Alle Jahre wieder… kommt die Festtagszeit! Und mit ihr zahlreiche Bräuche, um die finstere Winterzeit angenehmer zu gestalten. Einer davon besteht im Herunterzählen zum Feiertag der Wahl mit Hilfe eines Adventskalenders. Heuer lautet mein Konzept: In 21 Alben zur Wintersonnenwende.
Über die Jahre hinweg habe ich eine gewisse Vorliebe für Adventskalender abseits des industriellen Konsums entwickelt. Die kommen nämlich leider oft mit unsäglich viel Müll und ungesunden Naschereien daher. Beides passt nicht so gut in mein Lebenskonzept. Immaterielle Varianten schon eher. Entsprechend habe ich den letzten Jahren verschiedene Konzepte für minimalistische Adventskalender probiert. So entstanden unter anderem der minimalistische Adventskalender und der noch minimalistischere Adventskalender.
Dieses Jahr ist jedoch alles ein wenig anders. Für vieles zeichnet sich freilich CODID-19 verantwortlich. Home-Office sei Dank, schlittere ich oft stundenlang von einem Telefonat ins nächste. Bei der bloßen Vorstellung, dann auch noch täglich nach der Arbeit privat zu telefonieren, spüre ich bereits, wie sich alles in mir verkrampft und versperrt. In Hinblick auf meine Ziele für das Jahr, die nicht durch die Pandemie unmöglich gemacht wurden, läuft es verhältnismäßig rund. Zumindest fühle ich mich momentan halbwegs zufrieden und vor allem gut damit, noch etwas für das nächste Jahr aufzuheben. Und da es auf der Arbeit zum Jahresende hin zunehmend stressiger wird, sehe ich überhaupt keinen Grund, in meinem Privatleben auch noch zusätzlich Druck aufzubauen. Stattdessen täte ich wesentlich besser daran, für mehr Entspannung in der Adventszeit zu sorgen – zumindest im Rahmen des Möglichen.
Ebenfalls pandemiebedingt bereitet mir Sorge, wie sehr die Einschränkungen im Kampf gegen das Virus derzeit die ohnehin schon fragilen und schutzbedürftigen Wirtschaftszweige und Kleinunternehmen gefährden und im Gegenzug große Konzerne und Konglomerate von ihr profitieren. Das trifft unter anderem auch die Kulturbranchen und unabhängige Kunstschaffende sehr hart. Original war ich heuer auf einem einzigen Konzert direkt zu Beginn des Jahres, bevor Corona übergeschwappt ist. Danach gab es schlichtweg keine Konzerte mehr. Alle analogen Bühnen wurden geschlossen.
Also packe ich diese beiden unschönen Situationen an und versuche, mit meinem diesjährigen Adventskalender etwas dagegen zu tun. Konkret heißt das:
- Vom 01. bis 21.12. nehme mir täglich Zeit, mir ein Album am Stück anzuhören, ohne dabei noch etwas anderes zu tun. Einfach mal nur ganz genau und bewusst zuhören.
- Am Ende dieses Beitrags werde ich mein Album des Tages veröffentlichen, um musikalischen Künstler.innen eine digitale Bühne zu geben.
- Es werden sowohl ältere Alben, die ich schon länger nicht mehr angehört habe, als auch neue dabei sein. Letztere werde ich in diesem Zuge direkt bei den Künstler.innen selbst kaufen, da dann am meisten Geld bei den Schaffenden ankommt, statt für Abgaben an Medienkonzernen draufzugehen.
Jeden Tag ein Album zu kaufen, kann ich mir jedoch nicht leisten. Deshalb wird es eine gesunde Mischung mit Alben, die ich einfach schon längere Zeit nicht mehr gehört habe, um meine Hörgewohnheiten etwas durchzurütteln. Streaming-Dienste nutze ich dabei ganz bewusst nicht, aber das ist ein Thema für sich.
Inspiriert wurde ich zu dieser Idee von meinen beiden Herzensmenschen Lydia und Robert, die während der Pandemie und Elternzeit sich täglich zu gewählten Künstler.innen weiterbilden und die entsprechende Werke anhören. Vielen Dank dafür!
