Aus Einweg Mehrweg machen

Obwohl ich seit Jahren als Verfechter von Müllvermeidung agiere und beim Thema Zero Waste voll und ganz aufblühe, gestaltet sich die Umsetzung im Alltag oft nicht so müllfrei, wie ich es mir wünsche. Besonders Einwegverpackungen machen mir moralisch zu schaffen.

Wo man im Supermarkt hinschaut sind Lebensmittel verpackt – mit all seinen Vor- und Nachteilen: Verpacken schützen die Lebensmittel vor Verschmutzung, Verunreinigung, Insekten, Schäden beim Transport und verringern die Oxidation. Gleichzeitig entsteht ein Großteil unseres Mülls aus ebendiesen Verpackungen, denn allzuoft handelt es sich bei der Verpackung nicht etwa um Gläser, die wiederverwendet oder schließlich recycelt werden können, sondern um Plastikhüllen, Aluminiumfolien oder Dosen, die mit einem Öffner brutal geöffnet werden und in der Folge nie wieder verschlossen werden können. Also landen sie im Müll.

In Deutschland gibt es zwar Mülltrennung, doch wer mal einen Blick in Mülltonnen wirft, wird feststellen, dass viele Menschen scheinbar nicht in der Lage sind oder schlichtweg kein Interesse daran haben, Müll sauber zu trennen. In gewissem Umfang passiert das durch automatische Müllsortieranlagen. Mit schwarzen Kunststoff oder verunreinigten Müllteile kommen diese aber nicht zu recht. Ein Teil wird dann noch von Hand nachsortiert. Doch wenn man allein an all die Mengen an Müll denkt, die wir täglich produzieren, und bei wie viel davon es sich um Verbundstoffe handelt, die man mit der Hand schlecht getrennt bekommt, stellt sich doch zwangsläufig die Frage, wer das alles perfekt sortieren soll, um es für ein Recycling aufzubereiten.

Maria von Widerstand ist zweckmäßig hat ich vor ein paar Jahren als Müllberaterin eine solche Sortieranlage angeschaut und davon berichtet. Im Zweifel würde ich allerdings davon ausgehen, dass nicht genügend Menschen in der Recyclingindustrie arbeiten, um alles händisch fein säuberlich zu sortieren. Außerdem nimmt die Qualität eines Kunststoffs mit jedem Recycling ab, sodass es nur zu einem minderwertigeren Kunststoff weiterverarbeitet werden kann. Irgendwann bleibt dann nur noch die energetische Verwertung. Sprich: Der Müll wird verbrannt (mit allen toxischen Inhaltsstoffen), um Energie daraus zu gewinnen.

Idealerweise vermeidet man Müll, bevor er entsteht. Doch niemand von uns ist perfekt und im Alltag fällt dann oft doch mehr an, als man sich vorgenommen hat. Ein paar Beispiele aus meinem Leben:

  • Zwar gibt es in Berlin mehrere Unverpacktläden, die liegen allerdings so weit von meinem Lebensmittelpunkt entfernt, dass ich es in über zwei Jahren, die ich hier wohne, nicht einmal in eins der Geschäfte geschafft habe, weil dafür in meinem Alltag die Zeit nicht genügt.
  • Im Bio-Supermarkt des Vertrauens werden neuerdings auch Nüsse und Müsli in Gläsern verkauft. Allerdings sind die Portionen recht klein und der Preis im Vergleich zu einem Produkt in Plastik bis zu sechs Mal so teuer. An dem Punkt bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es sich um den “richtigen” Preis des Produkts handelt, oder, ob nicht doch darauf spekuliert wird, dass Menschen mit Vorliebe für Zero Waste bereit sind, tiefer in die Tasche zu greifen. In jedem Fall erschließt sich mir die Preispolitik hier nicht: Das umweltschädlichere Produkt in Plastik muss teurer sein als die umweltfreundliche Alternative. Das sage ich, obwohl ich gern bereit bin, für Qualität mehr zu zahlen. Aber auch in meinen Finanzen gibt es Grenzen.
  • Einige Produkte wirken zunächst so, als seien sie in Papier oder Pappe verpackt, doch dann stellt sich beim Öffnen der Verpackung heraus, dass das Lebensmittel innen noch einmal zusätzlich in Plastik verpackt wurde oder es sich um ein mit Kunststoff beschichtetes Papier handelt.

Apropos Pappe und Papier: Die Problematik mit Einwegverpackungen hört bei Kunststoff nicht auf. Wenn Papier nach einmaliger Benutzung in den Müll geworfen wird, ist es um die Ressource Holz ebenso schade. Hier eine Tüte beim Bäcker, da die Pappdose für das Proteinpulver – und die Dose wurde wirklich robust konstruiert.

