Mein Wahlprogramm 2017

Heuer steht in Deutschland die Bundestagswahl an. Nach und nach einigen sich alle Parteien, was ihre Wahlversprechen und Koalitionsbedinungen sind. Stets angepasst an den Zeitgeist unserer Gesellschaft, sollten wir zumindest meinen. Ich stehe zwar nicht zur Wahl, aber ich habe sie. Und ich weiß, wie mein persönliches 10-Punkte-Programm aussieht.

Für mich selbst ein Wahlprogramm aufzustellen, hilft mir nicht nur bei der Qual der Wahl, wo ich denn nun meine Kreuzchen setze, sondern zeigt mir auch, was mir persönlich wichtig ist. Hier sind sie also, meine zehn Punkte für die Bundestagswahl 2017 – übrigens ohne Priorität, aber dafür als Paket zu verstehen.

Gleiches Recht für alle

Wir alle können nichts dafür, woher wir kommen. Ebensowenig ist es nichts, worauf wir stolz sein sollten, denn wir haben dazu nichts beigetragen. Während dieser Faktor bei allen Menschen unterschiedlich ist, haben wir als Gesellschaft die Macht, solche ungleichen Startchancen im Leben auszugleichen.

Das schließt nicht nur ein, Rechte wie säkulares Eherecht, Adoptionsrecht und die Möglichkeit einer Blutspende für alle Menschen unabhängig von Herkunft, Weltanschauung und Sexualität auszuweiten und hört ganz sicher nicht bei einem bedingungslosen Grundeinkommen auf. Denn damit allein ist es nicht getan. Es ist vielmehr eine allumfassende Transformation unserer Gesellschaft. Womöglich ist das Grundeinkommen gar Geld, sondern ein für die bedingungslose Grundsicherung zur Verfügung gestellte Lebensmittel, Wohnung, Kleidung, Bildung und ärztliche Fürsorge. Womöglich bekommt Geld einen Verfallswert, um finanzielle Ungerechtigkeit auszugleichen. Und womöglich sind Kapitalismus und das derzeitige Steuersystem total hanebüchen. Wir sollten nicht aufhören, den Status Quo in Frage zu stellen, und Änderungen willkommen zu heißen und umzusetzen. Eine Verbesserung der Situation ist nicht möglich, wenn wir alles dabei belassen, wie es ist!

Mehr Raum für die Natur

Wir greifen Tag für Tag in die Natur ein, ändern ihre Erscheinung, und dezimieren sie. Für Deutschland heißt das, dass es quasi keine unberührten Flächen mehr gibt. Selbst Gebiete, die nicht bebaut oder landwirtschaftlich genutzt werden, leiden unter den Hinterlassenschaften von uns Menschen.

Da es jedoch praktisch unmöglich ist, exakt nachzuvollziehen, wann und wo Menschen ihren Müll fallen lassen, Pflanzen beschädigen und Tiere verdrängen, und im gleichen Zuge die richtigen Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen, da Ökosysteme äußerst komplex sind, bedarf es mehr flächendeckender, zusammenhängender Schutzgebiete, deren Zugang für Menschen tabu ist. Außerdem bedarf es eines Stopps von Versiegelung weiterer Flächen.

Doch Menschen mögen Verbote nicht und ich halte es darüber hinaus für sinnvoller, Menschen teilhaben zu lassen, weil so ein stärkeres Bewusstsein entsteht. Andererseits ist das bereits das richtige Stichwort: Wir haben an dieser Stelle nämlich ein falsches Bewusstsein. Die Natur ist nicht abhängig von uns, sondern wir von ihr. Um diese Idee nachhaltig in der Gesellschaft zu verankern, plädiere ich für Rand- und Kernzonen von Schutzgebieten, ähnlich wie in Nationalparks. Die Randzonen werden zur Begegnungstätte, Orte des Lernens, die Kernzonen sind tabu und werden der Natur überlassen.

Lebenslanges Lernen fördern und fordern

Einer der großen Irrtümer unserer Gesellschaft ist, dass man es in einem bestimmten Abschnitt des Lebens “geschafft” hat. Mit dem Schulabschluss, nach der Lehre, dem Studium oder der einen Beförderung, die es noch braucht, um da zu sein, wo man sein möchte. Damit ist es aber nicht getan.  Unser Umfeld ändert sich täglich, neue Herausforderungen bedürfen neuer Denkansätze, permanent werden Lehren verbessert, reformiert und widerlegt, und als wäre das nicht genug, gibt es mehr teilenswertes Wissen, als man je in einer Schullaufbahn vermitteln kann.