Prinzipiell lässt sich dieses Konzept übrigens auch auf andere Kulturzweige übertragen – Werke junger Filmschaffender und Autor.innen taugen ebenso wie Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Malerei oder virtueller Kunst. Da gibt es keine wirklichen Einschränkungen – nur für den Fall, dass du selbst mit Musik nicht so viel anfangen kannst. ;)
Nun aber zu meinen Alben der Wahl:
Datum | Album | Interpret.innen | Anmerkungen |
---|---|---|---|
01.12.2020 | Erstausgabe | Moka Efti Orchestra | Für alle, die Babylon Berlin oder die Goldenen Zwanziger allgemein mögen. Eigentlich wollte ich heuer zu einem Konzert von ihnen gehen. Leider klappte das wegen COVID-19 nicht. |
02.12.2020 | Always Drinking Marching Band | Always Drinking Marching Band | Die Gruppe habe ich vor ein einigen Jahren auf dem Internationalen Straßentheaterfestival in Lienz, Olala, erlebt. Wie gern denke ich an diesen Sommer zurück… |
03.12.2020 | Bohemian Skies | Estas Tonne | Ebenfalls eine Erinnerung an Olala, wo ich diese berührende Stimme zum ersten Mal gehört habe. |
04.12.2020 | Et pourquoi les crayons ? | Amélie-les-Crayons | Noch ein Erinnerungsalbum an das Straßentheaterfestival. Als das Lied La garde robe d’Elizabeth von einer Akrobatikgruppe verwendet wurde, wurde ich auf dieses Album aufmerksam. |
05.12.2020 | Weit weg | Clueso | Bei diesem Album merke ich, dass man Musik ihr Alter nicht unbedingt anmerkt. |
06.12.2020 | Box of Secrets | Blood Red Shoes | Ein Duo, das ich gern mal live erleben würde. |
07.12.2020 | Leben am Limit | SXTN | Ein kleiner Bruch, denn Rap und Hip Hop sind eigentlich so gar nicht meine Genres. Wenn dann aber zwei Damen den Spieß umdrehen und misogyne, sexistische Texte persiflieren, ist das genau nach meinem Geschmack. Da macht mir sogar die gezielt platzierte Vulgarität nichts mehr aus. |
08.12.2020 | Mutual Friends | BOY | Lässt mich viel an Barcelona denken. |
09.12.2020 | An Awesome Wave | alt-J | Stammt zwar von Briten, erinnert mich aber sehr an mein erstes Jahr in Israel und insbesondere meine ersten Taucherfahrungen. |
10.12.2020 | Einmal Damhirsch mit Preiselbeeren und Kroketten bitte | Los Carteros | Lang nicht mehr gehört, beschreibt insbesondere ein Lied äußerst gut, wie ich zur Zeit empfinde. |
11.12.2020 | HaRishon | Eric Berman | Passend zu Chanukka ein wenig israelische Nostalgie… |
12.12.2020 | 12 | AnnenMayKantereit | Als Bass stehe ich total auf die tiefe, kratzige Stimme des Sängers. Da unterstütze ich doch gern mit dem Kauf des Corona-Albums. |
13.12.2020 | Jannes fenomenala orkester | Jannes fenomenala orkester | 2011 in Stockholm beim Kulturfestival kennengelernt. |
14.12.2020 | Coco | Parov Stelar | Ich meine, bei der Pflanze auf dem Cover handelt es sich um die Türkenbundlilie. Wie passend, wo sowohl der Künstler aus Österreich stammt, als auch ich besagte Pflanze in Osttirol kennengelernt habe. |
15.12.2020 | Citizen of Glass | Agnes Obel | Auf Agnes Obel bin ich durch die Serie Dark aufmerksam geworden und hatte eigentlich gehofft, sie dieses Jahr auf einem Konzert in Berlin erleben zu können. Brauche ich noch mehr zu sagen? |
16.12.2020 | From Gas to Solid / You Are My Friend | Soap&Skin | Ebenfalls via Dark auf die Künstlerin aufmerksam geworden, würde ich sie als die Stimme der Serie bezeichnen. |
17.12.2020 | Zanaka | Jain | Mir gefallen die Einflüsse Kongos in ihrer Musik ebenso wie ihre Musikvideos. |
18.12.2020 | Polarkreis 18 | Polarkreis 18 | Dieses Album versetzt mich immer nach Dresden zurück. – Passender Weise auch die Heimat der Gruppe. |
19.12.2020 | A Weekend in the City | Bloc Party | Live ebenso eine Wucht wie auf dem Album! |
20.12.2020 | Baby Caught the Bus | Clairy Browne and the Bangin’ Rackettes | Wenn ich dieses Album höre, möchte ich direkt in den nächsten queeren Club und mit Josh Thomas tanzen gehen! |
21.12.2020 | Recomposed by Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons | Max Richter, Daniel Hope, Konzerthaus Kammerorchester Berlin & Andre de Ridder | Ein passenderes Album hätte ich für die Wintersonnenwende wohl kaum finden können. |
Wie gestaltest du deinen Adventskalender dieses Jahr? Schreib es gern in die Kommentare.
Alles Liebe
Philipp
Mari
23/11/2020 — 07:30
Finde ich eine richtig tolle Idee!
Ich bin gespannt auf deine musikalischen Entdeckungen. Ich könnte jetzt gar nicht einschätzen, welche Musik du hörst und denke mal querbeet :)
Ich werde eine selbstgemachte Version verschenken, auch weitestgehend konsumfrei. Ich verrate mal noch nicht, was es ist, nicht dass die zu beschenkende Person hier doch mitliest 😃
Liebe Grüße Maria
Philipp
24/11/2020 — 07:54
Danke! Zwar bin ich mir nicht sicher, ob ich meinen Musikgeschmack als “querbeet” bezeichnen würde, aber es fällt mir auch schwer, ihn in Kategorien zu unterteilen. Die Übergange bei Musik sind heutzutage ja derart fließend. :)
Ja, bei Überraschungen ist im Internet zu Vorsicht geraten. :D
Lieber Gruß aus Berlin
Philipp
Gabi
23/11/2020 — 20:44
Klasse Idee 👍
Nicole
27/11/2020 — 14:26
Hallo Philipp,
was für eine schöne Idee. Vielleicht nutze ich diese Idee und suche mir auch mal wieder etwas bewusst die “me-time”. Bin auf jeden Fall auf deine Musik-Inspirationen gespannt :-)
LG Nicole
Philipp
28/11/2020 — 10:36
Hallo Nicole,
vielen Dank. Ich bin tatsächlich auch gespannt, denn ich habe noch gar nicht final entschieden, welche Alben ich hören werde. Und die Uhr tickt… :D
Lieber Gruß aus Berlin
Philipp