoren ungelesener Nachrichten oder Vorschaubannern eingehender E-Mails. Allerdings lassen sich diese vergleichsweise einfach abschalten.

Eine E-Mail muss ich nicht just in dem Moment sehen, in dem sie eintrifft. Es heißt zwar Instant Messaging, das bedeutet jedoch nicht, dass ich auch sofort antworten muss. Nachrichten und Anrufe regelmäßig über den Tag verteilt am Block abzuarbeiten, erweist sich effektiver und effizienter. Und ja, auch an einem visuell aufgeräumten Schreibtisch läuft die Arbeit geschmeidiger.

3. Beweise Disziplin.

Dieser Tipp zielt in drei Richtungen:

  1. Was nützt alle Predigt, wenn man sie dann nicht umsetzt? In diesem Fall heißt das: Teile auch mit Menschen deine ungeteilte Aufmerksamkeit, so wie du sie auch für dich einforderst. Niemand fühlt sich wertgeschätzt, wenn das Gegenüber während eines Gesprächs parallel am Handy klebt oder E-Mails schreibt.
  2. Klare Kommunikation und Zuverlässigkeit sind wichtig: Wenn andere wissen, dass man nicht immer sofort reagiert, oder darüber informiert werden, wann man sich darum kümmern wird, können sie eher damit umgehen, als wenn sie gar keine Reaktion erhalten und sich dann womöglich sorgen. Privat mag es ganz gut funktionieren, den ganzen Tag nicht erreichbar zu sein, beruflich jedoch nicht. Entsprechend sollte man dann schon auch tatsächlich zwischendurch Nachrichten abarbeiten, anstatt sie nur zu lesen.
  3. Genauso wie ich in meinem Privatleben sämtliche geschäftlichen Kommunikationskanäle aussperre, vermeide ich auch private Kommunikation während der Arbeitszeit. Das erscheint mir nur gerecht und schafft klare Verhältnisse.

Mit 100%-iger Sicherheit kann ich vorhersagen, dass das so nicht immer klappen wird. Es wird wiederkehrend Situationen geben, in denen die Abgrenzung nicht gelingt, wir von Reizen überrannt werden oder unsere Disziplin sich eher als blechern als eisern erweist. Doch das soll uns nicht davon abhalten, es immer wieder zu probieren. Irgendwo anfangen müssen wir ja. Sonst kann es nie besser werden.

Ironischer Weise fiel mir gerade während der Aufnahme im Funkhaus auf, wie viel Multitasking die Menschen dort eigentlich ausgesetzt sind. Die Moderatorin steuert Jingles und eingespielte Lieder selbst während sie anmoderiert und gegebenenfalls auf kurzfristige Einwürfe reagieren muss. Auch abseits der Aufnahmekabine steht Multitasking an der Tagesordnung: In einem Großraumbüro mit etwa zwanzig Arbeitsplätzen, jeder davbon mit einem eigenen Telefon ausgestattet, arbeitet die gesamte Redaktion – außerhalb der Pandemie – auf einem Haufen. Bei der Vorstellung, wie viele Gespräche dort gleichzeitig stattfinden, wird mir ganz übel, denn in der journalistischen Arbeit macht man nach dem Schreiben wahrscheinlich nichts so viel wie telefonieren. Auch hier lassen sich Lösungen finden, doch darauf gehe ich in einem anderen Beitrag ein.

Nun interessiert mich: Wie gehst du mit Multitasking um? Teile deine Erfahrungen und Lösungen gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Ich kenne das Phänomen auch. Vor allem auf der Arbeit. Als Lehrerin ist man gefühlt 24/7 für alles und jeden zuständig. Ich habe das von Anfang an klar abgegrenzt. Eltern können mit mir Gespräche/ Termine über das Sekretariat machen. Private Telefonnummern und Email haben nur meine Kolleginnen.

    Ich empfinde es dennoch als ziemlich schwierig in meinem Beruf, Multitasking zu vermeiden. Allein im Unterricht muss ich meine Aufmerksamkeit auf mehr als 25 Kinder gleichzeitig aufteilen. Das ist auch der Grund, weshalb ich der Meinung bin, dass eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden in sozialen Berufen faktisch nicht möglich ist. Vor allem, wenn es um Kinder geht, die noch keine Wahrnehmung dafür haben, wo die Grenzen der Erziehenden sind.

    In letzter zeit probiere ich zudem verschiedene To-Do-Listen Systeme aus, um herauszufinden, was für mich funktioniert. Mein Ziel ist dabei, Arbeitsabläufe sinnvoller zu gestalten, ähnliche Aufgaben zusammenzufassen etc.

    • Hallo Aura,

      tatsächlich habe ich über den Lehrberuf sehr unterschiedliche Eindrücke. Einerseits stelle ich mir in meiner Idealvorstellung vom Beruf vor, wie gut man dort Fokus haben kann, weil man jeweils 45 Minuten am Stück konzentriert unterrichten kann und in dieser Zeit ja auch nicht telefonisch erreichbar sein muss. Das stellt gewissermaßen einen kompletten Kontrast zu meinem eigenen Berufsalltag dar. Andererseits sehe ich nicht, wie man als Lehrkraft die gesetzlichen Pausen einhalten soll, denn faktisch hat man keine richtige Pause, weil man zwischen den Unterrichtsstunden ja dennoch Ansprechperson für die Klasse ist, Aufsichtspflicht hat und sich ja auch nur in dieser Zeit im Kollegium absprechen kann. Und allem voran habe ich selbst keine Erfahrung mit 30-köpfigen Schulklassen, insofern kann ich sehr gut nachvollziehen, wie deine Aufmerksamkeit aufgeteilt werden muss.

      Ehrlich gesagt möchte ich auch nicht, dass im Kollegium über meine private Handynummer verfügt wird. Manchen macht das nichts aus, doch in der Vergangenheit habe ich damit leider keine guten Erfahrungen gemacht.

      Arbeitsabläufe zu optimieren, ist genau mein Thema! Stacking (ähnliche Aufgaben zusammenfassen) hat sich für mich auch bewährt.

      Alles Liebe
      Philipp

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