So viel zur Theorie. Die derzeitige Praxis macht es da nicht gerade einfacher. Einmal berufsfähig scheint es unmöglich, noch ausreichend Zeit und Geld für Weiterbildungen oder gar komplette Neuorientierungen zu finden, ganz nach dem Motto: “Du hast dich einmal für einen Beruf entschieden. Jetzt musst du selbst sehen, wie du zurechtkommst.” Doch manchmal läuft nicht alles nach Plan. Träume platzen, Hoffnungen zerfallen zu Staub und neue Türen ploppen hier und da auf.

Wir dürfen es Menschen nicht erschweren, auf ihrem bisherigen Weg eine 180°-Drehung zu machen. Denn selbst, wenn sie sich dafür entscheiden, ist es immer noch ihr Weg. Und wenn unsere Gesellschaft wirklich lebenswert sein und bleiben soll, sind wir sogar auf ebensolche Menschen angewiesen, die entgegen aller Umstände tiefer graben, Neues probieren und nicht mit dem “Abschluss” abschließen.

Plastik verbannen

Seit Jahrzehnten wissen wir über die Gefahren und Schäden von Plastik Bescheid. Nichtsdestotrotz ist es allgegenwärtig und wird uns nahezu aufgedrängt. Alternativen gibt es reichlich, wie uns allein die Tatsache, dass es auch ein Leben vor dem Plastik gab, zeigt.

Es geht nicht an, dass Flora, Fauna, alle Menschen dieser Welt sowie Folgegenerationen darunter leiden, weil finanzielle Interessen einzelner einflussreicher Konglomerate dem Wohl der Gemeinschaft übergestellt sind. Millionen Menschen müssen mit dem Wandel im Arbeitsmarkt zurechtkommen. Nun ist es an der Zeit, dass Firmen lernen, mit Wandel umzugehen. Innovation zum Wohle der Welt sollte nicht nur gefördert, sondern in erster Instanz gefordert werden. Produzenten von Produkten mit nachweislich gesundheitsschädlichen (Abfall-)Stoffen müssen verantworten, warum sie nicht auf ökologisch sinnvolle Alternativen umsteigen. Denn einen höheren Preis als unsere Gesundheit gibt es nicht.

Deshalb stimme ich dafür, dass nicht nur auf Plastiktüten Gebühren anfallen, sondern ein schmerzhaft hoher Kompensationsbeitrag bei jeder Transaktion von Stoffen, bei deren Herstellung oder Abbau Schäden an menschlicher Gesundheit und Natur entstehen, zu entrichten ist und dieses Geld zweckgebunden für die Renaturisierung verwendet wird.

Öffis wieder öffentlich machen

Ein Blick auf Deutschlands Straßen zeigt nicht nur Millionen von verkehrenden Fahrzeugen, sondern auch Abermillionen von parkenden, die wertvollen Platz wegnehmen. Das liegt einerseits daran, dass öffentliche Verkehrsmittel, vor allem in ländlichen Regionen, nicht mehr so stark genutzt werden, seitdem PKWs durch Massenproduktion günstiger in der Anschaffung geworden sind, welche wesentlich mehr Flexibilität bieten. Andererseits wurden öffentliche Verkehrsbetriebe privatisiert, was dazu führte, dass finanzieller Erfolg und nicht mehr erschwingliche Mobilität für die breite Bevölkerung das Hauptkritierium wurde. In der Folge, wurden viele weniger genutzte Linien gestrichen, weshalb die Landbevölkerung aufgrund größerer Reichweite im Arbeitsleben auf eigene Fahrzeuge angewiesen waren. So gingen nach und nach den Öffentlichen, die eigentlich gar nicht mehr öffentlich sind, die Kunden verloren, weshalb sie die Preise anheben mussten, um überhaupt zu überleben, weshalb weitere Kunden absprangen, und so weiter und so fort.

Dieser Teufelskreis kann jedoch durchbrochen werden, wenn öffentliche Verkehrsmittel endlich wieder komplett in die öffentliche Hand übergehen, Autos als Privatbesitz wesentlich teurer werden und stattdessen ein bundesweites, flächendeckendes Netz an autonom fahrenden Autos, die ähnlich dem Carhsharing gemeinschaftlich genutzt werden, Züge und Busse ergänzen. Die Technologien dafür liegen bereits vor. Als nächstes brauchen wir Gesetze, die es ermöglichen, mit ihnen unseren Alltag zu verbessern.

