Da habe ich mich gerade mit Weihnachten versöhnt und schon steht der nächste Feiertagsschrecken vor der Tür: Silvester. Für an Misophonie leidende Menschen der schlimmste Feiertag des Jahres. Im Folgenden erfährst du, wie man trotzdem nicht stirbt.
Hier in Berlin drehen die Menschen bereits Tage vorher am Rad, jagen Böller in die Luft, wo es ihnen gerade passt und umgehen jegliche Sicherheitsbestimmungen und gesetzliche Vorgaben. Ist das also das Berlin, von dem immer alle sprechen – authentisch, ungebändigt, wild?
Mit einem lauten Knall wollen alle das neue Jahr hinter sich lassen und den Neustart einläuten – es eben noch einmal so richtig krachen lassen. Mir geht das schon seit Jahren gehörig auf den Senkel; so sehr, dass ich mir wahrlich das jüdische Neujahrsfest herbeisehne. Denn das ist ganz nach meinem Geschmack: Im Kreise der Liebsten köstlich speisen, aber alles in allem ruhig.
Anders verhält es sich mit dem westlichen, am gregorianischen Kalender orientierten Neujahrsfest: Es soll die große, einmalige Party sein, an der man sich so stark betrinkt, dass all die Festmahle, an denen man sich während Weihnachten übergessen hat, wieder erbrochen werden. Bereits Monate im Voraus planen viele Menschen dieses Highlight des Jahres. Bei einigen baut die belanglose Frage, was man denn an Silvester unternehme, so starken Druck auf, dass sie sich tatsächlich dazu hinreißen lassen, bereits frühzeitig überteuerte Karten für Veranstaltungen zu buchen. Auch am letzten Tag des Jahres geben wir unserer Dekadenz noch einmal gehörig Raum.
Dass all das leider überhaupt nicht nachhaltig ist, brauche ich wohl kaum zu betonen: Die Pyrotechnik verschreckt nicht nur an Misophonie leidende Menschen, sondern auch die Tierwelt. Die Feinstaubbelastung und Umweltvermüllung durch Feuerwerkskörper ist enorm (Wo landen wohl die Teile der Raketen, die nicht verglühen, vornehmlich Plastikkappen? Und wer räumt schon die verballerten Munitionsboxen weg?)
Auch aus Sicherheitsgründen gehören Feuerwerkskörper in Händen von Privatpersonen eigentlich verboten. Autofahren unter Alkoholeinfluss steht unter Strafe, die Benutzung von Feuerwerkskörpern jedoch nicht. Welche Auswirkungen das mit sich bringt, ist am 01. Januar jedes Jahres den Lokalnachrichten zu entnehmen. All das nur zum Erhalt der Tradition, von der ich ja ohnehin nicht viel halte.
Doch genug des Meckerns, es ändert an den bestehenden Verhätlnissen ja doch nichts. Wie kann man also als misophon veranlagter oder anderweitig durch Silvester gestörter Mensch diesen Wahnsinn überleben? Hier sind drei Tipps:
- Verreisen
Die offensichtlichste Lösung: Einfach in ein Land reisen, in dem Silvester just zu diesem Tag nicht gefeiert oder zumindest kein Feuerwerk an Privatpersonen verkauft wird. Von westlichen Metropolen ist in dieser Hinsicht abzuraten. Vor zehn Jahren war ich an Silvester in London und habe das imposante Feuerwerk am London Eye bestaunt. Kaum war es vorbei, wollten hunderttausende Menschen gleichzeitig heim, Panik brach aus, Glasflaschen wurden in die Menschenmenge geworfen, … Schade, wenn ein solch schöner Abend so unschön endet. Außerdem liegen die Reisekosten natürlich wesentlich höher als im Rest des Jahres. Von daher empfehle ich, die Reise bereits eine Weile im Voraus anzutreten. - Kulturprogram
Damit meine ich freilich nicht Bleigießen, wo am Ende wieder Müll entsteht, mit dem man nichts anfangen kann. Es soll ja auch sinnvolle kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte oder Filmabende an Silvester geben. Die Karten dafür sind leider oft überteuert, aber dafür beendet man das Jahr entspannt mit Niveau. - Zu Hause verschanzen
Ohrenstöpsel rein oder Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung aufgesetzt, ein gutes Buch und dann schön zeitig ins Bett! Habe ich schon gemacht, funktioniert allerdings am besten, wenn man allein ist und kein sozialer Druck von den Liebsten aufgebaut wird.
Wie überlebst du die lauteste Nacht des Jahres? Teile gern deine Erfahrungen. In jedem Falle wünsche ich dir einen geschmeidigen Übergang in das neue Jahr.
