Andere Länder, andere Sitten gilt auch für Transportmöglichkeiten. Wenn man an den komplexen Kosmos der ÖPNV in Deutschland denkt, ist es leicht vorstellbar, wie verwirrend das erst im Nahen Osten sein kann – insbesondere wenn man der hiesigen Sprachen nicht mächtig ist. Dabei muss es gar nicht so schwierig sein, denn hier gibt einen kompakten Überblick.
Israel ist längst nicht mehr der wüstenlastige Agrarstaat, der es einst war. Entsprechend gehören Kamele mittlerweile nur noch zur touristischen Show durch Beduinen, aber nicht zum regulären Reisetransport.
Die offensichtlichste Lösung zum Reisen in Israel mag zunächst ein gemieteter Wagen sein, denn er bietet die Freiheit, zu jeder Zeit an jeden Ort fahren zu können. Da sich dies aber vor allem für Alleinreisende recht kostspielig gestaltet, fokussiere ich mich hier auf die preisgünstigeren Alternativen. Der Vollständigkeit halber sei dennoch erwähnt, dass es in Israel neben den üblichen Verdächtigen auch viele lokale Anbieter für Mietwagen gibt. Vergleichsweise unkompliziert funktioniert die Buchung via Internet über Vergleichsportale wie dieses.
Abgesehen davon gibt es insbesondere in den Metropolregionen täglich Staus und verlängerte Fahrzeiten auf den Straßen, da sie durch die Bevölkerungsexplosionen in den Großstädten, insbesondere Tel Aviv, schlichtweg vollgestopft sind. Grund genug also, auf den öffentlichen Verkehr auszuweichen. Dafür gibt es eine Vielzahl an möglichen Transportmitteln: Busse, Züge und Stadtbahnen sind nur ein Teil davon.
Züge
Zugverbindungen sind schon länger Mangelware in Israel. Von der ursprünglichen Langstreckenverbindungen ist nur noch ein kleiner Teil übrig geblieben, wovon diverse alte Bahnhöfe, die mittlerweile als Märkte oder Erholungsorte genutzt werden, zeugen. Ein Blick auf diese Karte zeigt, dass das Zugnetz in Israel sogar überschaubarer als so manches europäisches U-Bahn-Netz ist. Das gehört zum Glück der Geschichte an, denn die beiden wichtigsten Städte Israels (Tel Aviv und Jerusalem) sind seit September 2018 mit einer neuen Zugstrecke verbunden. (Ich berichtete.)
So wirklich reibungslos funktioniert der neue Bahnhof noch nicht und die Strecke von Tel Aviv zum Flughafen ist auch noch nicht komplett elektrifiziert, weshalb man noch nicht in den Genuss der gesamten Strecke kommt. Eindrucksvoll ist der Bahnhof aber: Da Jerusalem äußerst hügelig ist und der Anstieg zu steil wäre, um die Züge an der Oberfläche fahren zu lassen, legt der Zug große Teile unterirdisch zurück. Entsprechend sind die Gleise des Bahnhofs auch 80m unter der Erde gelegen. Obwohl der Zug also weniger Zeit benötigt, um nach Jerusalem zu gelangen, sollte man noch zwischen fünf und zehn Minuten einrechnen, um den Bahnhof über mehrere Rolltreppen zu verlassen.
Busse
Ein Großteil des öffentlichen Nahverkehrs in Israel besteht aus Bussen. Wie stark diese die Städte belasten merkt man insbesondere im Sommer. Dennoch sind sie insbesondere im Überlandverkehr unerlässlich.
Im Gegensatz zu Deutschland, operieren in Israel sogar innerstädtisch mehrere Busunternehmen. Das wird insbesondere in Jerusalem deutlich, wo es neben den israelischen Firmen auch noch arabische Busse verkehren. Es versteht sich von selbst, dass sie nicht die gleichen Haltestellen ansteuern. Insbesondere in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland sollte man auf die arabischen Busse zurückgreifen.