Der dadurch freigewordene Platz (aka Parkflächen) kann stattdessen für Fahrbahnen für Fahrräder mit Überholmöglichkeit und für mehr Grünflächen genutzt werden. Darüber hinaus soll es ein europaweites öffentliches Bikesharingangebot geben,  das auch ländliche Regionen abdeckt.

Automatisches Opt-out als Standard etablieren

Wir sind im Alltag durch zahlreiche Verträge gebunden. Oft befindet sich dort eine Klausel, dass der Vertrag automatisch verlängert wird, insofern nicht rechtzeitig eine Kündigung erfolgt. Daran haben sowohl Unternehmen als auch der Staat Interesse, denn beide verdienen daran, wenn ein Vertrag bestehen bleibt. Weiterhin gibt es Verträge, in die wir hineingezogen werden, obwohl wir dies womöglich gar nicht wollen. Oft stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit, denn eigentlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit. Es bedarf also der ausdrücklichen Zustimmung, um einen Vertrag abzuschließen. Hiervon gibt es in der Praxis jedoch rechtlich fragwürdige Ausnahmen. Einige davon sind:

  • Religion – Man wird bereits vor Erreichen der vollen Geschäftsfähigkeit einer Religion, meist durch die Eltern, zugeordnet und muss in der Folge als volljährige Person erst aktiv austreten.
  • GEMA – Einmal abgeschlossen, räumen Künstler der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte das ausschließliche Nutzungsrecht für bereits bestehende und alle zukünftigen Werke ein. Ein Austritt ist dann also nicht mehr möglich, was der Aufhebungsfreiheit widerspricht.
  • Rundfunkbeitrag – Obwohl kein Bürger je aktiv einem Vertrag zugestimmt hat, ist jeder Haushalt verpflichtet, einen Rundfunkbeitrag zu leisten. Eine Möglichkeit zum Austritt gibt es nicht einmal.

Während hier die finanziellen Interessen Einzelner bevorzugt werden, leiden täglich Millionen von Bürgern unter dem automatisierten Opt-in. Ich plädiere hingegen dafür, dass ein automatisches Opt-out der Standard wird. Das bedeutet, dass Verträge und Mitgliedschaften seitens aller beteiligter Vertragsteilnehmer jährlich erneut bejaht werden müssen. Andernfalls enden sie.

Das hat nicht nur zur Folge, dass die im Grundgesetz zugesicherte Handlungsfreiheit auch in der Praxis umgesetzt wird, sondern sich Vertragsparteien auch umeinander bemühen.

Behörden restrukturieren und digitalisieren

Deutschland weist einen immensen Apparat an Behörden auf, der aufgrund von Föderalismus teilweise auch notwendig ist. Vieles lässt sich durch Digitalisierung jedoch vereinfachen.

Ein Beispiel dafür ist die Meldepflicht. In Deutschland müssen sich alle Menschen dort beim Bürgeramt melden, wo sie gerade wohnen. Dieses Gesetz, obwohl jüngst reformiert, entstammt aus einer Zeit bevor an das Internet und digitale Daten überhaupt zu denken war. Heute leben wir mit beidem und sollten uns daher fragen: Braucht es persönliche Behördengänge und gedruckte Akten überhaupt noch? Oder könnte man, anstelle sich zu melden, auch einfach eine offizielle, vom Staat vergebene Adresse für Behördenschreiben ähnlich einer eMail und Ende-zu-Ende-verschlüsselt, so wie es bei Steuererklärungen bereits heute der Fall ist, haben?

Natürlich wird es weiterhin Menschen geben, die lieber eine physische Adresse haben wollen oder keine Zugang zum Internet haben. Allerdings werden es immer weniger. Deshalb ist jetzt die Zeit, eine digitale Adresse als Alternative einzuführen.

Mehr Ehrlichkeit in der Drogenpolitik

Drogen sind ein zweischneidiges Schwert in Deutschland. Einerseits sind sie verpönt und Kinder werden bereits im jungen Alter über die negativen Folgen derer aufgeklärt. Andererseits sind Alkohol und Nikotin gesellschaftlich toleriert und sogar legal erhältlich. Und wiederum andere bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Substanzen, beispielsweise  Cannabis, sind verboten zu besitzen, während andere, etwa Koffein oder Kakao, nicht einmal als solche gehandelt werden.

Die Geschichte zeigt recht deutlich, dass sich Menschen zuverlässig über Verbote hinwegsetzen. Als wesentlich nachhaltiger erachte ich es, dauerhaft, ehrlichere Aufklärung zu betreiben und zum Schutz der Konsumenten die Möglichkeit zu bieten, die Wirkung der Substanzen unter Aufsicht in einem geschützten Raum am eigenen Körper zu erfahren. Durch staatlich geprüfte Veräußerungen könnten außerdem gesundheitliche Schäden durch Verunreinigungen, wie es bei Lebens- und Genussmitteln bereits heute geschieht, vermieden werden.