Alles Liebe
Philipp
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Tagebuch einer Großstadt.
Nicole Beßling
29/12/2019 — 09:48
Lieber Philipp,
und wieder mal sprichst du mir aus der Seele. Ich finde Alternative 1 und 3 äußerst interessant, wobei das frühzeitige schlafen bei mir schwierig ist. Ich finde es doch immer wieder spannend, wer denn in dieser Nacht so an mich denkt (nüchtern und weniger nüchtern) und es gibt jedes Jahr aufs Neue Überraschungen (positiv als auch enttäuschend). Jaja, der Anspruch und die Erwartungen an die Gesellschaft. Aber hey… 3 Tage noch und es ist auch wieder vorbei. Für die nächsten 366 Tage ;)
Alles Liebe, Nicole
Philipp
30/12/2019 — 09:58
Hallo Nicole,
vielen Dank für deine lieben Worte!
Bei den Feiertags- und Neujahrsgrüßen bin ich stets etwas zwiegespalten. Einerseits grüße ich gern, andererseits soll es nicht so eine Kettennachricht sein – auch wenn das echt viel Zeit ersparen würde. :D #optimierungswahn Doch die Entscheidung, wem ich alles Grüße sende und wem nicht, fällt mir etwas schwer. Dann doch lieber alle gleich behandeln und gar nicht grüßen? Oder zur Abwechslung mal anrufen? Oder einfach abwarten, wer sich meldet und antworten. Denn im Grunde ist es doch ein Tag wie alle anderen auch? Heuer mache ich vorab eine Liste. #listenliebe
Komm heil ins neue Jahr. :)
Lieber Gruß
Philipp
Gabi
29/12/2019 — 11:17
Ich erinnere mich an Jahreswechsel, die waren schön – vom Krach abgesehen. Der nervt mich auch und auch der Gestank und der Dreck. Aber ich erinnere mich auch an sehr viele Jahre, wo ich endlos müde war, sehnlichst auf 12 Uhr gewartet habe, um mich danach schnell zu verabschieden. Irgendwann wird es einfach auch langweilig – jedes Jahr der gleiche Zirkus.
Die letzten beiden Jahre habe ich deine Lösung 3 bevorzugt: Ohrstöpsel und schlafen – habe dann auch nur wenig mitbekommen. Dieses Jahr werde ich es genauso machen. Hier in der Gegend ist es zum Glück nicht ganz so laut, wie an früheren Wohnorten. Ich gehöre zu den Frühaufstehern und abends lange aufbleiben ist Quälerei.
Philipp
30/12/2019 — 10:05
Hallo Gabi,
da sagst du was Wahres! Ich stelle immer wieder fest, dass durchfeierte Nächte sich nur bedingt mit frühem Aufstehen vertragen und den kompletten Biorhythmus durcheinanderwirbeln. Von daher kann ich das total gut nachvollziehen. Dabei fällt es im Winter so leicht, zeitig ins Bett zu gehen, wenn es schon 16:00 dunkel ist…
Es gibt da so ein Sprichwort, dass man zu einer Party so spät sozial akzeptiert kommen und sie so zeitig als möglich verlassen soll. Bei Silvester verhält es sich ähnlich: Nach Mitternacht ist der Höhepunkt der Nacht gelaufen und alles danach ist nur noch elende Quälerei, als wollte man ein totes Pferd noch weiterziehen.
Beim Lesen deines Kommentars kam mir gerade in die Frage in den Sinn, warum es eigentlich noch keine biologisch abbaubaren Feuerwerkskörper gibt. Vielleicht eine Marktlücke mit Zukunft?
Ich wünsche dir einen ruhigen Übergang ins neue Jahr und viel Kraft für 2020!
Lieber Gruß
Philipp
Ursula
29/12/2019 — 18:41
Tja, wenn ich nur mit Ohrstöpseln besser klarkäme…wie macht ihr das? Ich höre dann mein Blut rauschen, und außerdem baut sich dann irgendwie Druck in meinem Kopf auf. Und ganz geräuschlos wird es ja leider auch mit Ohrstöpseln nicht…denn ansonsten fände ich diese Lösung grandios (auch außerhalb von Silvester!)
Philipp
30/12/2019 — 10:07
Hallo Ursula,
das Problem mit dem Druck auf den Ohren kenne ich ebenso wie das Rauschen. Ich verwende deshalb Ohrstöpsel nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Es gibt wohl auch Ohrstöpsel mit Metallkörper, die Geräusche besser blocken als die Schaumstoffvariante. Hast du schon mal Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung probiert?
Lieber Gruß und alles Gute für das neue Jahr
Philipp