Dafür gibt es in der Nähe des Damaskustores drei Busbahnhöfe, die jeweils unterschiedliche Ziele ansteuern:
Vom Busbahnhof links gegenüber vom Damakstor fahren die Busse nach:
- Bethlehem
- Beit Jalla
- Silwan Abu-Tor
- Hebron
Läuft man vom Damaskustor etwas weiter gerade aus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, findet man die Busse nach:
- Ramallah
- Sheikh Jarrah
- Qalandia
- Isawija (darüber auch zum Mount Scopus und der Hebräischen Universität)
- Nablus
Biegt man am Damaskustor rechts ab, findet man auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Busse nach:
- Abus Dis und Bethany (von wo aus man mit einem Sammeltaxi nach Jericho gelangt)
- dem Ölberg (und somit zur Auguste Viktoria)
Alle Schilder an den Haltestellen sind dreisprachig und weisen die Richtung auch in Englisch aus. Die Busfahrer sind jedoch auch stets bereit, Auskunft zu erteilen. (Ich verwende hier bewusst nur die maskuline Form, weil mir in den arabischen Bussen noch keine Busfahrerinnen begegnet sind.) Weitere Informationen zu den Bussen gibt es auch hier. Die Tickets erwirbt man bei den Busfahrern.
Die drei wichtigsten, israelischen Busunternehmen heißen Egged, Dan und Afakim. Die Preise sind größtenteils einheitlich, allerdings bedienen sie unter Umständen unterschiedliche Haltestellen auf den gleichen Strecken. Für alle drei können Papiertickets beim Fahrer erworben werden. Allerdings gibt es eine neue Initiative, die den Anteil digitaler Tickets künftig noch stärker anheben möchte. In Israel sind die Menschen neuer Technologie gegenüber nämlich wesentlich aufgeschlossener. Entsprechend äußert sich die weiter fortgeschrittene Digitalisierung aller Strukturen auch in den Öffis. (siehe Preise)
Moniot Sherut
Die Sammeltaxen sind eine Ergänzung Israels zum öffentlichen Nahverkehr, ebenfalls staatlich reguliert und lassen sich an der gelb-weißen Farbe der Minibusse erkennen. Von den Arabern gibt es ebenfalls Sammeltaxen, die allerdings komplett gelb-orange sind.
Sie bieten drei wesentliche Vorteile gegenüber regulären Bussen: Erstens fahren sie weniger Haltestellen an und sind deshalb auch schneller als Busse. Zweitens kannst du dem Fahrer eher mal sagen, dass er dich an einem spezifischen Punkt auf der Strecke rauslassen soll, wohingegen sich Busse auf ihre Haltestellen begrenzen. Zu guter Letzt fahren sie auch an Schabbat und Feiertagen sowie nachts.
Andererseits haben sie auch Nachteile. Sie weisen nämlich keinen festen Fahrplan auf, sondern fahren ab, wenn der Minibus voll ist, also bei zehn Personen. Allerdings lassen die Fahrer gelegentlich mit sich verhandeln, wenn sich die übrigen Fahrgäste in die Kosten für die leeren Sitze reinteilen. Insgesamt ist ein Sherut teurer als der reguläre Bus. An Feiertagen (inklusive Schabbat) werden darüber hinaus Aufschläge berechnet. Fahrkarten gibt es nicht. Das Geld wird einfach während der Fahrt von Fahrgast zu Fahrgast zum Fahrer gereicht.
Der Zielort steht auf einem Pappschild hinter der Windschutzscheibe. Wer des Hebräischen nicht mächtig oder unsicher ist, wo das Sherut unterwegs lang fährt, fragt am besten den Fahrer.
Taxen
Selbstredend gibt es in Israel auch private Taxen, die natürlich die teuerste Variante der öffentlichen Verkehrsmittel darstellt. Wenn gerade kein Taxi in der Nähe ist, greifen die meisten Israelis auf die App Gett (in Deutschland derzeit nicht verfügbar) zurück. Darin kann man ohne viel Aufwand ein Taxi an die eigene Position rufen. Alle Taxifahrer der App sind verifiziert und können bei Verfehlungen ebenso verfolgt werden. Und auch die Bezahlung ist via App möglich.
Generell empfehle ich, auf das Taxometer zu bestehen und eine Karten-App zu verwenden, um sicherzugehen, dass der Fahrer definitiv den kürzesten Weg wählt.
