In den siebten Tag meiner Kajaktour startete ich sehr ungewiss. Ferienbedingt gelang es mir nicht, vorab eine Unterkunft in der Sächsischen Schweiz zu buchen. Ein paar wenige Betten gab es zwar noch, allerdings zu horrenden Preisen. Gleichermaßen sah ich nicht, wie ich die Distanz von knapp 54km binnen einen Tages zurücklegen sollte. Immerhin war das die dreifache Strecke meiner ersten Etappe.

Wesentlich optimistischer betrachteten das dafür andere: Da ich keine Lebensmittel mehr bei mir hatte und es quasi schon eine Tradition vom Boofen war, hielt ich bereits nach zwei Kilometern wieder in Schmilka. Denn hier erwartete mich die urige Mühlenbäckerei, wo es nicht nur leckeres Brot, sondern auch wagenradgroße Blechkuchen zur Verköstigung gibt. Entsprechend deckte ich mich direkt für den ganzen Tag ein und genoss zunächst mein Frühstück am Elbufer, um gestärkt in den Tag zu starten. Dort begegnete ich zwei jungen Männern, die ihre SUPs aufbauten. Im Gespräch betonten sie selbstbewusst, dass ich die Strecke bis Dresden ohne Probleme schaffen sollte, wenn sie es doch mit ihren weniger schnittigen SUPs schaffen könnten.

Das weckte Mut in mir! Vielleicht bräuchte ich vor Dresden ja gar keinen Schlafplatz mehr für die Nacht? Also nahm ich noch Kontakt mit einem Bootserfinder aus Dresden auf, über den ich während meiner Recherchen vor dem Kauf meines Kajaks gestoßen bin. Er entwickelte ein eigenes Boot und anhand der Informationen im Internet war ich schon ganz gespannt darauf, seinen Prototypen einmal selbst zu probieren. Auch er war fest davon überzeugt, dass die Strecke ganz entspannt binnen eines Tages zu schaffen sei. Also zögerte ich nicht lang stürzte mich in die womöglich letzte Etappe!

Foto Sächsische Schweiz im Elbsandsteingebirge
Sächsische Schweiz im Elbsandsteingebirge

Malerische Schönheit

Wer hier schon ein Weile mitliest, weiß darum, wie sehr ich die Sächsische Schweiz mag! Das liegt nicht nur an all den möglichen Aktivitäten an der frischen Luft, die die Herzen vieler Outdoor-Fans höher schlagen lassen, sondern auch an ihrer urigen, wilden Erscheinung in Kombination mit den pittoresken Dörfern und Kleinstädten entlang des Flussverlaufs der Elbe. Romantik und Nostalgie pur, die gelegentlich die weniger hübsche politische Landschaft der Gegend vertuschen.

Unübertroffen ist die Schönheit der Region in meinen Augen jedoch im Herbst! Wenn aus den bunten Wäldern die schroffen Felsen entwachsen, erinnert mich die Landschaft stets an Bruchtal/Rivendell aus Der Herr der Ringe. Wenn man abseits der überlaufenen Pfade wandert, kann man sich leicht vorstellen, dass hinter dem nächsten Felsen ein Elb vorspringt. Deshalb empfehle ich in der Sächsischen Schweiz auch zu jeder Jahreszeit Wanderungen; sie zaubern stets ein Stück Magie in den Alltag.

Unterschied wie Tag und Nacht

Die starke Strömung half tatsächlich ungemein dabei, schnell viele Kilometer zu machen. So passierte ich die Sächsische Schweiz und die thronende Festung Königstein sogar ein ganz Stück schneller als mir lieb war. Wie gern hätte ich die Fahrt noch ein wenig länger genossen! Deshalb gönnte ich mir kurz nach Wehlen eine Pause und verzehrte meine übrigen Gebäcke vom Morgen mit Aussicht auf die vorbeiziehenden Schaufelraddampfer.

Nach Wehlen ließ die Strömung deutlich nach, was sich direkt bemerkbar machte! Doch damit nicht genug: Zeitgleich setzte ein starker Wind ein, der es mit den dadurch entstandenen Wellen wesentlich schwieriger machte, voranzukommen. Es fühlte sich so an, als müsste ich ständig mit meinem Paddel gegenhalten, was sich schließlich mit Schmerzen in meinem linken Arm bemerkbar machte. Doch aufgeben wollte ich nicht, denn immerhin hatte ich nun einen Termin! Dafür konnten meine Augen gar nicht sattsehen, denn während das Elbsandsteingebirge Weinhängen mit Weingütern wich, passierte ich auch das direkt am Ufer gelegene Schloss Pillnitz – eine wahre Augenweide.

