Was waren das für Zeiten, als ich mich in meiner kindlichen Unwissenheit noch allem bedingungslos hingeben konnte, ohne über Konsequenzen nachzudenken. Damit ist es leider vorbei. Aber vielleicht ja auch zum Glück.

Als vielinteressierte Person komme ich oft gar nicht mit all meinen Plänen hinterher. Wenn ich einen Blick auf meine Ziele für 2020 werfe, offenbart sich mir, dass ich mir wieder einmal mehr vorgenommen habe, als ich realistisch schaffen kann. Dennoch halte ich daran fest.

Und zu meiner Verteidigung mag man konstatieren, dass ungerechte Verhältnisse vorherrschen: Heute hat man so viel mehr Möglichkeiten als früher, so viel mehr Optionen, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt, wenn man denn möchte. Oder man versucht eben, all das mitzunehmen, was geht. Doch funktioniert das überhaupt?

An Grenzen geraten

Faktisch wird unsere Lebenszeit durch diverse Faktoren begrenzt, auch wenn wir noch nicht wissen, wie viel jedem einzelnen von uns tatsächlich zur Verfügung stehen wird. In jedem Fall hält ein Tag nur 24 Stunden bereit. Weiterhin ist unsere Aufmerksamkeit derart beschränkt, dass wir realistisch nur einer Tätigkeit gleichzeitig mit vollem Bewusstsein nachgehen können. Unsere Limitierung gestaltet sich also dual: Wir können unsere Zeit stets nur einer Sache widmen und der Zeit, die wir für jede Sache aufwenden können, wird durch die Endlichkeit unserer Lebenszeit ein Rahmen gesetzt.

Vor einigen Jahren habe ich gelesen, dass es 10.000 Stunden Übung am Klavier braucht, um das Instrument virtuos zu beherrschen. Wahrscheinlich lässt sich das auf viele andere Fähigkeiten äquivalent übertragen. Wenn man also montags bis freitags ausnahmslos acht Stunden täglich üben würde, bräuchte man dafür fast fünf Jahre. Das schaffen leiden nur wenige Menschen, denn es gibt noch so viele andere Dinge, die unsere Zeit beanspruchen. Schule, Arbeit, Nahrungsaufnahme, Schlaf, Hygiene, soziale Interaktion und viele andere Dinge sind ebenfalls wichtig. Insofern wird der Großteil von uns wahrscheinlich nicht bereits in fünf Jahren virtuos, sondern eben erst in zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren. Wie viele Herausforderungen lassen sich also in einem Leben effektiv meistern? Wie viele Ziele können wir realistisch erreichen?

Für alles, zu dem wir uns entscheiden, es zu tun, bezahlen wir mit Lebenszeit, die unwiederbringlich verschwindet. Um der “verlorenen” Zeit nicht nachzutrauern, können wir einzig ihren Wert steigern, indem wir sie so gestalten, dass wir das Gefühl bekommen, sie möglichst bereichernd genutzt zu haben, etwa indem wir sie mit schönen Erfahrungen anreichern.

Langfristige Entscheidungen mit Konsequenzen

Alledem zum Trotz prasseln täglich tausende Anfragen für Entscheidungen auf uns ein. Nicht bei allen diesen Entscheidungen haben wir wirklich eine freie Wahl. Schlafen wir nicht genügend, bezahlen wir in Summe mit wesentlich mehr Zeit, weil sich unsere Lebenszeit verkürzt. Also verschlafen wir eben doch ein Drittel unserer Lebenszeit, weil es langfristig die klügere Entscheidung ist. Erwirtschaften wir keinen Unterhalt, werden unsere Grundbedürfnisse nicht mehr erfüllt und wir leben womöglich miserabel. Also suchen wir uns Arbeit und schließen Verträge darüber ab, die langfristig ein Drittel unserer Lebenszeit verschlingen.

Für die wenige Zeit, über die wir wirklich frei entscheiden können, ohne Konsequenzen zu fürchten, treffen wir unbewusst viele kleine Fehlentscheidungen, die in Summe einen großen Batzen Zeit kosten. Hier mal eben Nachrichten checken, dort mal kurz durchscrollen. Dabei habe wir eigentlich einen sehr konkreten Plan, wie wir unsere Ziele erreichen möchten – der genau diese Tätigkeiten nicht vorsieht. Eigentlich.