Per Anhalter
Da es Landstriche gibt, in denen der öffentliche Nahverkehr überhaupt nicht verkehrt, beispielsweise Teile des Kraters Mitzpe Ramon, sind sowohl Einheimische als auch Reisende gelegentlich darauf angewiesen, per Anhalter zum nächsten Ziel zu kommen. Das erfordert zwar etwas mehr Geduld, weil es insbesondere in entlegenen Flecken gelegentlich schon etwas dauern kann, bis jemand anhält, kostet dafür aber auch nichts. Ich persönlich bin stets etwas ungeduldig, wenn es um das Fahren per Anhalter geht, weil ich dann oft das Gefühl habe, erstmal nicht vorwärts zu kommen. Bisher hat es aber letztlich immer geklappt.
Außerdem bekommt lernt man so Landsleute kennen, mit denen man sonst wahrscheinlich überhaupt nicht in Berührung gekommen wäre. Bei meinen Hitchhikes saß ich letztlich mit religiösen Familien im Auto, die sonst weit außerhalb meiner Blase liegen und habe festgestellt: Das sind Familien wie alle anderen auch.
Umgangssprachlich sagt man ja Daumen hoch, wenn es um das kostenfreie Mitfahren bei passierenden Autos geht. Das funktioniert in Israel etwas anders: Hierzulande streckt man den Arm leger Richtung Fahrbahnmitte in etwa 45° Abstand zur Körperachse mit ausgestrecktem Zeigefinger.
Innerstädtischer Verkehr
Verlässt man Jerusalems neuen Bahnhof, hat man direkt Anschluss an die Stadtbahn. Die Jerusalemer ist die bisher einzige in ganz Israel und verfügt auch nur über eine einzige Linie, die vom Herzlberg über den zentralen Busbahnhof (und neuerdings auch den neuen Zugbahnhof Jerusalem – Yitzhak Navon) via Innen- und Altstadt nach Pisgat Ze’ev führt.
Ursprünglich waren einmal mehr Linien geplant. Allerdings haben sich die Arbeiten an den Verbindungen wiederkehrend verzögert. Das ist eine ungeschriebene Gesetzmäßigkeit in Israel: Bauprojekte dauern wesentlich länger als geplant. Das liegt unter anderem auch an archäologischen Ausgrabungen, die bei Bauvorhaben Vorrang bekommen, da sie sonst in bebauten und bewohnten Gebieten nicht durchführbar wären. Aufgrund der heiklen politischen Situation um Jerusalem, kommen Beweisen für frühere Besiedlung natürlich eine besondere Bedeutung zu.Alles in allem hat Jerusalems Stadtbahn schließlich mit mehr als 16 Jahren Verspätung im Jahr 2011 eröffnet.
Auch wenn sie auf der zentralen Jaffa Street schon mal ein paar Minuten am Stück hupt, um die Passanten sanft darauf hinzuweisen, dass sie andernfalls hart überrollt werden könnten, hat sie ingesamt mehr Ruhe in die Innenstadt gebracht. Zuvor war die Straße nämlich von tosenden Bussen befahren worden und der Smog scheinbar nicht zu ertragen. Der Stadtbahn sei Dank dient die geschäftigste Straße der Stadt mittlerweile weitestgehend als Fußgängerzone.
Während in Jerusalem weiterhin am Ausbau der Stadtbahn gearbeitet wird, soll Tel Aviv überhaupt erstmal ein umfassendes Metro-Netz erhalten. Über die Jahre ist die Metropole explodiert, sodass die Verkehrsplanung überhaupt nicht nachkam. Entsprechend häufig verstopft der Autoverkehr die Straßen. Entlastung soll das neue Netz schaffen, was sowohl unter- als auch überirdisch operieren wird und auch die umliegenden Städte besser anbindet. Die könnten in absehbarer Zeit womöglich ohnehin von Tel Aviv eingemeindet werden. 2021 soll sie eröffnen – falls nichts dazwischen kommt.
Aller übriger innerstädtischer Verkehr funktioniert über die bestehenden Bus- und Zugverbindungen sowie (überwiegend in Tel Aviv) über Sharinganbieter für Fahrräder, E-Scooter und Autos.