Foto Schloss Pillnitz
Schloss Pillnitz

Die Zukunft der Faltboote?

In Laubegast traf ich schließlich besagten Bootserfinder Hans Metzkes, der mir seinen Prototypen von einem rollbaren Kajak zeigte. In meiner eigenen Recherche für Faltbotte war ich schier verzweifelt, weil ich lange Zeit kein Modell gefunden hatte, welches meinen Vorstellungen entsprach: Schnell aufbaubar, leicht, kompakt und gut für längere Strecken auf Flüssen geeignet. Viele klassische Modelle sind sehr schwer und benötigen etwa 30 bis 45 Minuten für den Aufbau. Das war mir zu viel! Mit Freude nahm ich damals schon Kontakt mit Hans Metzkes auf, weil mich das Konzept des rollbaren Kajaks in allen Aspekten überzeugte. Allerdings war es noch sehr weit von der Serienreife entfernt. Deshalb landete ich schließlich bei meinem aufblasbaren Drop-Stitch-Modell.

Nun konnte ich den Prototypen jedoch endlich selbst einmal probieren. Der Aufbau war simpel und schnell erledigt. Mit etwas Erfahrung würde ich es sogar schneller aufbauen, als mein eigenes Kajak. Trotz der Rollbarkeit machte es einen sehr robusten Eindruck. Außerdem war es mit einem Steuer ausgestattet, das sich über Pedale bedienen ließ.

Das Fahrerlebnis war toll! Selbst mit meinem schmerzenden Arm konnte ich es problemlos flussaufwärts paddeln. Aufgrund der im Vergleich zu meinem Kajak wesentlich längeren Ausmaße war es nicht nur spurtreuer, sondern auch schneller. Und auch insgesamt wirkte es kippstabiler. Einziger Haken: Es war nach wie vor noch nicht serienreif.

Foto Philipp hat das Blaue Wunder passiert
Philipp hat das Blaue Wunder passiert

Schmerz lass nach!

So gern ich auch mit Hans Metzkes’ Prototypen weitergepaddelt wäre, musste ich die letzten Kilometer mit meinem eigenen Kajak zurücklegen. Das schmerzte wortwörtlich, denn mein linker Arm tat immer mehr weh. Doch so kurz vor dem Ziel wollte ich nicht aufgeben!

Also quälte ich mich die letzten Kilometer bis zur historischen Altstadt Dresdens vorbei am Blauen Wunder, den Elbschlössern und der scheinbar nicht enden wollenden Johannstadt. Doch dann erblickte ich endlich das lang ersehnte und weithin bekannte Panorama! Besonderer Höhepunkt hierbei: Während ich einfuhr, läuteten die Glocken der Frauenkirche und hießen mich (unbeabsichtigt) beim Sonnenuntergang willkommen.

“Geschafft!”, könnte man meinen! Das war ich zwar (und ob der bevorstehenden Dunkelheit auch keinen Moment zu früh), allerdings stand ja noch die Reinigung des Kajaks und das Verpacken an. Bei all der physischen Erschöpfung verwundert es dann auch nicht, dass ich letztlich doch noch etwas verlor: Meine Schwimmweste verblieb am Elbufer, war jedoch am nächsten Tag bereits verschwunden. Wer weiß, wofür sie heute verwendet wird?

Foto Zielpanorama in Dresden
Zielpanorama in Dresden

Ausklang

In Dresden übernachtete ich bei langjährigen Freunden. Zur Feier des Tages saßen wir abends bei Speis und Trank noch gemütlich um eine Feuerschale herum, während ich von meinen Erlebnissen erzählte. Nach und nach gab ich mich jedoch der Wärme der Flammen und meiner Müdigkeit hin, und döste weg.

Das war sie also: Meine erste einwöchige Kajaktour. Für mich steht außer Frage, dass ich noch mehr solcher Touren unternehmen möchte. Beim Paddeln fühlte ich mich – allen Herausforderungen, Schwierigkeiten und Schmerzen zum Trotz – ganz bei mir und entschleunigt. Gleichwohl habe ich unterwegs einiges gelernt und musste feststellen: Die Idee, das man einen Fluss von Quelle bis Mündung passiert, funktioniert heute nur noch in den wenigsten Fällen, denn das klappte ja schon auf meinem Abschnitt von Moldau und Elbe nicht. Aber das ist auch gar nicht immer notwendig. Stattdessen kann man sich auf die gut befahrbaren Teile konzentrieren, die in vielen Fällen auch die schöneren Erlebnisse bieten.

In diesem Sinne: Auf möglichst zahl- und erlebnisreiche weitere Wasserwandertouren!

Alles Liebe
Philipp

Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Mit dem Kajak von Prag nach Dresden.