Religion zur Privatangelegenheit machen

In Deutschland gilt Religions- und Glaubensfreiheit und das ist auch gut so, denn auf diese Art wird nicht nur die Freiheit des Menschen geschützt, sondern auch Kulturgut. In der Realität herrscht diese aber noch nicht konsequent genug. Alle staatlichen Feiertage mit religiösen Hintergrund in Deutschland sind christlichen Ursprungs. Religiöse Feiertage aus anderen Religionen hingegen, sind in Deutschland nicht im gleichen Maße geschützt, was Religionsgemeinschaften außerhalb des Christentums in ihrer Religionsausübung einschränkt. Weiterhin werden Menschen ohne Religion zur Einhaltung der Feiertagsruhe gezwungen. Auch in anderen Bereichen genießen christliche Gemeinschaften erhebliche Vorteile gegenüber anderen Religionen oder säkularen Gemeinschaften, beispielsweise dem eingebundenen Religionsunterricht in Schulen oder dem Erheben von Mitgliedsbeiträgen.

Natürlich ist es schwer möglich, alle Feiertage einer jeden Religion im gleichen Maße zu berücksichtigen, Mitgliedsbeiträge aller Vereine über die Steuer abzurechnen oder sicherzustellen, dass jede Schule in Deutschland Lehrkräfte für jede erdenkliche Religion hat. Hingegen ist es viel einfacher, eine klare Trennung einzuhalten. Sowohl Vereine, als auch Glaubensgemeinschaften, haben mit staatlichen Belangen nichts zu tun. Deshalb ist es naheliegend, deren Angelegenheiten nicht miteinander zu vermischen.

In der Praxis heißt das, dass:

  • Mitgliedsbeiträge von Religionsgemeinschaften ebenso wie diese von Vereinen intern erhoben werden.
  • Schulen ausschließlich ein Fach anbieten, das alle Weltanschauungen und Philosophien gleichberechtigt und neutral behandelt (sprich: Ethikunterricht), und Religionsunterricht auf Wunsch der Kinder in der Freizeit wahrgenommen werden kann.
  • religiöse staatliche Feiertage in Urlaubstage überführt werden, sodass alle selbst entscheiden können, an welche Feiertage für sie relevant sind.

Ein unabhängiges Parlament einführen

Wiederkehrend wird der Einfluss von Lobbyisten auf Politiker und deren Bestechlichkeit diskutiert. Das Problem: Die Wirtschaft nimmt Einfluss auf die Gesetzgebung, anstatt andersherum. Bis jetzt wurde noch nichts dagegen unternommen. Dabei gibt es Lösungen. Hier ist eine davon.

Politiker gehen weiter ihrer Tätigkeit nach und entwerfen die Gesetzestexte. Wenn es jedoch um die Abstimmung geht, wird das Parlament verdoppelt: Eine Hälfte besteht aus den üblichen vom Volk gewählten Vertretern. Die zwei Hälfte besteht aus zufällig gewählten Bevölkerungsmitgliedern aller Altersgruppen und Herkünfte. Dabei hat jeder Mensch in Deutschland einmal im Leben die Pflicht, bei solch einer Abstimmung mitzuwirken, ähnlich der Grand Jury in den USA. Bei der Abstimmung kann entweder uneingeschränkt zugestimmt oder mit Änderungsvorschlägen entgegen gestimmt werden. Bei mehrheitlicher Ablehnung geht das Gesetz in Revision, bis es schließlich sowohl von Politikern als auch der repräsentativen Bevölkerung bewilligt ist.

Da die zweite Hälfte zufällig gewählt und nicht öffentlich bekannt ist, haben Lobbyisten keine Möglichkeit, direkt auf sie einzuwirken, geschweige denn zu bestechen. Weiterhin hat die Bevölkerung einen direkteren Einfluss auf die Politik und ist gleichzeitig stärker politisch involviert, was unter Umständen sogar zu einem größeren politischen Interesse innerhalb des Volkes führt.

Das ist mein Wahlprogramm für 2017. Wo siehst du Raum für Verbesserungen? Und welche Punkte sind dir wichtig für die Bundestagswahl? Schreib es auf! Teile es mit der Welt! Schaff deiner Stimme Verhör! Es ist mehr als nur Kreuze-machen! #meinWahlprogramm2017

Alles Liebe,

Philipp

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