Preise
Die Preise des öffentlichen Transportsystems sind im Allgemeinen in Israel günstiger als in Deutschland, allerdings ist das Land eben auch wesentlich kleiner und verfügt über keine Hochgeschwindigkeitszüge. So zahlt man für eine Einzelfahrt innerhalb einer Stadt umgerechnet etwa 1,50€. Eine Unterscheidung zwischen Kurzstrecke und Einzelfahrt gibt es jedoch nicht. Dafür gibt es ausreichend andere Preisverwirrungen durch verschiedene Tickets. Eine gute Übersicht darüber findet man auf der Website des Busbetreibers Egged.
Letztlich hilft oft die Einzelfallentscheidung, welches Ticket die beste Option ist. Für längere Aufenthalte empfiehlt sich in jedem Fall eine Rav-Kav. Diese Chipkarte erlaubt das schnelle, digitale Bezahlen von Fahrkarten in allen israelischen Bahnhöfen, Stadtbahnen und Bussen. Darüber hinaus erhält man bei jeder Aufladung 25% mehr Guthaben, als man tatsächlich bezahlt. Bonus-Feature bei Nutzung eines Android-Smartphones mit NFC: Man kann die Karte direkt mit dem eigenen Handy aufladen. #hightechnation
Bei Zügen gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine Kontigente mit verschiedenen Fahrkartenpreisen. Dieselbe Strecke kostet stets dasselbe.
Flugzeuge
Bei einer Landesgröße die der von Hessen ähnelt, sollten Inlandsflüge eigentlich kein Thema sein, zumal es auch mit Bussen möglich ist, das gesamte Land zu bereisen. Der Vollständigkeit halber sei dennoch erwähnt, dass die Möglichkeit besteht, von Tel Aviv nach Eilat zu fliegen. Praktischer Weise ist der kleine Flughafen von Eilat direkt im Stadtzentrum. (Oder zum Leidwesen aller – je nachdem wie man es sieht.)
Die kurze Flugzeit von 50 Minuten mag zunächst sehr annehmlich wirken. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass man nach wie vor erst zum Flughafen in Tel Aviv reisen und die Sicherheitskontrollen durchlaufen muss. Die Busfahrt dauert mit etwas mehr als fünf Stunden in Summe immer noch doppelt so lang, ist allerdings wesentlich weniger umwelt- und klimaschädigend. Außerdem ist die Fahrt durch die Wüsten Negev und Arava atemberaubend und überaus empfehlenswert!
Mit dem Fußbus
Die langsamste und damit verbunden zeitgleich tiefste Art des Reisens ist nach wie vor das Wandern. Bei keiner anderen Fortbewegung lernt man ein Land so extensiv kennen. Trotz widriger klimatischer Bedingungen (Israel besteht zu großen Teilen aus Wüste) und des angespannten politischen Klimas, bietet das Land mehrere Möglichkeiten, zu Fuß erkundet zu werden.
Einerseits gibt es von der Stadt Nazareth zum See Genezareth den Jesus Trail, der sich, wie der Name suggeriert, an Jesus von Nazareths Wirkungsstätten um Tiberias orientiert und landschaftlich einige Schmankerl zu bieten hat. Auf der offiziellen Website finden sich mehr Informationen rund um den Wanderweg, der bei moderatem Tempo etwa vier Tage in Anspruch nimmt.
Außerdem bietet der Israel National Trail (INT) auf 1000km eine Route, um das Land entweder von Nord nach Süd (empfiehlt sich Oktober bis November) oder von Süd nach Nord (geeignet von Februar bis Mai, um den steigenden Temperaturen in der Wüste zu entwandern). Für den INT werden zwischen 40 und 60 Tagen empfohlen, da man insbesondere in den wärmeren Monaten um die Mittagszeit mehrere Stunden Pause einlegen sollte, bevor man die Wanderung fortsetzt. Der INT steht schon eine Weile auf meiner Reiseliste, denn obwohl ich Israel schon sehr gut kenne, habe ich das Land noch nicht komplett erlaufen. Selbstredend werde ich hier darüber berichten, wenn ich mich ihm annehme.
So einfach kann Reisen im Nahen Osten sein. Welches ist dein beliebtestes Fortbewegungsmittel auf Reisen? Lass es mich gern wissen.
Alles Liebe
Philipp
Dieser Beitrag ist Teil der thematischen Reihe Israel.