Zum Glück gibt es mittlerweile auch in vielen konventionellen Supermärkten einiges Verpackungsfrei – allem voran Obst und Gemüse (, wenn man von der Grauplastik beim Transport absieht). Außerdem entdecke ich in Drogeriemärkten und Co. zunehmend mehr Produkte, die explizit in Papier und Zellophan (auf Heimkompost biologisch abbaubar, da aus Zelluose hergestellt) verpackt werden. Werfe ich in meinem Alltag einen Blick auf meine Müllquellen, bemerke ich viele Kompromisse aus Pragmatismus, Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit, die sich etabliert haben. Schließlich bin auch ich nicht perfekt und lebe nicht allein. Die meisten Einwegverpackungen stammen von:

  • Umverpackungen für Reis, Nüsse, Hülsenfrüchte, Müsli et cetera (Kunststofftüte)
  • Umverpackung für Mehl (Papiertüte)
  • Dosen für Proteinpulver (aus Pappe oder Kunststoff)
  • Schachtel für Zellstofftücher (Karton)
  • Umverpackung von Toilettenpapier (Kunststoff)
  • Umverpackung von Masken (Kunststoff)

Nun gehöre ich nicht den Menschen an, die aus Einwegverpackungen Armbänder, Schatullen oder Taschen im Rahmen von Upcycling-Projekten basteln. Was also tun, um den Verpackungen einen neuen Verwendungszweck einzuhauchen?

Aufmerksam Lesenden dürfte aufgefallen sein, dass Gegenstände wie Müllbeutel und Biomüllpapiertüten nicht auf der Liste stehen. Das liegt jedoch nicht daran, dass ich Zugang zu einem Komposthaufen habe oder eine Wurmkiste besitze – von Letzterem konnte ich meinen Partner nämlich leider noch nicht überzeugen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als den Biomüll regelmäßig in die am anderen Ende des Häuserblocks gelegene Biomülltonne zu bringen. Insbesondere im Sommer empfiehlt es sich ob des Geruchs und der Obstfliegen, dies zumindest einmal täglich zu tun. Ursprünglich wollte ich dafür einen Eimer verwenden, allerdings bedarf der dann auch täglicher Reinigung mit Wasser. Da manche Verpackungen ohnehin im Haushalt anfallen, weigere ich mich, sie schlichtweg zu entsorgen. Stattdessen nutze ich sie, um die kleinen Müllportionen zu sammeln und schließlich zu entsorgen. Im Falle von Kunststoffbehältnissen kommen die natürlich in die Gelbe Tonne.

Das Endergebnis mag zwar dasselbe sein, denn letztlich landet das Plastik in der gelben Tonne und wird dann recycelt oder verbrannt. Aber runterbringen muss ich es in jedem Fall und so gebe ich Müll zumindest noch einen weiteren Zweck. Dafür brauche ich keine Müllbeutel und dergleichen zu kaufen. Wesentlich lieber wäre mir jedoch, wenn es in Deutschland ein Pfandsystem für Behältnisse jeglicher Art gäbe und Einwegverpackungen vor allem in den großen Supermarktketten durch ebendiese ersetzt würden. Die derzeitigen Unverpacktläden empfinde ich als gelungene Modellversuche, aber die Masse erreichen sie nicht. Das liegt nicht nur an der vergleichsweise geringen Anzahl an Geschäften im Vergleich zu konventionellen, sondern auch daran, dass sie rein finanziell für viele Menschen keine Option darstellen.

Wie geht man mit dieser Situation also um? Wenn man nicht gerade eine großflächig agierende Supermarktkette gründen möchte oder Einfluss auf das Produktportfolio der hiesigen Konzerne hat, bleibt nur die Arbeit an sich selbst. Konkret heißt das:

  • Müll vermeiden, wo es im Alltag geht. Pragmatismus geht hier vor Perfektionismus, denn es nützt nichts, wenn man schnell die gute Laune bei der Müllvermeidung verliert oder dafür eine Stunde zum Geschäft des Vertrauens fährt.
  • Typischen Einwegartikeln einen weiteren Verwendungszweck geben, bevor man sie entsorgt. Das kann auch Waschmittelbehälter etc. betreffen, die man mit einem selbst hergestellten Reiniger auffüllt.
  • Müll richtig trennen. Was ich bei unseren Mülltonnen täglich sehe, jagt mir wiederkehrend Schauer über den Rücken. Und dabei handelt es sich nur um ein paar Mülltonnen von Millionen, wenn nicht Milliarden in Deutschland.

Es gibt also noch viel zu tun.