Das größte Hindernis sind wir selbst

Doch genau da tritt das Problem auf: Neue Dinge in den vielfältigsten Farben und Formen werden uns geschickt genau vor die Füße auf dem Weg zu unseren Zielen gelegt – von anderen, aber auch oft von uns selbst. Dann bleiben uns drei verschiedene Möglichkeiten, mit den Hindernissen umzugehen:

  1. Wir springen einfach über das Hindernis hinweg und lassen es links liegen. – Das wäre die ideale Reaktion, um schnellstmöglich zum nächsten Ziel zu gelangen.
  2. Wir halten kurz an, betrachten das Hindernis und überlegen, ob wir nicht ein wenig Zeit mit dem Hindernis verbringen wollen. Unabhängig von der Entscheidung verlieren wir unseren Schwung und müssen im Anschluss wieder neu Anlauf nehmen.
  3. Wir bleiben am Hindernis hängen, verlieren das Ziel aus den Augen und verlassen schließlich den Weg.

Auf dem langen Weg zu unseren Zielen, werden die Varianten 2 und 3 insbesondere durch schnelle Glücksgefühle begünstigt, oft ausgelöst durch so kleine, simple Aktivitäten wie Likes. Trotz ihrer kurzen Dauer und Unbedeutsamkeit rauben sie uns über längere Zeiträume hinweg viele Kapazitäten, die wir viel besser in unsere Ziele investieren können, beispielsweise weil wir nach einer kurzen Ablenkung von wenigen Sekunden jedes Mal erst wieder mehrere Minuten benötigen, um volle Fahrt aufzunehmen, sprich: uns zu konzentieren. Wie bekommen wir es also hin, ohne nachzudenken Variante 1 zu wählen?

Mit einer Trittleiter geht es ganz leicht

Dahinter verbirgt sich natürlich nur eine Metapher für die titelgebende Frage, die mir bei einem Großteil meiner Entscheidungen Hilfestellung leistet, sodass ich ganz einfach über ein Hindernis klettern kann. Denn es verhält sich recht einfach: Ich habe so viel vor im Leben. Um all das zu erreichen, entwickle ich Schritt für Schritt Strategien. Im Anschluss brauche ich nur noch daran festhalten. Liegt plötzlich eine neue Sache vor meinen Füßen, stelle ich mir nur die Frage:

Habe ich dafür Platz in meinem Leben?

Dabei ist es egal, ob es sich um Aktivitäten oder physische Objekte handelt. Vordergründig geht es darum, zu verinnerlichen, wann unsere Kapazitäten bereits erschöpft sind. Auf Reisen lässt sich die Frage sehr leicht beantworten: Mein Rucksack ist bereits voll, also habe ich keinen Platz, um Souvenir XYZ mit nach Hause zunehmen. In meinem Kopf befindet sich aber noch sehr viel Platz für Erinnerungen.

Äquivalent gilt das auch für zu Hause, wenn wir mit uns hadern, ob wir nicht irgendein Zubehör für ein neues Hobby, an dem wir uns schon immer mal probieren wollten, erwerben sollen. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, ist unser Alltag bereits so voll, dass wir für das neue Hobby ohnehin keine Zeit haben. Sonst würden wir uns nicht beschweren, nie genügend Zeit zu haben. Und Platz für das Zubehör in der bereits zugeramschten Wohnung gibt es auch keinen. Daher bleiben uns nur zwei Optionen: Entweder vergessen wir das neue Hobby inklusive benötigter Ausrüstung oder wir schmeißen etwas anderes aus unserer Freizeitgestaltung und idealerweise auch Wohnung.

Die Idee dieser Frage verfolgt aber auch noch eine langfristige Funktion: Wenn wir sie nur oft genug anwenden, brauchen wir sie überhaupt nicht mehr zu stellen. Dann haben wir bereits verinnerlicht, dass wir für dieses und jenes weder Raum noch Zeit haben, und springen automatisiert über das Hindernis hinweg – auf dem Weg zu unseren wahren Zielen.

Wann hast du zuletzt aktiv etwas Zugang zu deinem Leben verwehrt, um dich auf deine Ziele zu fokussieren? Ich freue mich darüber, deine Geschichte zu lesen.

Alles Liebe
Philipp