Zum Jahresbeginn werden gern Glückwunschkarten mit symbolischen 1-Cent-Münzen verschenkt. Passend dazu entdeckte ich neulich in einem Berliner Bus auf einem Sitz mir gegenüber eine solche Münze.

Direkt bei ihrem Anblick schoss mir ein Grinsen ins Gesicht, der Spruch Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert in den Kopf und der Reflex, den Cent einzustecken in die Hand. Doch dann hielt ich inne, denn ein weiterer Gedanke regte sich in mir.

Wie vielen Menschen könnte diesen kleine, für mich im Grunde so unbedeutsame Cent wohl noch ein Glückgefühl bescheren und so den Tag versüßen, wenn ich ihn einfach liegen lasse?

Seien wir ehrlich: Allen Redensarten zum Trotz spielt es für meinen finanziellen Alltag keine Rolle, ob dieser eine Cent seinen Weg in meinen Besitz findet oder nicht. Vorher war er ja auch nicht da. Dennoch habe ich mich gefreut wie ein Kind, als ich ihn gefunden habe.

Man merke: gefunden, nicht besessen. Denn allein die Tatsache, dass ich Geld gefunden hatte, auch ohne es zu besitzen, hat mir einen Lächeln ins Gesicht gezaubert, weil es so unwahrscheinlich ist. Im Grunde handelt es sich um dasselbe Prinzip wie beim Finden einen vierblättrigen Kleeblattes. Diese sind so selten, dass es als “Glück” gedeutet wird, eines zu finden. Im Gegensatz zum vierblättrigen Kleeblatt ist eine Münze jedoch weitaus beständiger und kann so noch von vielen anderen Menschen nach mir gefunden werden. Das heißt, falls nicht die nächstbeste Person, die den Cent sichtet, beherzt zulangt.

So gern ich diesen Moment des einfachen Glücks in meinem Gedächtnis behalte, regt sich jedoch auch ein gewisser Widerstand in mir. Denn warum bereitet mir ausgerechnet eine, wenngleich noch so geringfügige, Menge Geld Freude? Sollte ich mein Glück nicht in anderen Dingen finden? Wieso muss ich Glück überhaupt finden und kann nicht einfach zufrieden sein mit allem, wie es ist?

Zum Jahreswechsel überhäufen wir uns nicht nur mit Glückwünschen, sondern gehen für gewöhnlich auch ambitionierte Optimierungsprojekte an. Dazu gehören dann typischer Weise Vorsätze wie:

  • mehr Sport / Reisen / Zeit für die Liebsten / …
  • Schluss mit Rauchen / Alkohol / Süßem / anderen Lastern unserer Wahl
  • Dieses Jahr fange ich mit … an!

Persönlich verspüre ich bei aufkeimender Unzufriedenheit das große Bedürfnis, selbst Veränderungen herbeizuführen. Denn wie soll sich etwas verbessern, wenn ich selbst nichts ändere? Ehe man sich versieht, sucht man sich also Vorsätze aus, die vermeintlich schnell und einfach Glück bringen sollen, dann aber im Alltag kaum zu bewältigen sind – schon gar nicht alle zusammen gleichzeitig. Aus meinen Erfahrungen der letzten Jahre heraus frage ich mich, wie ein achtsamerer Umgang mit guten Vorsätzen aussehen könnte. Denn wie oft wird aus den Ambitionen nur eine weitere Last, die wir versuchen, noch irgendwie in den Alltag zu integrieren? Wieso Dinge komplett streichen, die uns doch auch Glück bereiten und derer Verzicht eher Schmerz bereitet? Liegt die Tugend laut Platon nicht ohnehin in der maßvollen Mitte? Und ohnehin lassen sich nicht alle Vorsätze gleichermaßen allen Menschen überstülpen wie ein über mehrere Kleidergrößen dehnbarer Unisex-Pulli.

2023 ist für mich ein Jahr im Limbo. Ideen und Optionen gibt es viele, doch konkrete Pläne noch nicht. Heuer verzichte ich bewusst auf Vorsätze für das neue Jahr. Ziele setze ich mir dennoch, aber eher als Richtungsorientierung im Sinne von Ein bisschen mehr von dem, was mir gut tut und ein bisschen weniger von dem was, was mir schadet. Natürlich möchte ich am Ende Glück finden. Aber dafür muss ich mich zunächst auf die Suche begeben und gerade habe ich mehr Lust auf die Suche als auf das Finden selbst. 2023 wird ein Experimentierkasten für mein Leben. Ausgang: Unbekannt. Erfahrungsgemäß empfinde ich bei genau solchen Experimenten mehr Glück als im dauerhaften Versuch, etwas scheinbar Perfektes zu erhalten. (Auch hier gilt es, die maßvolle Mitte zu finden zwischen Beständigkeit und Flexibilität.)

Auf meinem Blog werde ich wieder darüber schreiben, welche Schätze ich unterwegs finden werde. Doch nun interessiert mich:

Worin findest du Glück? Bereitet dir das Finden an sich auch Freude? Wonach suchst du in 2023?

In diesem Sinne wünsche ich ein frohes, gesunde, erfolgreiches, glückliches und zufriedenes neues Jahr!

Alles Liebe
Philipp