Wie gehst du mit Einwegverpackungen um? Und welche Tipps hast du für neue Verwendungszwecke? Teile sie gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

5 Kommentare

Antworten

  1. Hallo Philipp!

    Ich musste schmunzeln, denn viele Jahre habe ich das mit den Verpackungen auch so gemacht, dass ich sie zum Sammeln von Biomüll verwendet habe. Inzwischen habe ich einen uralten Edelstahl-Topf mit Deckel. Weil er leicht zu reinigen ist und durch den Deckel die Mückenplage reduziert.

    Nach wie vor bin ich der Meinung, dass Pareto als Ratgeber hier gut ist. Wenn man mit 20% Aufwand 80% vom Müll reduzieren kann und das dauerhaft, dann ist das wunderbar. Würde es jeder so machen, hätten wir weniger Problem. Viel besser ist es dauerhaft 80% vom Müll zu vermeiden als für kurze Zeit 100% zu schaffen.

    Mein Weg ist nach wie vor so gut wie keine Lebensmitteln oder andere Sachen zu kaufen. Ich rette über Foodsharing Lebensmitteln vor dem Müll, manchmal auch dumpstern und da ist für mich das Thema Verpackung keines. Weil ja sowieso alles im Müll landen würde. Und was ich sonst noch so brauche suche ich am Gebrauchtmarkt oder leihe es aus. Nur wenige Sachen (Schuhe beispielsweise) kaufe ich neu. Ich denke dass ich auch hier in Summe auf die 80% des Pareto-Prinzip komme.

    Es fällt mir auf diese Weise nicht schwer, denn ich muss mir nicht viele Gedanken über alles machen. Das wäre mir nämlich zu mühsam, bei jeder Kaufhandlung wieder zu überlegen und zu entscheiden.

    Ich lebe jetzt schon seit bald 10 Jahren so. Das Leben ist viel einfacher geworden seither…

    vlg, Maria

    • Hallo Maria,

      schön von dir zu lesen! :)

      Das Pareto-Prinzip bewährt sich tatsächlich in vielen Alltagssituationen. Das wird jedoch erst so richtig offensichtlich, wenn man bewusst darauf achtet und einfach mal probiert, von dem Streben nach Perfektion abzulassen – oft fällt das gar nicht so leicht.

      Dass du nach wie vor, so viele Lebensmittel rettest, finde ich bewundernswert! Seit ich in Festanstellung 40h+ in der Woche arbeite, komme ich überhaupt nicht mehr dazu, weil es allein schon daran scheitert, es zu den Foodsaver-Versammlungen des Bezirks zu schaffen, die nötig sind, um in Berlin aktiv teilnehmen zu dürfen. Entsprechend erkenne ich seitdem sehr gut, wieso bei den meisten Menschen so viel Müll anfällt: Nicht etwa, weil es sie nicht interessiert oder sie Müll klasse finden, sondern weil ihnen Freizeit fehlt und sie in der wenigen, die ihnen zur Verfügung steht, nicht auch noch unbequeme Umwege gehen wollen. Das kann ich mittlerweile richtig gut nachvollziehen und es schmerzt.

      Umso besser tut es, hin und wieder von den positiven, vereinfachenden Effekten wie bei dir zu lesen. :)

      Lieber Gruß
      Philipp

  2. Hallo Philipp,
    wie schon des öfteren diskutiert, stecke ich bei Lebensmitteln in der Zwickmühle, zu entscheiden zwischen „normal“ = unverpackt oder Bio = in Plaste verpackt, zumindest im herkömmlichen Supermarkt, vom Geschmack ganz zu schweigen ( normaler Paprika kontra Spitzpaprika)
    Warum können nicht einfach alle Biogemüse gebrandmarkt werden, wie kürzlich bei der Süsskartoffel gesehen?
    Liebend gerne würde ich auch nur im Biomarkt oder unverpackt einkaufen, aber hier in der Provinz auch eine Frage der Entfernung. Bei einer Umfrage in einem hiesigen Supermarkt wollte ich diesbezüglich nachfragen, aber es wurde nur ein Katalog von Fragen abgearbeitet, diesbezüglich war nichts dabei und wurde auch nicht darauf eingegangen. Ich denke, die meisten interessiert es gar nicht, solange sich keine Müllberge vor ihrer Haustür auftürmen.

    • Hallo :)

      Tatsächlich meine ich auch, die Menschen würden nicht nur anders denken, sondern auch entsprechend handeln, wenn sämtlicher Müll nicht bequem abgeholt, sondern bei ihnen zu Hause gelassen würde. Wer weiß, vielleicht streikt die Müllabfuhr in Deutschland auch mal?

      Lieber Gruß
      Philipp

  3. Deine DIY-Ideen sind nicht nur praktisch, sondern auch umweltfreundlich – eine perfekte Kombination!

    Vielen Dank für die Anregungen und die Erinnerung daran, dass Nachhaltigkeit oft in den kleinen, kreativen Ideen beginnt.
    Liebe Grüße,
    Andreas

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